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Die Lebensmittelretter werden mehr: Projekt Foodsaving der Wirkstatt Oberland kommt gut an

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Von: Joshua Eibl

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Unkompliziert: Das Projekt Foodsaving der Wirkstatt zeigt, dass das Retten von Lebensmitteln einfach sein kann. Jetzt haben (v.l.) Stefan Odenbach (Edeka Weyarn), Lea Sabaß und Lisa Pause (beide Wirkstatt Oberland) eine Zwischenbilanz gezogen.
Unkompliziert: Das Projekt Foodsaving der Wirkstatt zeigt, dass das Retten von Lebensmitteln einfach sein kann. Jetzt haben (v.l.) Stefan Odenbach (Edeka Weyarn), Lea Sabaß und Lisa Pause (beide Wirkstatt Oberland) eine Zwischenbilanz gezogen. © thomas plettenberg

Die bundesweite Debatte um das Wegwerfen und Verschwenden von Lebensmitteln ist nicht neu, doch Veränderungen brauchen meist Jahre. Dass es auch unkompliziert und vor allem unbürokratisch geht, zeigt das Projekt Foodsaving der Wirkstatt Oberland im Landkreis Miesbach.

Landkreis – Seit drei Jahren gibt es das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Edeka in Weyarn. Erst kürzlich kam in Kreuth ein weiterer Supermarkt hinzu, eine Ausweitung der Kooperation auf andere Orte im Landkreis ist in Planung. Dreimal wöchentlich werden in Weyarn Obst und Gemüse gerettet. „Wir bekommen zwischen drei bis fünf Steigen pro Woche“, berichtet Leandra Sabaß, Zweite Vorsitzende der Wirkstatt. Zu Beginn verteilte die Wirkstatt das Essen an den örtlichen Kindergarten, inzwischen sei das aufgrund von organisatorischen Veränderungen in deren Küchenabläufen nicht mehr möglich. Die geretteten Nahrungsmittel werden nun privat weiterverteilt. Um die 15 Personen seien inzwischen bei der Hilfsaktion an Bord.

Und auch Edeka-Inhaber Stefan Odenbach ist mit dem Verlauf des Projektes vollends zufrieden: „Es ist ein guter Weg, Lebensmittel zu sichern.“ Dabei greife man auch auf die Tafel und eine sogenannte Grünfutterbox zurück. „Die Tafel holt alles aus dem Trockenbereich und an Molkereiprodukten ab.“ Die Grünfutterbox – von losen Salatblättern bis hin zu Selleriestangen – sei dabei für Haustiere gedacht. Besitzer dürfen sich kostenlos bedienen. „Dadurch produzieren wir fast keinen Lebensmittelabfall mehr“, berichtet Odenbach. Auch im Backshop habe man einen Lieferanten, der übrig gebliebene Waren wiederverwerte. Eine Ausnahme bilden Fleisch- und Wurstwaren: „Da haben wir gesetzliche Vorgaben“, erklärt der Edeka-Inhaber.

Das hört sich erst mal nach einem gigantischen Aufwand an. Dem widerspricht Odenbach dennoch entschieden: „Im Grunde haben wir einen Sortiervorgang mehr, indem wir zwischen geeigneten Produkten für Mensch oder Tier unterscheiden. Die Lebensmittel werden so oder so aussortiert.“

Diese dreijährige Zusammenarbeit laufe bereits so gut, dass es Bestrebungen der Wirkstatt gibt, das Projekt auszuweiten. Erst Ende November kam es in Kreuth zur Zusammenarbeit mit einem weiteren Edeka. Dort holen derzeit vier Familien im Wechsel einmal pro Woche Lebensmittel ab. „Im Schnitt kommt dabei eine Steige zusammen“, sagt Sabaß. Die Lebensmittel werden untereinander verteilt und zum Teil an die Flüchtlingsunterkunft in Kreuth gegeben. Doch damit soll nicht Schluss sein: „Wir versuchen, mit Läden in Miesbach zu kooperieren, leider fand sich noch niemand.“ Der Edeka-Alpengroßmarkt an der Schlierseer Straße in Miesbach berichtet auf Nachfrage unserer Zeitung, dass sämtliche übrig gebliebene Lebensmittel bereits an die Tafel gingen.

Bundesweite Debatte über Containern

Dabei findet das Thema auch bundesweit Gehör. In Deutschland landeten im Jahr 2020 laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft rund 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall. Ein Teil davon gilt als noch genießbar und wird von Aktivisten aus dem Müll geholt.

Erst kürzlich wurde die Debatte um das sogenannte Containern erneut befeuert. Wenn es nach Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) geht, soll das Herausholen der Lebensmittel aus Containern straffrei sein. „Wer noch verzehrfähige Lebensmittel aus Abfallbehältern retten will, sollte dafür nicht belangt werden. Ich glaube, wir alle wünschen uns, dass sich unsere Polizei und Gerichte stattdessen um Verbrecherinnen und Verbrecher kümmern“, sagte der Grünen-Politiker kürzlich der „Rheinischen Post“.

Grundlage der Diskussionen sind die Vergehen zweier junger Frauen aus dem Jahr 2019. Die Studentinnen aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck wurden damals wegen Diebstahls verurteilt, weil sie aus dem Container eines Supermarkts noch essbare Lebensmittel genommen hatten, die als Müll entsorgt werden sollten. Sie gingen in Berufung und verloren mit ihrer Verfassungsbeschwerde. Ende des Jahres 2022 übergaben sie Özdemir eine Petition – mit 190 000 Unterschriften. Diese fordert einen Wegwerfstopp für Supermärkte und die Entkriminalisierung des Containerns.

Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass das Containern von Lebensmitteln Diebstahl ist, auch wenn die Ware aus Sicht des Händlers wertlos geworden ist. Allerdings sind bisher nur vereinzelt Fälle von Verurteilungen wegen Containerns bekannt geworden. Das Amtsgericht Miesbach teilt auf Anfrage unserer Zeitung mit, dass es noch keinen derartigen Fall zu bearbeiten hatte.

Die Hoffnung, das Wegwerfen von Lebensmitteln in Deutschland einzudämmen, bleibt. Noch bedarf es dem Handlungswillen einzelner Personen. Wann und ob es eine bundesweite Regelung geben wird, ist unklar. Sabaß ist sich sicher: „Da wird sich in den nächsten Jahren bestimmt einiges tun.“

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je

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