Von harmlos bis sinnlos: Das sind die gängigsten Argumente gegen die ALB-Fällungen

Die Baumfällungen innerhalb des 100 Meter großen Radius um das Miesbacher Finanzamt sind fürs Erste abgeschlossen. Doch die ALB-Quarantänezeit dauert insgesamt bestenfalls vier Jahre.
Als Bekämpfungsmaßnahme gegen den Asiatischen Laubholzbockkäfer (ALF) wurden Hunderte Gehölze im Stadtgebiet und im Hallenwald am Harzberg entnommen – Eingriffe, die viel Kritik aus der Bevölkerung nach sich gezogen haben. Wir haben Elke Zahner-Meike, ALB-Pressereferentin bei der federführenden Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freising, mit den gängigsten Gegenargumenten konfrontiert.
Die Behörden entscheiden willkürlich
Die LfL wird bei einem Verdacht auf Befall mit dem ALB nach den Vorgaben des Bundes und der EU tätig: Sie setzt die Maßnahmen entsprechend der Regelungen des EU-Durchführungsbeschlusses 2015/893 vom 9. Juni 2015 sowie der Leitlinie des Julius Kühn-Institutes auf Bundesebene vom 4. November 2016 um. Das Vorgehen wird regelmäßig von der EU überprüft und nur, wenn es korrekt erfolgt ist, werden die von den betroffenen Behörden und Kommunen für die Bekämpfung des ALB eingesetzten Gelder zu dem maximal möglichen Anteil zurückerstattet.
Warum wird der ALB überhaupt vernichtet?
Der ALB gehört zu den in der EU als unerwünscht geltenden Tierarten, die aus Gebieten außerhalb Europas stammen. Weil er einheimische Arten verdrängt und so die europäische Artenvielfalt bedroht, soll verhindert werden, dass er sich in Europa etabliert oder weiter ausbreitet.
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Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen mit Mitgliedern wie dem Bundesumweltministerium, dem Bundesamt für Naturschutz und dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) zählt den ALB zu den 100 schädlichsten invasiven Arten weltweit.
Die Maßnahmen sind umstritten
Der EU-Durchführungsbeschluss ist auf der Grundlage des aktuellen Standes der EU-weiten wissenschaftlichen Forschung entstanden. Zuständig ist hier die EPPO (European and Mediterranean Plant Protection Organisation), die Organisation für die Kooperation ihrer Mitgliedsländer in Fragen des Pflanzenschutzes.
Massive Abholzungen sind unnötig
Ja, man verliert in der Quarantänezone Bäume, aber auf lange Sicht würde der ALB als invasive Art enormen Schaden an den heimischen Laubgehölzen anrichten. Ziel der Fällungen ist es, den punktuell eingeschleppten ALB auszurotten und so den weitaus größeren Teil der Gehölze im gesamten Gebiet der EU zu schützen.
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Nur durch diesen Schutz sind auch in den von den Fällungen betroffenen Gebieten Nachpflanzungen überhaupt möglich. Das Bundesamt für Naturschutz wertet das Einbringen von Arten in Regionen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes als eine der wichtigsten Gefahren für die biologische Vielfalt.
Nur befallene Bäume sollten gefällt werden
Erfahrungen bei bisherigen Ausrottungen des ALB haben gezeigt, dass bei ausschließlicher Fällung von Bäumen mit erkanntem Befall regelmäßig befallene Bäume in der Nachbarschaft übersehen werden. Das hat dazu geführt, dass die ersten Bekämpfungsversuche gegen den ALB über lange Zeiträume liefen und erst griffen, als rigoroser vorgegangen wurde. In Deutschland werden seit 2004 Erfahrungen gesammelt. Nachdem erste Quarantänezonen über bis zu zwölf Jahre, also sechs Käfergenerationen, bestehen blieben, sind jetzt zwei Generationsfolgen, also vier Jahre, realistisch. Bei allen verfügbaren Monitoring-Maßnahmen (Boden-, Kronenmonitoring, Spürhunde-Einsatz, Lockstofffallen, Fangbäume) können nie 100 Prozent der vom ALB befallenen Bäume festgestellt werden, auch nicht wenn alle Monitoring-Maßnahmen gemeinsam eingesetzt werden.
Warum setzt man nicht auf Vergasung?
Bisher wurde sowohl in den Befallsgebieten in Österreich, Frankreich als auch in Deutschland kein Insektizideinsatz erwogen, da in der EU kein zugelassenes Pflanzenschutzmittel dafür zugelassen ist. Ein Insektizideinsatz wäre zudem nicht zur aktiven Bekämpfung des ALB in befallenen oder befallsverdächtigen Bäumen geeignet, sondern einzig als Vorsorgemaßnahme zum Schutz unbefallener Bäume. Die tief im Stamm sitzende ALB-Larve kann nur schwer von Insektiziden erreicht werden. Das Gas, das bei der Behandlung von Holzverpackungsmaterial eingesetzt wird, ist zudem hochgiftig.
Der ALB kommt immer wieder nach
Meist wird der ALB in Verpackungsholz aus Asien eingeschleppt. Deshalb wird das Holz im Kern entweder auf eine Temperatur von 56 Grad Celsius für 30 Minuten erhitzt oder hochgiftig begast.
Die Natur wehrt sich von selbst
Der ALB hat bei uns keine ausreichenden Feinde, die dafür sorgen, dass die Anzahl der Käfer niedrig bleibt. Zwar fressen Spechte auch ALB-Larven, eine wirksame Verringerung des Befalls oder gar die Ausrottung kann so jedoch nicht erreicht werden. Ja, Verbreitungsgebiete von Tier- und Pflanzenarten verändern sich ständig. Auch auf natürliche Weise können Arten neue Gebiete besiedeln. Das geschieht in der Regel langfristig. Die von Menschen verursachte Ausbreitung überwindet natürliche Ausbreitungsschranken und weite Entfernungen innerhalb kürzester Zeit. Gebietsfremde Arten können so ganze Ökosysteme verändern. Weltweit gelten invasive Arten als zweitgrößte Gefährdung für die biologische Vielfalt, übertroffen nur durch die Gefahr der Zerstörung der natürlichen Lebensräume.
ddy