Die Entscheidung über diese Geschenke sei immer Chefsache gewesen. So auch bei dem Füllfederhalter, den er als Büroleiter auf Anweisung Brommes selbst in Bad Tölz gekauft habe – für 460 Euro. Dieser Füller sei anlässlich eines Besuches von Kardinal Marx beschafft und an Landrat Kreidl weitergegeben worden. Ob als Leihgabe oder Geschenk, blieb offen. Jedenfalls sei das Schreibgerät mittlerweile wieder an die Sparkasse zurückgegeben worden, so der Büroleiter.
Offenbar hat sich nicht nur Kardinal Marx, sondern auch der damalige Ministerpräsident Seehofer sowie Ex-Verteidigungsminister zu Guttenberg mit diesem Füller ins Goldene Buch des Landkreises eingetragen. Darauf könnte es deshalb ankommen, weil der Bundesgerichtshof (BGH), der das Ersturteil gegen die Angeklagten teilweise aufgehoben hat (wir berichteten), strikt zwischen Innen- und Außenverhältnis unterscheidet. Demnach sind interne Geschenke vorwiegend am Gebot der Sparsamkeit zu messen und nur in bescheidenem Umfang zulässig. Der Verwaltungsrat, dem der Landrat vorsitzt, ist ein internes Gremium.
Eine andere Beurteilung könnte jedoch geboten sein, wenn es sich um Geschenke mit Außenwirkung handelt. Nach außen billigt der Bundesgerichtshof nämlich einen weiten Ermessensspielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn „sachwidrige Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen“ maßgeblich sind.
Ein weiteres Kriterium, so der BGH, ist „fehlende innerbetriebliche Transparenz“. Es habe „kein Versteckspiel“ gegeben, betonten die Angeklagten. Und der Büroleiter bestätigte: „Es lief alles offen“. Weder die interne Revision der Bank noch die Prüfstelle des Sparkassenverbandes noch die Regierung von Oberbayern als Rechtsaufsichtsbehörde hätten Unregelmäßigkeiten beanstandet.
Bromme und Kreidl sind im Ersturteil wegen Untreue zu Bewährungsstrafen von eineinhalb Jahren beziehungsweise elf Monaten verurteilt worden. Korruptionsdelikte werden im weiteren Verlauf des Prozesses wohl keine Rolle spielen, weil der BGH die Feststellung des Erstgerichts bestätigt hat, dass es an einer „Unrechtsvereinbarung“ der Angeklagten fehlt. Dafür hätte nämlich nachgewiesen werden müssen, dass Zuwendungen der Sparkasse mit günstigen Entscheidungen Kreidls in einem „Gegenseitigkeitsverhältnis“ gestanden haben.
Strafschärfend könnte sich für Bromme jedoch auswirken, dass er als Sparkassenchef Amtsträger war, was das Ersturteil nicht berücksichtigt hat. Dadurch würde sich nämlich die Mindestfreiheitsstrafe auf sechs Monate erhöhen – für jeden Fall der Untreue. Auch wenn die Einzelstrafen nicht einfach addiert werden, könnte sich die Gesamtstrafe dadurch spürbar erhöhen.
Update Freitag, 8. April, 10.30 Uhr: Angeklagte äußern sich
Im weiteren Verlauf des Prozesses haben sich auch die Angeklagten Jakob Kreidl und Georg Bromme noch zu den teuren Geschenken geäußert. Die Sparkasse verschenkte an verschiedene Empfänger etwa Manschettenknöpfe, Hirschhornmesser, Schirme, gelegentlich eines jener Hirschtücher. Eine silberne Foto-Dose und teure Schreibutensilien sowie ein Montblanc-Füllhalter landeten auf Kreidls Schreibtisch. Dieser Füller, so Kreidl, sei für den Eintrag ins Goldene Buch gedacht gewesen - etwa Kardinal Reinhard Marx habe ihn zu diesem Zweck in Händen gehabt. „Das kann man nicht mit einem Kugelschreiber für 50 Cent machen“, sagt Kreidl. „Ich habe das nie als mein Eigentum betrachtet.“
Nie habe er auch etwas mit nach Hause genommen - außer einem Koffer, der immer noch verstaubt bei ihm stehe und den er gerne einmal mit ins Gericht bringen könne. „Bitte glauben Sie mir“, flehte der 69-Jährige das Gericht immer wieder an. „Sie können mir wirklich glauben, hohes Gericht!“ Hätte er nur im Mindesten geahnt, dass die Präsente Grenzen verletzten, hätte er sie nie angenommen. Er sei nun schon mehrfach bestraft. Er habe alle Ämter verloren und Bezüge eingebüßt, seit acht Jahren komme er nicht zur Ruhe.
Die Geschenke stehen im Mittelpunkt des neuen Prozesses - vergleichsweise geht es dabei um geringe Summen. Die Präsente seien an große Kunden gegeben worden und aus einer Sicht angemessen gewesen, betonte Bromme, der wie früher im Janker ins Gericht kam. Und zu den von der Anklage aufgelisteten Blumensträußen wolle er anmerken, „dass das keine Sträuße waren“. „Das waren Einzelblumen.“ Zwei Rosen oder Nelken zum Beispiel. „Ich selbst hatte eine ganz kleine Vase, die war auch ganz eng - da ging gar nicht viel rein.“
Man habe bei der Vertiefung in die Akten gerätselt, was wohl ein „Hirschtuch“ sei, wendet sich die Vorsitzende Richterin neugierig an den Angeklagten. „Um was handelt es sich da? Das wüssten wir gerne.“ Des Rätsels Lösung liefert der Ex-Vorstandschef der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, Georg Bromme, gern: „Es war ein Damengeschenk.“ Denn: „Auch Damen waren natürlich Kunden.“
Auch mit Spenden anlässlich eines Naturschutzprojekts für Steinadler muss sich das Gericht erneut befassen - sie ließen nach Ansicht des BGH keinen unternehmerischen Zweck erkennen. Bromme erklärte, die Beobachtung der Steinadler habe intensiviert werden sollen, man habe eine Umweltstiftung geplant. „Und Aushang für die Umweltstiftung wird der Steinadler.“
dpa
Ursprünglicher Artikel von Donnerstag, 7. April:
München – Nach drei Jahren sitzen sie wieder hier, auf der Anklagebank des Landgerichts München II. Und hören erneut die gleichen Vorwürfe. Vorne Georg Bromme (73), Ex-Chef der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, im Trachtenjanker und flankiert von seinen Anwälten. Hinter ihm Jakob Kreidl (69), Ex-Landrat von Miesbach, im Straßenanzug, daneben sein Advokat.
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Stumm und starr sitzen sie da, als die Richter stundenlang verlesen. So ist das bei einer Neuauflage. Nur ab und zu machen die Angeklagten ein paar Notizen. Nach vielen Jahren geht es immer noch um Luxusreisen und Geschenke, die die Sparkasse bezahlt hat. Das Landgericht hatte die beiden Angeklagten im April 2019 jeweils wegen Untreue verurteilt, Bromme wegen 20 Fällen zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung, Kreidl wegen sieben Fällen zu elf Monaten auf Bewährung. Doch Bromme und die Staatsanwaltschaft legten Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein. Der bestätigte die Verurteilung in weiten Teilen. Einiges im Urteil hob er aber auf und verwies den Fall zurück zur Neuverhandlung nach München.
Die Richter lesen noch einmal das ganze alte Urteil des Landgerichts vor – inklusive aller Luxusreisen mit jeder Hotelübernachtung, jedem Essen, jeder Weinflasche, die auch gern mal 2000 Euro pro Stück kosten durfte. Diese Reisen wurden wegen Untreue abgeurteilt – und das Urteil vom BGH so akzeptiert. Entscheidender ist dann die Verlesung dessen, was der BGH am Urteil beanstandet. Zum einen sind da die Abschlussessen nach Zusammenkünften von Landräten. Hatte das Erstgericht Bromme hier noch verurteilt, so sprach ihn der BGH nun frei. Es handle sich um keine Untreue. Die Kreissparkasse sei ein freies Wirtschaftsunternehmen, dem ein weiter Ermessens- und Beurteilungsspielraum eröffnet sei. Es dürfe aber nur Maßnahmen ergreifen, „die mit vernünftigem Wirtschaften vereinbar sind“. Bromme habe diese Vorgabe durch die Entenessen nicht verletzt. Diese „Übung“ bestand schon vor seiner Zeit. Außerdem dienten diese Abendessen auch den Gesprächen zur Kommunalfinanzierung aufgrund der Verbindung zwischen Landkreis und Kreissparkasse. Dieser Freispruch erstreckt sich auch auf Kreidl als Verwaltungsratsmitglied.
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Anders sieht die Sache bei teuren Geschenken aus. Hier hatte das Landgericht freigesprochen. Doch gemäß BGH ist bei Büro-, Geburtstags- und Weihnachtsgeschenken an Verwaltungsräte und Vorstand ein „wesentlich strengerer Maßstab anzulegen“, da es sich um Amtsträger handle. „Die Spenden ließen keinen unternehmerischen Zweck erkennen“, schreibt der BGH. Da geht es unter anderem um ein Hirschhornmesser oder einen Montblanc-Füllfeder. Das wird das Gericht nun in den nächsten Verhandlungstagen neu befinden. Sobald alles verlesen ist, wollen die Angeklagten Stellung nehmen.