Im Extremfall heißt's Land unter am Schliersee

Schliersee – Das geplante Wohngebiet am Breitenbach in Schliersee liegt in einem Überschwemmungsgebiet – dennoch wollen die Behörden eine Bebauung erlauben.
Die Beispiele Simbach am Inn und Braunsbach in Baden-Württemberg haben gezeigt: Naturgewalten überrollen den Menschen teils völlig unvorbereitet und mit einer Wucht, die zuvor kaum jemand für möglich gehalten hatte. Die Bayerischen Wasserwirtschaftsämter betrachten deshalb nicht mehr das vielfach genannte 100-jährliche Hochwasser (HQ100), sondern gehen bei ihrer Abschätzung der (irgendwann) drohenden Katastrophe einen Schritt weiter, zu einem sogenannten HQ extrem.
Im Extremfall steht das Wohngebiet zwei Meter unter Wasser
Ein Begriff, der auch in Schliersee bislang kaum bekannt war, zuletzt aber im Zuge der Überplanung des Gewerbegebiets Breitenbach (Holzwerk Fichtner) zur Sprache kam. Dort will die Gemeinde bekanntlich dem Wunsch des Eigentümers nach einem Wohngebiet nachkommen. Und das in einem Gebiet, das bei extremem Hochwasser den Untersuchungen des Wasserwirtschaftsamts zufolge bis zwei Meter unter Wasser steht.
Lesen Sie auch: Regen und Tauwetter: Behörde warnt vor möglichem Hochwasser am Alpenrand - Schliersee besonders gefährdet
„Nur wenn man das Risiko kennt, kann man sich schützen“, sagte Andreas Holderer, Stellvertretender Leiter des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim, als er im Schlierseer Gemeinderat über die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten sprach. Er sollte dort verdeutlichen, was das insbesondere für die Menschen bedeutet, die in solchen Gebieten wohnen. Holderer erklärte dies ganz pragmatisch.
Wer erfährt, dass sein Haus in einem Überschwemmungsgebiet steht, solle schauen, wie hoch das Wasser bei einer Flut steht und dann entsprechende Maßnahmen ergreifen. Dies könne das Abdichten des Kellers sein, das Horten von Sandsäcken oder das Treffen anderer Hochwasserschutzmaßnahmen. „Da kann man relativ viele Schäden vermeiden“, sagte Holderer. Infos, wie es im Extremfall aussehen könnte, finden sich im Internet auf www.iug.bayern.de. Ferner bekräftigte der Wasserwirtschaftler, dass die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten keine willkürliche Planung einer Behörde darstelle, sondern ein Abbild der Natur sei.
Und dieses Abbild prognostiziert für das neue Wohngebiet am Breitenbach im Extremfall Überschwemmungen mit bis zu zwei Meter Wassertiefe. Solche Flächen sollte eine Gemeinde bei ihren Wohn- und Gewerbegebietsausweisungen tunlichst von Bebauung freihalten. Vielmehr sollen sie als Rückhalteflächen für das Wasser dienen. Das Schlierseer Vorhaben bewertete das Wasserwirtschaftsamt in seiner ersten Stellungnahme daher kritisch – ja empfahl sogar dringend, „unter den derzeitigen Rahmenbedingungen von einer Bauleitplanung in diesem Gebiet abzusehen“.
Inzwischen sieht dies anders aus, und das kam so: Die Gemeinde hatte sich daran gemacht, die vorgenannten „Rahmenbedingungen“ der Planung zu ändern. Hydraulische Untersuchungen wurden beauftragt.
Das Ergebnis kurz zusammengefasst:
Die bislang geplante Bebauung mit vier Mehrfamilien- und sechs Einfamilienhäusern in einem Wohngebiet sowie fünf Wohn- und Geschäftshäuser in einem Mischgebiet bewirkt nur „sehr geringe Veränderungen der Wasserspiegellagen“ – nämlich weniger als einen Zentimeter. Die Überschwemmung wird durch die Bebauung also nicht noch schlimmer, als sie jetzt wäre, es bleibt aber dabei: die Häuser stehen bei extremem Unwetter im Wasser. Diesbezüglich hat das beauftragte Ingenieurbüro aber darauf hingewiesen: Die Gebäude können hochwassersicher errichtet werden. Natur wird am Breitenbach derweil keine zerstört, die Fläche ist bereits komplett versiegelt.
Somit scheinen die Voraussetzungen geschaffen, dass der Eigentümer nach langem Ringen zu Baurecht kommt. Nach Angaben des Schlierseer Rathauses soll in der Juni-Sitzung der Bebauungsplan abschließend behandelt werden.
dak