Gericht droht Landkreis Miesbach Zwangsgeld an

Der Landkreis Miesbach hat Ärger mit der Justiz: Das Verwaltungsgericht droht ihm mit Zwangsgeld in fünf Fällen – weil das Betreuungsangebot für Kinder nicht ausreicht. Für das laufende Betreuungsjahr wurden landkreisweit neun Plätze gerichtlich geltend gemacht.
Miesbach – Viele Familien sind heutzutage auf zwei Einkommen angewiesen. Kein Wunder also, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen hohen Stellenwert hat. Jetzt sind Landkreisbürger vor Gericht gezogen, weil sie für ihr Kind im Betreuungsjahr 2022/23 keinen bedarfsgerechten Platz bekommen haben: Sechs Verfahren betreffen Plätze in Holzkirchen, die weiteren Verfahren betreffen Hausham, Gmund und Tegernsee. Das teilte das Bayerische Verwaltungsgericht in München auf Nachfrage mit.
Bekanntlich haben Kinder ab einem Jahr bis zur Einschulung seit 1. August 2013 einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung. Laut Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales sind zunächst die Kommunen für die rechtzeitige Bereitstellung von Kita-Plätzen zuständig. Die Landkreise und kreisfreien Städte tragen aber die sogenannte Gesamtverantwortung: Ihre Jugendämter müssen jenen, die von ihrer Gemeinde keinen geeigneten Kitaplatz bekommen haben, einen Platz zuweisen. Das kann ein Platz bei einer Tagesmutter sein oder – abhängig von der Entfernung – in einer Nachbargemeinde. Können sie das nicht, sind sie im Streitfall die Beklagten.
Zwangsgeld
Zu sieben der insgesamt neun gerichtlich geltend gemachten Plätze ergingen bereits gerichtliche Entscheidungen. Demnach ist der Landkreis verpflichtet, einen dem individuellen Bedarf entsprechenden Betreuungsplatz in Kita oder Tagespflege nachzuweisen.
Obendrein hat das Gericht dem Landkreis in fünf Fällen bereits ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 5000 Euro angedroht, in einem Fall wurde das Zwangsgeld auch schon festgesetzt. „Mit diesen Vollstreckungsverfahren wird reagiert, wenn die gerichtlich ausgesprochene Verpflichtung nicht erfüllt wird“, erklärt Florian Huber, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts. Zunächst erfolge die Androhung, dann die Festsetzung.
Laut Huber handele es sich überwiegend um Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, also sogenannte Eilverfahren. In sechs Fällen sei zusätzlich zu den Eilanträgen auch Klage erhoben worden, sogenannte Hauptsacheverfahren. In aller Regel komme es in den Hauptsacheverfahren jedoch nicht zu einer mündlichen Verhandlung, da sich die Klagen meist durch die Entscheidungen im Eilverfahren erledigten.
Die aktuellen Klagen auf einen Betreuungsplatz scheinen die ersten im Kreis Miesbach zu sein: „Aus den Vorjahren sind keine Verfahren erinnerlich“, so Huber.
Argumentation
Die Argumentation, die die Entscheidungen des Gerichts typischerweise flankiert, zielt auf die unbedingte Bereitstellungs- beziehungsweise Gewährleistungspflicht der Träger öffentlicher Jugendhilfe. Sie könnten sich ihrer Pflicht nicht mit Verweis auf Kapazitätsengpässe und den allgemeinen Fachkräftemangel entziehen, heißt es in vergleichbaren Beschlüssen des Verwaltungsgerichts. Nicht zuletzt, weil die Nachweispflicht bereits seit 1. August 2013 bestehe und folglich ein erheblicher Zeitraum zur Verfügung gestanden habe, eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen.
Zudem habe das Bayerische Familienministerium im September 2022 als Reaktion auf die Mangelsituation eine sogenannte Experimentierklausel erlassen, mit der kurzfristig zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden könnten.
Neues System
Bis wann der Kreis Miesbach die gerichtlich geltend gemachten Betreuungsplätze nachweisen kann? „Zu laufenden Verfahren äußern wir uns grundsätzlich nicht“, so Landratsamtssprecherin Sophie-Marie Stadler. Sie teilte aber mit, dass der Landkreis nun ein einheitliches und übergreifendes System plane, mithilfe dessen die Bedarfe im gesamten Landkreis besser dargestellt werden könnten. Damit wolle er seine Pflicht im Rahmen der Gesamtverantwortung erfüllen. Das Team Kindertagesbetreuung im Landratsamt kämpfe sich jeden Tag durch eine Vielzahl an Anfragen und gebe das Möglichste, die verfügbaren Plätze zu vermitteln. „Aber das grundsätzliche Problem, nämlich fehlendes Personal, kann auch die beste Organisation nicht lösen.“
Tagesmutter-Kurs
Zusätzliches Personal will das Landratsamt mit einem neuen Qualifizierungskurs für Tagesmütter gewinnen. Außerdem berät es Kommunen, wie sie Kindertagespflegeangebote – eine Alternative zu Kitas – schaffen können.