Urlaub mit Handicap - in Wiessee ein Problem

Bad Wiessee - Urlaub machen in Bad Wiessee - und das mit Behinderung. Keine einfache Kombination, wie Betroffene berichten. Dabei machen dort die meisten Tal-Gäste mit Behinderung Urlaub.
Eigentlich könnten die Siekers aus Hamm in Westfalen in Bad Wiessee richtig toll Urlaub machen – trotz der Krankheit von Manfred Sieker. Der 65-Jährige leidet an spinaler Muskelatrophie, Typ Kennedy, und sitzt im Rollstuhl. Er und seine Frau Birgit (57) haben eine Ferienwohnung gefunden, in der Manfred Sieker zurechtkommt. Sobald die Siekers ihre Unterkunft verlassen, beginnen allerdings die Probleme: Denn Bad Wiessee, das mussten die Westfalen feststellen, ist nicht barrierefrei.
Los geht’s mit den Hindernissen bereits an der Hauptstraße unweit der Unterkunft. Dort soll eine Ampel das Überqueren der Straße in Richtung See ermöglichen. Soll. „Die ist eher ein Schildbürgerstreich“, sagt Birgit Sieker. Rollstuhlfahrer, Menschen mit Rollatoren, aber auch jemand, der einen Kinderwagen schiebt, bekommt hier Schwierigkeiten. Denn nach dem Überwinden der Hauptstraße muss noch eine Abbiegespur überquert werden. Dazwischen steht die Ampel auf einer winzigen Verkehrsinsel – und die hat zum See hin keinen abgesenkten Bordstein. Manfred Sieker muss mit seinem Rollstuhl also auf der Abbiegespur stehen bleiben und auf grün warten. „Das ist lebensgefährlich“, sagt seine Frau.
Eine wackelige Rampe - und weit und breit keine behindertengerechte Toilette
Neu sind diese Probleme nicht. Sagt zumindest Hildegard Wagner. Gemeinsam mit ihrem Mann Andreas Beilhack betreibt sie das Haus Concordia, eine Anlage mit behindertengerechten Ferienwohnungen. Dass Gäste mit Behinderung im Ort oft an ihre Grenzen stoßen, bekommen die Gastgeber immer wieder mit. „Wir haben auch schon E-Mails an den Bürgermeister geschrieben. Eine Antwort kam nie“, sagt Beilhack.
Neben der kuriosen Ampel gibt es in Bad Wiessee in den Augen der Vermieter und ihrer Gäste aber noch ein ganz anderes Sorgenkind: Das Jodschwefelbad. Am Eingang soll eine faltbare Rampe Rollstuhlfahrern den Zugang ermöglichen. Manfred Siekers elektrischer Rollstuhl passt hier gerade so drauf. Und: Die Rampe sieht auch nicht aus, als könne sie das Gewicht von Rollstuhl und ihrem Mann vertragen, erzählt Birgit Sieker. Das Ehepaar hat den Versuch lieber nicht gewagt. Udo und Margret Flunkert haben es probiert – „mit Herzklopfen“, wie die 65-Jährige erzählt. Udo Flunkert ((71) ist der Bruder von Manfred Sieker, leidet an der gleichen Krankheit und macht mit seiner Frau ebenfalls Urlaub im Haus Concordia. An der Jodbad-Rampe ist alles gut gegangen. Doch drinnen standen die beiden vor einem anderen Problem: „Dass das Jodschwefelbad keine behindertengerechte Toilette hat, hat mich erstaunt“, sagt Margret Flunkert.
Jodbad-Chefin sieht keine Notwendigkeit
Die Liste der Probleme, vor denen Behinderte im Tegernseer Tal stehen, lässt sich laut den Gästen von Hildegard Wagner beliebig erweitern. „Wir wissen, dass wir da im Landkreis nicht perfekt aufgestellt sind“, sagt Harald Gmeiner. Der Geschäftsführer der Alpenregion Tegernsee Schliersee (ATS) verspricht aber Verbesserungen: Noch in diesem Jahr soll eine Übersicht erstellt werden, welche Einrichtungen im Landkreis barrierefrei sind. Das Jodbad gehört nicht dazu – und wird im jetzigen Zustand wohl auch nie in diese Liste aufgenommen werden. „Da wird vor dem Neubau sicher kein Umbau stattfinden“, sagt Geschäftsführerin Renate Zinser. Wie berichtet, wird das Gelände rund ums Jodbad völlig neu geplant. Zinser sieht auch keine Notwendigkeit zu handeln. „Besucher mit Rollatoren und Rollstühlen sind eher die Ausnahme.“
Grundsätzlich sind behinderte Gäste in Bad Wiessee allerdings nicht die Ausnahme: Jährlich melden die Gastgeber im Tal gut 7500 schwerbehinderte Gäste. Davon machen 60 Prozent in Bad Wiessee Urlaub. Diese Zahlen nennt Georg Overs, Chef der Tegernseer Tal Tourismus GmbH. Dass für dieses Klientel nicht mehr getan werde, wundert die Ehepaare Flunkert und Sieker. „Ich bin davon ausgegangen, dass ein Bad Wiessee so gestaltet ist, dass Rollstuhlfahrer hier zurechtkommen.“
Das sagt die Gemeinde
Meckerer wollen sie auf keinen Fall sein, betonen die Ehepaare Flunkert und Sieker. Statt als Beschwerden wollen sie ihre Erfahrungen eher als Anregungen verstehen. Und diese sollen auch nicht verpuffen, verspricht Hans-Gerhard Lau. Der 66-Jährige ist seit April ehrenamtlicher Beschwerdemanager der Gemeinde Bad Wiessee. Und als solcher hat er die Erlebnisse der Gäste aufgenommen und an die Gemeinde weitergegeben. Das Ergebnis: Eine behindertengerechte Toilette werde das Jodbad nicht bekommen – wegen der Neubaupläne. Aber: Sowohl in Sachen Rampe, als auch was die kuriose Verkehrsinsel und den grundsätzlich schlechten Zustand der Gehwege betrifft, habe man Bereitschaft signalisiert. „Hier könnte sich kurzfristig etwas ändern“, so Lau. Er werde an dem Thema jedenfalls dranbleiben.