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Nach Fernsehkritik: Zuchtverband bezieht Stellung zu Tiertransporten

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Von: Sebastian Grauvogl

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Tiertransport, Zuchtverband Miesbach
Beliebter Handelsplatz: Die Märkte des Miesbacher Zuchtverbands sind ein wichtiger Umschlagsort für hochwertiges Zuchtvieh von Betrieben aus der Region. © Thomas Plettenberg

Der Miesbacher Zuchtverband steht unter Druck. 30 Jungrinder sind über einen Umweg in Libyen gelandet – trotz Exportverbots. Das sagt der Geschäftsführer zu den Vorwürfen.

Miesbach – Aufsehenerregende Fernsehbilder machten kürzlich die Runde – und sorgten unter den Landwirten im Landkreis für große Unruhe. Reporter des ZDF hatten aufgedeckt, dass 30 über den Zuchtverband Miesbach in die Slowakei verkaufte Jungrinder tatsächlich nach Libyen transportiert wurden. In ein Zielland also, das in Bayern seit März 2019 als Risikostaat gilt und deshalb mit einem Exportverbot belegt ist. Obendrein seien die Tiere dabei von Zucht- zu Schlachtvieh umdeklariert worden. Vorwürfe, die den Miesbacher Zuchtverband schwer getroffen haben. Warum, das erklärt Geschäftsführer Christian Presslaber (43) im Interview mit unserer Zeitung.

Herr Presslaber, wertvolle oberbayerische Kalbinnen wurden mit Schlachtvieh auf einem Schiff nach Libyen gebracht. Was genau ist da passiert?

Christian Presslaber: Der Transport fand Mitte Mai 2019 statt und wurde vom Tierschutz zur Anzeige gebracht. Nach sachlicher Überprüfung durch die Regierung im Sommer 2019 wurde kein Gesetzesverstoß festgestellt. Bildmaterial von den Versorgungsstellen und das Fahrtenbuch des Lkw können dies dokumentieren. Fotos des Milchbetriebs, auf dem die Tiere in Libyen stehen, werden weitere Beweise bringen. Die Berichterstattung ist leider nicht ehrlich abgelaufen. Der konkrete Fall wurde mit anderen Transporten vermischt. Man war nur auf der Suche nach einem Skandal. Die Auswirkungen bekommen wir jetzt zu spüren. Und das ist ziemlich bitter.

Christian Presslaber, Geschäftsführer des Zuchtverbands Miesbach
Christian Presslaber, Geschäftsführer des Zuchtverbands Miesbach. © Thomas Plettenberg

Inwiefern?

Christian Presslaber:  Viele Käufer fürchten jetzt, durch Falschmeldungen ihren guten Ruf zu verlieren und suchen sich andere Handelspartner. Ein Milchbetrieb mit eigener Molkerei in Usbekistan wollte beispielsweise innerhalb der kommenden drei Jahre 1000 Zuchtrindern aus Bayern importieren. Jetzt schaut er sich in Österreich um. Er hat Angst, dass er von Tierschützern an den Pranger gestellt wird. Dabei will er sich nur mit unserem hochwertigen Fleckvieh eine Existenz aufbauen.

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Warum haben Sie dann nicht verhindert, dass es zu dem umstrittenen Transport nach Libyen gekommen ist?

Christian Presslaber:  Wir können einfach nicht alles kontrollieren, was der Käufer nach erfolgter Abwicklung mit den Tieren macht. Wie bei allen anderen Waren auch hat der neue Eigentümer das Recht, diese wieder zu veräußern. An wen und vor allem wohin, können wir leider nicht steuern. Und das ist auch der große Schwachpunkt am bayerischen Exportverbot: Es gibt genügend Hintertüren, um es zu umgehen. Wie es in diesem Fall eben über den Umweg in den EU-Staat Slowakei geschehen ist.

Das heißt, Sie wollen lieber wieder direkt Geschäfte mit Käufern aus solchen Staaten machen?

Christian Presslaber:  Besser wäre es in jedem Fall. Eine direkte Verkaufsabwicklung hätte den Vorteil, dass wir viel mehr Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten hätten. Generell muss man wissen, dass es sich bei den exportierten Tieren um wertvolles Zuchtvieh im Hochpreissegment handelt. Durch die gute Zusammenarbeit mit Exportfirmen und Veterinärämtern haben sich im Laufe der Zeit weltweit Märkte aufgebaut. Es ist im ureigenen Interesse des Käufers und Verkäufers, dass die Rinder wohlbehalten am Ziel ankommen.

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Weil beide ein wirtschaftliches Interesse haben?

Christian Presslaber:  Ja, und das ist auch berechtigt. Man darf nicht vergessen, dass unsere Zuchtbetriebe auch von etwas leben müssen. Gerade in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft im Grünlandgebiet ist die Viehzucht ein wichtiges Erwerbsstandbein und trägt durch die Almwirtschaft zum Erhalt des Naherholungsraumes bei. Auch in anderen Ländern könnten die Rinder den Bauern eine Existenzgrundlage schaffen. Ich denke da zum Beispiel an ein Entwicklungshilfeprojekt mit 300 Zuchtkalbinnen für Eritrea, welches das Deutsche Auslandshilfswerk derzeit betreut. All das wird durch die jüngste Berichterstattung erschwert.

Was gedenken Sie dagegen zu tun?

Christian Presslaber:  Wir wollen unsererseits für mehr Transparenz und Aufklärung sorgen. Beispielsweise arbeitet der Bundesverband gemeinsam mit Zuchtverbänden und Veterinärämtern an einem Label zur Dokumentation aller Tiertransporte von Deutschland bis ins Empfängerland. Bilder und Videos könnten erklären, wie so etwas abläuft. Nur so können wir das verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen und wieder Ruhe in die Sache hineinbringen.

sg

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