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Herzdruckmassage: Arzt aus Miesbach erklärt das Vorgehen - „Reanimation ist die einzige Chance“

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Von: Jonas Napiletzki

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Symbolfoto Reanimation
Kräftig drücken: Bei der Reanimation kann nichts falsch gemacht werden. Idealerweise sollten Helfer aber sofort und ordentlich zupacken (Symbolbild). © PantherMedia

Der BRK-Landesarzt Florian Meier erklärt im Interview, wie eine Reanimation funktioniert und warum Helfer dabei nichts falsch machen können.

Miesbach – Vor genau einer Woche hat ein Skifahrer im Sudelfeld das Bewusstsein verloren. Der Herzstillstand traf den 64-Jährigen unvermittelt im Lift. Was dann folgte, war ein Musterbeispiel erster Hilfe. Eine junge Sportlerin begann mit der Wiederbelebung, ein Liftmitarbeiter alarmierte die Bergwacht, die Retter verwendeten einen Defibrillator und brachten den Mann stabilisiert ins Tal.

Aber: Nicht immer trauen sich Helfer die Reanimation zu. Worauf es ankommt und warum sie nichts falsch können, erklärt BRK-Landesarzt Florian Meier (47) im Gespräch mit unserer Zeitung.

Die richtige Reihenfolge: „Prüfen, rufen, drücken“

Herr Meier, woran lässt sich erkennen, ob eine Reanimation nötig ist?

Florian Meier: Wenn ein bewusstloser Mensch nicht mehr atmet. Um das festzustellen, sollte man ihn ansprechen, an den Schultern rütteln und den Kopf überstrecken. Wenn er keine Lebenszeichen zeigt, liegt ein Kreislaufstillstand vor. Dann sollte ein Notruf abgesetzt und sofort mit der Herzdruckmassage begonnen werden. Merken lässt sich das in der Reihenfolge Prüfen, Rufen, Drücken. Herausfordernd ist es natürlich, wenn man allein ist. Auch dann geht aber der Notruf vor, um die Rettungskette zu aktivieren und Hilfe zu erhalten. Früher hat man noch die Pulskontrolle gelehrt – die macht man heute nicht mehr, weil sie zu unsicher ist.

Florian Meier (47)
, BRK-Landesarzt aus Miesbach
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Florian Meier (47), BRK-Landesarzt aus Miesbach. © Thomas Plettenberg

Wenn es soweit ist: Wie funktioniert die Herzdruckmassage genau?

Meier: Der Oberkörper des Patienten muss entkleidet werden. Dann kniet man sich neben dem Brustkorb über ihn, legt beide Hände übereinander und drückt 100- bis 120-mal pro Minute das Brustbein ein. Beim Rhythmus kann man sich am Lied Stayin’ Alive orientieren. Man muss ordentlich drücken, etwa fünf, sechs Zentimeter tief. Wenn es dabei kracht und knackst, ist das kein Problem. Rippen verheilen wieder.

Im Zweifel auf Beatmung verzichten

Sollten Ersthelfer die Patienten auch beatmen?

Meier: Für nicht-geübte Laien ist das nicht einfach. Beim Wechsel vergeht meist viel Zeit und die Beatmung ist oft nicht ausreichend. Wenn man beatmet, dann zwei Mal im Wechsel mit 30 Mal drücken. Aber: Die Herzdruckmassage ist besser, als nichts zu tun. Im Zweifel sollten Helfer die ganze Zeit im Rhythmus ohne Unterbrechung drücken.

Wie lange sollten Helfer weitermachen?

Meier: Wenn Passanten da sind, sollte einer den Notruf absetzen, einer den Defibrillator holen und man selbst die Herzdruckmassage durchführen – solange, bis der Arzt oder der Defibrillator vor Ort ist. Wir wissen, das ein plötzlicher Herztod fast immer wegen Kammerflimmern eintritt. Das beende ich nur mit einem Defibrillator. Das Gerät sagt dem Helfer beim Einschalten alles, was er tun soll, mit klaren Kommandos. Während der Defibrillator die Analyse durchführt, sollte die Herzdruckmassage gestoppt werden. Das Gerät sollte so schnell wie möglich zum Einsatz kommen und funktioniert auch im Schnee. Nur im Wasser sollte man darauf verzichten.

Bei Erfolg: Stabile Seitenlage

Wie lässt sich erkennen, ob man erfolgreich war – und was ist dann zu tun?

Meier: Wenn der Patient Lebenszeichen von sich gibt, beispielsweise schnauft, schluckt oder würgt, war man erfolgreich. Meist ist er noch bewusstlos. Dann sollte man ihn in die stabile Seitenlage drehen.

Können Ersthelfer etwas falsch machen?

Meier: Nein. Wenn jemand keinen Kreislauf mehr hat, kann ich nichts mehr kaputt machen, sondern nur noch Gutes tun. Jede Hilfe ist besser als keine Hilfe. Die Reanimation ist die einzige Chance, die diese Menschen haben. Es ist wichtig, sich sofort zu trauen. Je länger ich warte, desto größer sind die Schäden am Gehirn. Selbst Kinder können können die Herzdruckmassage sehr gut durchführen.

Zur Überwindung: „Man kann nichts falsch machen“

Trotzdem ist die Hürde für viele Menschen hoch. Haben Sie einen Tipp zur Überwindung?

Meier: Es gibt eine generelle Hemmschwelle, weil manche denken, sie können das nicht, oder wissen nicht, wie das geht. Aber: Man kann nichts falsch machen. Und wenn jemand sagt, er kann das nicht, weil sein Erste-Hilfe-Kurs vom Führerschein schon 40 Jahre her ist, dann muss er so einen Kurs eben noch einmal besuchen. Man sollte sich auch bewusst machen, dass es nicht nur Passanten, sondern auch die eigene Familie treffen kann. Ich kenne eine Frau, die hat einen solchen Kurs erneut belegt. Eine Woche später musste sie ihren eigenen Mann reanimieren – und war erfolgreich.

Das Gespräch führte Jonas Napiletzki.

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