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Ferienwohnungen statt Hotel in bekanntem Schlierseer Gasthof?

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Von: Bettina Stuhlweißenburg

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Sollte wieder ein Hotel werden, doch dann kam Corona: Der Gasthof zur Post in Schliersee steht leer.
Sollte wieder ein Hotel werden, doch dann kam Corona: Der Gasthof zur Post in Schliersee steht leer. © Thomas Plettenberg

Seit mehr als einem Jahrzehnt steht der Gasthof zur Post in Schliersee leer – und so schnell wird sich daran auch nichts ändern: Die Eigentümerin will das Risiko einer Hoteleröffnung derzeit nicht eingehen – und wirft der Gemeinde Strategielosigkeit in Sachen Tourismus vor.

Schliersee – Wie berichtet, plant Eigentümerin Eva Maria Skofitsch, in dem traditionsreichen Gasthof ein Hotel zu eröffnen. Doch die inzwischen fünf Jahre alte Baugenehmigung erfordere eine Tektur, sagte die Immobilienmaklerin jetzt auf Nachfrage. „Nach Corona denkt man anders als vorher.“ Unter anderem sei fraglich, ob überhaupt noch Bedarf an einem Veranstaltungssaal für 200 Gäste bestehe. „Wann und unter welchen Bedingungen wieder Großveranstaltungen wie Hochzeiten stattfinden, ist schwer einzuschätzen.“

Lockdown macht alte Pläne zunichte

Skofitsch hatte das leer stehende Anwesen 2018 von dem Unternehmer Franz Kroha gekauft. Sanierung und Umbau würden voraussichtlich sechs Millionen Euro kosten. „Eine solche Investition tätigt man nicht so ohne Weiteres in Zeiten von Corona“, sagt Skofitsch. Die Pandemie sei ein Schock für sie gewesen. „Ich war immer der Überzeugung, dass Hotellerie und Gastronomie krisensichere Branchen sind, die es immer und überall auf der Welt geben wird. Aber dann kam der Lockdown“, sagt die Geschäftsführerin der Agentur Alpen-Immo, die Touristik studiert hatte und vor ihrer Zeit in der Immobilienbranche in der Hotellerie tätig war.

Eigentümerin hält Gemeinde Strategielosigkeit vor

Allerdings ist die Pandemie nicht ihr einziges Hindernis. Skofitsch findet, Schliersees touristische Infrastruktur bietet keine Investitionsanreize – und hält der Gemeinde Strategielosigkeit vor: „Schliersee sollte sich fragen: Wo wollen wir hin? Welche Zielgruppen wollen wir ansprechen und was tun wir dafür?“ Diese Positionierung passiere aber nicht. „Stattdessen lässt man sich die Idee einer Luftmatratzen-WM in der Vitalwelt patentieren. Das ist doch oberpeinlich!“ Die 2018 erstmals stattgefundene Veranstaltung sei zwar eine nette Sache für Kindergärten, habe aber mit Tourismusentwicklung nichts zu tun.

Beispiel Österreich: Mitarbeiter in der Gastro werden hier bezirzt

Skofitsch führt Beispiele aus ihrer Heimat Österreich an. So habe Ischgl im Lockdown ehemaligen Gästen Halstücher mit Ischgl-Logo geschickt, dazu eine Karte mit den Worten: „Wir vermissen dich!“ Angestellten im Gastgewerbe biete die Kommune Ischgl eine sogenannte Crewcard, die ihnen stark vergünstigte oder kostenlose Nutzungen von Skiliften, Bädern, Fitnessstudios und vielem mehr biete. Skofitsch: „So gewinnt man motivierte Mitarbeiter in einer Branche mit Fachkräftemangel.“ Die Gemeinde Leogang im Salzburger Land veranstalte unter anderem Yoga-Wochen, um die Zwischensaison zu beleben. Andere Destinationen mit ähnlichen Verkehrsproblemen wie Schliersee hätten zentral gelegene Parkhäuser und lenkten Besucher zu Fuß durch den Ort – vorbei an Cafés und Läden. „Darüber macht man sich in Schliersee noch nicht mal Gedanken.“

Trotzdem will Skofitsch das Vorhaben, ein Hotel zu eröffnen nicht aufgeben. „Ich überlege aber, den ursprünglichen Plan zu ändern.“ In welche Richtung es geht, will sie nicht sagen. „Dafür muss sich zuerst die Gemeinde mit der Änderung des Bauantrags befassen.“ Erwägt sie, den ehemaligen Hotel-Gasthof in Ferienwohnungen umzuwandeln, statt ein Hotel zu eröffnen? Immerhin sagt Skofitsch: „Ferienwohnungen funktionieren in Schliersee sehr gut, die waren in diesem Sommer alle ausgebucht.“ Derzeit schmiede sie Pläne mit Hotelarchitekten. „Was wir davon letztlich umsetzen, ist noch nicht entschieden.“

Gäste-Info-Leiter: „Wir brauchen Hotelbetten“

Schliersees Gäste-Info-Leiter Mathias Schrön reagiert irritiert auf die Attacke: „Wir können nur miteinander und nicht gegeneinander das Beste für Schliersees Tourismus rausholen.“ Wenn auf Seiten der Unternehmerin Gesprächsbedarf bestehe, seien er – und auch der Bürgermeister – immer offen. Unter anderem sei ihm bewusst, dass die Branche Personal brauche. „Wenn im Gasthof zur Post fünf Personalzimmer entstehen sollen, wird die Kommune das sicher unterstützen.“ Ferienwohnungen dagegen gebe es ausreichend in Schliersee. „Aber ein Hotel könnten wir brauchen“, sagt Schrön – und verweist auf 200 Hochzeiten, die jährlich in Schliersee stattfinden. „Wenn wir diese Gäste im Ort halten wollen, müssen wir ihnen eine Übernachtungsmöglichkeit geben.“

Vorwurf der Strategielosigkeit zurückgewiesen

Den Vorwurf der Strategielosigkeit will Schrön nicht auf sich sitzen lassen: „Wir haben mit 150 000 Gästeankünften jährlich landkreisweit die meisten.“ Die Gemeinde verfolge eine erfolgreiche Digitalstrategie, habe zum Beispiel ehemaligen Gästen im Lockdown einmal monatlich sogenannte Begeisterungs-E-Mails geschickt. „Mehr als 31 000 Likes auf Facebook sprechen für sich.“ 2018 habe sich Schliersee als Jugendreisedestination zertifizieren lassen – und spreche damit die Zielgruppe der Jugendlichen an. „Die kommen als Erwachsene dann hoffentlich wieder“.

Das Verkehrsproblem lasse sich nicht einfach mit dem Bau eines Parkhauses lösen. „Wir versuchen, die Gäste auf den ÖPNV zu setzen. Sie können mit der Gästekarte unter anderem kostenlos mit der Wendelsteinringlinie und allen RVO-Bussen fahren.“

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Der Vergleich mit Ischgl hinkt, meint Schrön: „Unsere Gäste sind nicht international, sie kommen vor allem aus Deutschland.“ Zur Positionierung des Ortes sagt er: „Wir sind nicht das bayerische Paradies, wir sind ein bayerisches Paradies.“

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