„Es ist eine Katastrophe“: Vogelschützer warnt vor tödlichen Folgen des Feuerwerks

Während viele Menschen das Silvester-Feuerwerk andächtig genießen, ist es für Tiere ein mitunter tödlicher Stress, sagt ein Vogelschützer. Er erklärt die Hintergründe.
Miesbach – Ein Silvester, an dem man auch nach Mitternacht noch die Sterne sehen kann, an dem keine feinstaubbelasteten Rauchwolken den Himmel vernebeln und vor allem kein Raketenlärm die Tiere zu Tode erschreckt – für viele Menschen ist das ein Traum. Einer davon ist Gerhard Kinshofer, Vorsitzender der Kreisgruppe im Landesbund für Vogelschutz (LBV).
Das, was die Knallerei für die Vögel bedeutet, fasst der Miesbacher in einen kurzen Satz: „Es ist eine Katastrophe.“ Der Lärm und die Lichter lassen die Wildvögel auffliegen. Weil über weiten Gebieten flächendeckend geschossen werde, wissen sie nicht mehr, wo sie runter können, und steigen weit höher in den Himmel hinauf, als sie das normalerweise tun, erklärt er. „Irgendwann ist ihre Energie verbraucht und sie stürzen ab“, sagt er. „Die toten Vögel findet kein Mensch.“

Sein Wissen ist durchaus fundiert. Er verweist auf holländische Studien. In den Niederlanden wurden mithilfe eines Wetterradars in mehreren Jahren hintereinander die Vogelbewegungen am Himmel während der Silvesternacht mit denen in anderen Nächten verglichen. Die Ergebnisse sind erschreckend. Beginnt um 24 Uhr die Knallerei, dann „explodiert die Dichte der Vögel im Luftraum“, heißt es in einer Fachzeitschrift. „Tausende von Vögeln schrecken von ihren Schlafplätzen auf und steigen in Massen auch in große Höhen auf.“
Die Behauptung mancher Menschen, dass Wildtiere den Lärm und die Lichter der Feuerwerksraketen wie ein Gewitter erleben würden, weist Kinshofer zurück. „Eine Ausrede. Man kann es auch schön reden.“
Nicht nur für Vögel, auch für andere Wildtiere ist die Silvesternacht purer Stress. Waldemar Ziegler aus Bayrischzell war 50 Jahre lang Berufsjäger. „Das Wild ist in dieser Zeit an den Fütterungen“, erklärt er. „Es flüchtet dann panisch und nachhaltig.“ Sprich: Reh- und Rotwild trauen sich tagelang nicht zurück und verbeißen anderswo junge Bäume. Das, was man mit der Fütterung eigentlich vermeiden will.
Solange die Knallerei im Ortsbereich stattfinde, komme das Wild noch einigermaßen damit zurecht, sagt Ziegler. Je näher aber der Wald liege – vor allem, wenn dort Einstandsgebiete liegen –, umso schlimmer sei es. Das gelte besonders für verpachtete Berghütten, wo Gäste in der Nacht ihre Feuerwerke abschießen. Dieses Problem kennt auch Kinshofer. Gerade die extrem geräuschempfindlichen Rauhfußhühner, die auch im Mangfallgebirge leben, würden durch die Knallerei so erschreckt, dass sie den „stillen Tod“ sterben.
Kinshofer wünscht sich eine Gesetzesänderung auf Bundesebene. Die Silvesterraketen seien ja auch eine enorme Umweltverschmutzung, sagt er. „In einer Nacht wird so viel Feinstaub erzeugt wie durch den Autoverkehr von zwei Monaten.“ Tagelang hängen die Schadstoffe noch in der Luft. Zusätzlich landen am Boden giftige Schwermetalle, die in den Raketen stecken, damit diese bunte Lichter erzeugen.
Warum die Menschen Geld für die Raketen ausgeben, kann Kinshofer bei all den offensichtlichen Nachteilen nicht verstehen: „So viel Elend gibt es auf der Welt. Man könnte das Geld besser ausgeben.“
Christine Merk
In Holzkirchen kann sich der Bürgermeister anstatt der wilden Ballerei ein zentrales Feuerwerk vorstellen. Im Tegernseer Tal fordern dagegen immer mehr einen kompletten Verzicht auf die Silvester-Böllerei.