So klappt‘s mit der Kräutermedizin: „Mit Herz- und Kopfwissen“

Tegernseer Tal/Fischbachau – Im Interview: Susanne Heim hat ein Buch über das „Handwerk der Kräutermedizin“ geschrieben. Wie es dazu kam, was drin steht und welche Tipps die Autorin hat.
Seit Anfang Dezember liegt Freunden der Region und Kräuter-Interessierten ein ganz wunder- und wertvolles Buch über das heilkräftige Tegernseer Tal vor: „Handwerk der Kräutermedizin – und wie das Herstellen einer Arznei selbst zur Arznei werden kann“, das unter der Marke „Tegernseer Kräuterapotheke“ läuft. Die Fischbachauer Heilpraktikerin Susanne Heim, Tochter von „Seegeist“ Michael Heim, hat ihr Versprechen wahr gemacht und ein Nachschlage-, Arbeits- und Rezeptbuch zur Herstellung von heilsamen Tees, Wurzelpulvern, Salben, Tinkturen, Likören und Weinen aus hiesigen Kräutern verfasst. Herausgekommen ist eine gerade philosophische Anleitung, wie der Umgang mit der Natur im Tegernseer Tal an sich schon zur Arznei wird.
Frau Heim, wie kam es denn zu diesem Buch?
Heim: Die Idee kam durch meine Kräuterkurse, die ich seit sieben Jahren in Siebenhütten und seit zwei Jahren in Tegernsee durchführe. Bei der Fülle der Informationen hatten die Seminarteilnehmer Probleme beim Mitschreiben – einerseits. Andererseits ist Kräutermedizin weit mehr als ein Rezept. Es ist wichtig, zu wissen und zu verstehen. Etwa mit welchem Alkoholgehalt die Wirkstoffe aus zarten Weißdornblüten oder aus kräftigen Wurzeln zu extrahieren sind, für welche Ansatzweine man Weiß- oder Rotwein verwendet und für welche Salben zwingend Schweinefett und für welche Olivenöl als Basis gebraucht werden. Und freilich auch, wie sich die alten Rezepte verändert haben.
Ist es mehr ein praxisorientiertes Buch oder ein naturwissenschaftliches Lexikon vor historischem Hintergrund?
Heim: Die Galenik, die Kunst der Arzneiherstellung, spielt eine große Rolle. Mein Vater hat bei Recherchen die sogenannte Münchner Liste, die handschriftliche Inventurliste der Tegernseer Klosterapotheke von 1480, mit den Maßeinheiten der alten Benediktiner-Mönche gefunden. Die habe ich für das Buch in Gramm übersetzt. Aus anderen Literaturschätzen, mit denen er mich versorgt hat, wie das Buch „Die Molken- und Badeanstalt Kreuth...“ des königlichen Badearztes Dr. Carl Philip Krämer von 1829, habe ich viel über die Wirkweisen der Heilquellen im Tegernseer Tal gefunden und wie man sie nutzt. Aber der Weg von der Pflanze zur Arznei ist genauso wichtig wie das fundamentale Wissen. Man sollte wissen, warum Hollundersaft immer zu erhitzen ist.
Aber das sogenannte alte Apothekerwissen allein ist es nicht...
Heim: Es gibt auch ein Kapitel darüber, wie man meines Erachtens Heilkräuter sammeln soll: nämlich mit Achtsamkeit, unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und im Wissen um die große Kraft der kleinen Mengen. Das gilt beispielsweise für die Arnika, die hierzulande bis fast zum Aussterben gepflückt wurde und nun geschützt ist. Wenn man von ihr aber nie den ganzen Blütenkopf, sondern nur einzelne Blütenblätter zupft, dann ist ihr Bestand in Tirol, wo man sie immer noch pflücken darf, gesichert. Es wäre schön, wenn wir den Spagat schaffen, Wildpflanzen zu nutzen und nicht auszurotten.
Und außerdem ist der rechte Zeitpunkt des Pflückens wichtig?
Heim: Sehr. Deshalb finden Sie in meinem Buch auch eine Übersicht dazu, wann man welche Heilpflanzen ernten sollte – also zu welcher Jahres- und Tageszeit und in welcher Mondphase. Denn das macht in der Wirkung enorme Unterschiede. Ich habe versucht, das uralte Heilwissen, das schon Paracelsus gesammelt und geordnet hat und auf dem auch die anthroposophische Medizin aufbaut, zusammenzufassen und in modernes Vokabular zu übersetzen. Und wenn man dann mit dem Herzwissen und dem Kopfwissen, mit alten und neuen Kenntnissen an die Natur von Erkrankungen wie auch an Heilpflanzen herangeht, wird man erkennen, dass die Systeme, die Wirkweisen immer dieselben sind. Du staunst, wenn du das verstanden hast.
Wie lange haben Sie denn insgesamt an dem Buch gearbeitet?
Heim: Konkret: drei Jahre mit einer halbjährigen Pause nach dem Tod meines Vaters. Im Grunde aber finden Sie darin das Wissen und die Erfahrungen der letzten 30 Jahre, seit ich bei den beiden Heilpraktikern Thomas Rest und Eike Merz die ersten Heilkräuter aus unserer Region kennengelernt habe.
Das Buch Susanne Heim: „Handwerk der Kräutermedizin – und wie das Herstellen einer Arznei selbst zur Arznei werden kann“, 140 Seiten, 24,90 Euro im Schusternagerl Verlag; im Buchhandel und versandkostenfrei bei der Autorin, Birkensteinstr. 4, 83730 Fischbachau, 0 80 28 / 16 10.
Von Alexandra Korimorth