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Saurüsselalm: Klage gegen Umbau abgewiesen - dennoch gibt‘s einen Teilerfolg

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Von: Gabi Werner, Gerti Reichl

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Vor Ort an der Saurüsselalm fand die Verhandlung des Verwaltungsgerichts statt.
Vor Ort an der Saurüsselalm fand die Verhandlung des Verwaltungsgerichts statt. © Thomas Plettenberg

Der Verein zum Schutz der Bergwelt fordert, dass die Genehmigung für den Umbau und die Nutzungsänderung der Saurüsselalm bei Bad Wiessee zurückgenommen wird und klagte deshalb vor dem Verwaltungsgericht. Nun liegt das Urteil vor.

Update vom Freitag, 17. Juni:

In Sachen Saurüsselalm in Bad Wiessee ist das Urteil gefallen. Wie sich bereits bei der Verhandlung am Mittwoch abgezeichnet hatte, wurde die Klage gegen die Baugenehmigung abgewiesen. Einen Teilerfolg kann der Verein zum Schutz der Bergwelt dennoch verbuchen: Das Verwaltungsgericht München hat die 15 Sonderveranstaltungen pro Jahr, die dem Betreiber der Almwirtschaft zugesichert worden waren, gekippt. „Die Urteilsbegründung erfolgt in wenigen Wochen“, hieß es am Freitag seitens des Verwaltungsgerichts. Ab Zustellung der Urteilsgründe bestehe dann die Möglichkeit, innerhalb eines Monats die Zulassung der Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu beantragen. Ob der Verein zum Schutz der Bergwelt diesen Weg beschreitet, blieb am Freitag noch offen.

Ursprünglicher Artikel vom Mittwoch, 15. Juni:

Bad Wiessee – Nach dreistündigem Augenschein und einer mündlichen Verhandlung vor Ort, knüpft Franz Josef Haslberger seine Trachtenjoppe auf. Seine Miene hellt sich sichtbar auf. Wortkarg wie immer will er sich dennoch nicht dazu äußern, was sich gerade abgespielt hat, aber er hat es wohl ebenso im Gefühl, wie alle Beteiligten: Der Verein zum Schutz der Bergwelt wird wohl mit seiner Klage gegen die im August 2021 vom Landratsamt Miesbach erteilte Genehmigung für den Umbau und die Nutzungsänderung der vorher landwirtschaftlich genutzten Saurüsselalm in eine gastronomische Almhütte scheitern. Es wird wohl alles so bleiben auf Haslbergers Saurüsselalm. Zwar wird die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts (VGH) München erst am Freitag (17. Juni) das Urteil bekannt geben, die Tendenz ließ die Vorsitzende Richterin Cornelia Dürig-Friedl aber mehr als deutlich erkennen.

Klage gegen Genehmigung der Saurüsselalm: Sorge um Arten- und Naturschutz

Es waren mehrere Klagepunkte des traditionsreichen und vor 122 Jahren gegründeten Vereins, die von der Richterin gewohnt resolut beackert und teilweise regelrecht „zerlegt“ wurden. Etwa die arten- und naturschutzrechtlichen Verstöße, die der Verein beklagt. Unter den Tierarten, die in dem bodensauren Fichtenwald rundum leben, nannte Anja Schilling, Anwältin des Klägers, etwa das Haselhuhn. Auch von einem balzenden Auerhuhn, das ein Jäger schon gesehen haben mag, war die Rede. „Reine Behauptungen, die Sie nicht belegen können“, funkte Haslberger-Anwalt Herbert Kaltenegger dazwischen. Dass im Vorfeld keine FFH-Verträglichkeitsprüfung stattgefunden habe, beklagt der Verein ebenso. „Das hier ist kein FFH-Gebiet, daher muss keine Vorprüfung stattfinden“, stellte Dürig-Friedl klar.

Tierwelt braucht ab der Dämmerung ihre Ruhe.

Josef Faas, Naturschutz-Experte am Landratsamt Miesbach

Nächster Punkt: der Lärm. Wo bisher keine Störwirkung auf die Tiere vorhanden gewesen sei, würden nun in der schon seit Dezember 2021 eröffneten Saurüsselalm ein regelmäßiger Hüttenabend bis 24 Uhr und 15 Sonderveranstaltungen für Lärm sorgen, so der Verein. Hierzu musste Josef Faas als Umweltexperte am Landratsamt Miesbach und damit Vertreter des beklagten Freistaats, beipflichten: „Die Tierwelt braucht ab der Dämmerung schon ihre Ruhe.“ Dass außen keine Livemusik erlaubt ist, der Tanzboden am Rand der großen Außenterrasse ein Schwarzbau ist und weg muss (Dürig-Friedl: „Je schneller, desto besser“), ebenso wie eine fest installierte Riesen-Jalousie, war eigentlich Nebensache. In Sachen Tierschutz war es erneut Kaltenegger, der seine Kollegin schroff anging: „Sie reden ins Blaue hinein, Ihr Vortrag ist fachlich nicht fundiert.“ Das Thema war durch, auch wenn zufällig ein Hirsch am Berghang auftauchte.

Saurüsselalm bei Bad Wiessee: Wann wurden die Wege gebaut?

Es folgte die Betrachtung, was zuerst da war: Alm oder die Wege hinauf – für den Verein ein wesentlicher Punkt, um zu belegen, dass durch die Bewirtschaftung der Alm erst die Menschen hinaufgelockt werden. Zum Beweis packte Rudi Erlacher, Geschäftsführender Vorsitzender des Vereins, eine Wanderkarte von 1980 aus, auf der lediglich ein Fußpfad zu erkennen war. Nach Ansicht der Richterin habe sich der Verein da „verheddert“. Sie ließ ins Protokoll diktieren, dass keiner der Wege für das Bauvorhaben angelegt worden sei.

Dürig-Friedl ging zum nächsten Punkt über: dem Umbau an sich. Äußerlich entspreche die Alm dem, was im Juni 2016 als Umbau für die Unterbringung von Rindern und Wollsäuen genehmigt worden sei, so die Richterin. Die Debatte um die Anzahl der Sitzplätze, die Haslberger mit 175 außen und 80 innen bezifferte, war für Dürig-Friedl nicht ausschlaggebend für den Erfolg der Klage. Für die knapp 200 Quadratmeter zusätzlich in Anspruch genommene Fläche will das Landratsamt aber eine Rückbauverpflichtung erlassen.

Verhandlung zur Saurüsselalm: Landkreis hat keine Karte zum Landschaftsschutz und blamiert sich damit

Als überraschender Knackpunkt entpuppte sich die vom Verein als rechtswidrig bezeichnete Befreiung von der Landschaftsschutzverordnung. Anwalt Kaltenegger führte die Vereins-Anwältin geradezu vor, als er in Erinnerung brachte, dass gar keine Befreiung nötig sei, da die Originalkarte der Schutzgebietsverordnung von 1955 nicht mehr auffindbar sei. In einem Verfahren 2019 habe sich das VGH schon einmal darauf bezogen. „Ein Skandal“, kommentierte Rudi Erlacher. Und für den Landkreis eigentlich eine Blamage, da er ohne rechtsverbindlichen Landschaftsschutz dasteht. Noch Ende Juni will sich der Umweltausschuss des Kreistags damit befassen, teilte Sprecherin Sophie Stadler am Rande der Verhandlung mit. „Weg ist weg“, kommentierte die Richterin das Malheur. Da half es auch nichts, dass Anwältin Schilling auf die „augenscheinlich schutzwürdige Landschaft“ hinwies und darauf, dass mit dem Betrieb der Alm dagegen verstoßen werde.

Zur Privilegierung, die die Nutzung der Alm im Außenbereich ermöglicht hat: Dass das Landratsamt diese verteidigte und keine Fehler bei der Abwägung sah, unterstrich Anwalt Kaltenegger. Er sah hier geradezu einen „Paradefall für eine Privilegierung“. Die Alm sei ein für die Kulturlandschaft prägendes Gebäude und erfahre größte Wahrnehmung. Dass während der Verhandlung laufend Wanderer und Mountainbiker ankamen, sah er als Beleg dafür. Dem klagenden Verein warf er vor, dass er die Natur wohl eher gerne menschenfrei sehen würde. „Dabei dient sie dazu, die Menschen zu erfreuen.“ Das Gebiet sei stark frequentiert („Naherholungsziel für die Münchner“), weshalb auch der Bedarf an Gastronomie bestehe. „Und wo steht, dass es auf einer Alm nicht vernünftiges Essen geben darf?“, fragte er in Anspielung auf das Speisenangebot, das über das einer „Milzwurscht wie einst am Wallberg“ hinausgeht.

Verhandlung zur Genehmigung der Saurüsselalm vor Ort: Richterin verweist auf Entwicklung des DAV

Seine Ansicht, dass sich gerade der Deutsche Alpenverein (DAV), der ja auch Mitglied beim Verein zum Schutz der Bergwelt ist, verändere, griff die Richterin auf. „Da werden heute Luxus-Einrichtungen gebaut“, sagte Dürig-Friedl und betonte, dass es sich hier nicht um einen Neubau handle und das Gastro-Angebot keine Rolle für die Beurteilung spiele. Der Versorgungscharakter müsse lediglich gewährleistet sein. Für Rudi Erlacher steht dennoch fest: „Hier wird die Gastro zum Selbstzweck“. Der Verein wolle davor schützen, dass die Saurüsselalm zum Präzedenzfall werde.

Letztlich betonte Anwalt Peter Bachmann im Namen der beigeladenen Gemeinde Bad Wiessee, dass das Projekt und die Privilegierung „sorgfältig“ geplant und begleitet worden sei.

Klage zur Saurüsselalm: Verein will über weitere Rechtsmittel noch entscheiden

Für die Richterin war alles gesagt, ihre Tendenz, die Klage abzulehnen, war erkennbar, auch wenn sie die Entscheidung erst für Freitag ankündigte. Der Verein will sich dann entscheiden, ob er weitere Rechtsmittel einlegen wird. Rudi Erlacher ist enttäuscht: „Es wurden erst Fakten geschaffen, um dann die Privilegierung zu legitimieren. Das stellt alles auf den Kopf.“

Lesen Sie hier: Immobilien-Preishammer am Tegernsee.

gr

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