„Die Lage ist prekär“: Einzelhändler fürchten wegen Coronavirus um ihre Existenz

Wegen der Coronavirus haben viele Geschäfte im Landkreis Miesbach ab sofort zu. Wann sie wieder öffnen, wissen sie nicht. Nicht wenige sorgen sich um ihre Existenz.
Landkreis – Ihre Schaufenster hat Claudia Koller noch dekoriert. Die Frühjahrs- und Sommerware trifft bald ein im Schuhhaus Riepl in Schliersee. Ob sie sie auch verkaufen kann, weiß die Geschäftsführerin nicht. Denn Kunden dürfen ihren Laden bis auf Weiteres nicht mehr betreten. Wie viele andere Einzelhändler in ganz Deutschland musste Koller gestern Abend wegen den Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ihren Laden dicht machen – vorerst auf unbestimmte Zeit. „Ausgerechnet jetzt, wo die Leute wieder Lust auf Einkaufen haben“, sagt Koller. „Wahnsinn.“
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Das Schuhhaus Riepl ist nur ein Beispiel von vielen Geschäften im Landkreis, die in diesen Tagen in eine Umsatzkrise ungekannten Ausmaßes steuern. Sie alle tragen zwei Herzen in ihrer Brust: Sie verstehen, dass jeder seinen Teil dazu beitragen muss, die Pandemie so gut wie möglich zu verlangsamen. Und gleichzeitig fürchten sie um nicht weniger als um ihre Existenz.
„Die Lage ist prekär“, sagt Koller. Es sei so gut wie ausgeschlossen, die Einbußen je wieder kompensieren zu können. „Die Leute kaufen ja danach nicht automatisch zwei Paar Schuhe.“ Die Kosten würden derweil weiterlaufen. Dank genehmigter Urlaube und Überstundenabbau müssten die Mitarbeiter in ihrem Schuhhaus vorerst keine Einschränkungen fürchten, schildert die Geschäftsführerin. Wie es in ein paar Wochen aussieht, wisse niemand.
Installationsservice läuft weiter
Etwas leichter hat es da noch Andreas Händl aus Wörnsmühl. Auch er musste zwar seinen Elektronikmarkt schließen, seine Installations- und Serviceaufträge darf er aber weiter abarbeiten. Ein zweites Standbein, das ihm in diesen Wochen sehr zugute kommt. „Da leben wir jetzt davon“, sagt Händl.
Bei den Kundenterminen achte er darauf, keine Hände zu schütteln und auch sonst auf Distanz zu bleiben. „Solange ich Kabel und Türklinken anfassen darf, kann ich arbeiten“, meint der Spezialist. Trotzdem rufe er vorher bei den Leuten an. Es könne ja auch sein, dass jemand unter häuslicher Quarantäne stehe. Den Verkauf von „weißer Ware“, also Waschmaschinen, Trockner und Co. versuche seine Frau so gut es geht mit telefonischer Beratung abzufangen. „Wir können halt leider nichts herzeigen“, sagt Händl.
Das trifft auch für das Schuhhaus Riepl zu – und das sogar noch schlimmer. Die beim Schuhkauf so wichtige Anprobe ist nicht mehr möglich. Um die Kunden trotzdem nicht zu verlieren, hat Koller ihre Kontaktdaten in den Schaufenstern aufgehängt. „Wir wollen zeigen, dass es uns weiterhin gibt.“ Im Gespräch lasse sich sicher eine Lösung finden. Eines sollten die Leute aber nicht tun, appelliert Koller: auf den Online-Handel ausweichen.
Aufruf per Social Media
Dass diese Gefahr groß ist, weiß Markus Baumgartner nur zu gut. Der Inhaber von Betten Thoba in Miesbach hat deshalb auf Facebook („Betten Thoba Miesbach“) einen Aufruf veröffentlicht: „Gemeinsam für Miesbach“.
Das Ziel ist leicht erklärt. „Wir müssen die Leute sensibilisieren, dass sie nicht die örtlichen Händler vergessen“, warnt er. „Es ist schön, durch eine Innenstadt mit schönen Schaufenstern zu flanieren, aber das ist nicht selbstverständlich. Wenn diese Geschäfte verschwinden, ist es schwer, diese Lücken wieder zu schließen.“ Die Krise sei auch eine Chance, wenn man kreativ ist. „Man muss gemeinsam über eine Bestell-Hotline nachdenken und einen Lieferservice.“
Was ihm Hoffnung macht: Sein Aufruf auf Facebook wurde bereits über 100 Mal geteilt. „Das ist schon was“, sagt Baumgartner. Hilfe sei aber auch von den Ordnungsbehörden wichtig, die die Schließungen anordnen. „Dass in Miesbach der Hage-Baumarkt offen haben darf, das Elektrogeschäft nebenan aber schließen muss, verstehe ich nicht.“
Verunsicherung ist groß
Ähnlich geht es Heinz Lindner, der am Stadtplatz in Miesbach Tabak und Zeitschriften verkauft. Ob auch er schließen muss? „Ganz ehrlich, das weiß ich nicht“, sagt er. „Das konnte mir niemand sagen.“ Deshalb will auch er heute aufsperren. Zeitungen und Zeitschriften seien wichtig für die Versorgung des täglichen Lebens. Dass sein Geschäft dennoch verzichtbar sei – immerhin kann man auch im Supermarkt oder an der Tankstelle einkaufen – will er so nicht stehen lassen. „Wir sind ein Fachgeschäft“, betont Lindner. „Wir haben über 2500 Titel im Angebot.“ Und anders als im Supermarkt könne man bei ihm Titel bestellen. „Deshalb kommen auch Kunden aus dem Tegernseer Tal zu uns.“
Die Gefahr einer Ansteckung bei ihm im Laden stuft der 74-Jährige als gering ein. „Bei uns sind maximal zwei Kunden drin, weil wir so schnell sind. Das ist weniger als im Supermarkt.“ Auch um sich und seine Frau macht er sich keine Sorgen. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir keine Grippe gehabt.“