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Hochwasserschutz am Tegernsee: Völlig neue Pläne

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Von: Gerti Reichl

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Das Schuhmacherwehr in Gmund wird erneuert. © tp/Archiv

Bad Wiessee - Eine unterirdische Druckleitung statt Ausbau der Mangfall und des Schuhmacherwehrs: Das Wasserwirtschaftsamt überrascht mit einer vollkommen neuen Planung für den Hochwasserschutz am Tegernsee.

Am Ende der zweistündigen Sitzung für alle Gemeinde- und Städträte des Tegernseer Tals im Gasthof Zur Post in Bad Wiessee wirkt Paul Geisenhofer, Leiter des Wasserwirtschaftsamt Rosenheim, sichtlich erleichtert. Im Gegensatz zur Infoveranstaltung im Juli 2013 in Gmund, bei der die Vorstellung der Pläne zur Hochwasserregulierung am Tegernsee in einem Tumult geendet hatte, wird sein „vollkommen überarbeitetes Projekt“ am Montagabend wohlwollend aufgenommen. Statt mit massiver Kritik und einer Flut an Ängsten und Zweifeln wird Geisenhofer mit ruhig geäußerten, sachlichen Fragen konfrontiert. Der Behördenleiter und Michael Spannring vom Münchner Planungsbüro SKI beantworten sie so gut sie können. „Wir sind noch ganz am Anfang, in der Machbarkeitsstudie“, so Geisenhofer.

Fotos: Das sind die neuen Pläne zum Schutz vor Hochwasser am Tegernsee

So sehen die neuen Pläne im Kern aus: Statt der bisher beabsichtigten Eintiefung der Mangfall zwischen Seeauslauf und Schuhmacherwehr um bis zu einen Meter, dem Bau eines neuen und größeren Wehrs und dem Bau von Hochwasserdämmen aus Beton am Mangfallufer soll der regulierte Wasserabfluss fast unsichtbar erfolgen. Über eine riesige Druckleitung, die unter der Mangfallsohle vom Fußgängersteg am Mangfallabfluss bis zum Schuhmacherwehr verlegt wird, soll das Tegernsee-Wasser wie mit einem Staubsauger abgepumpt werden. Dafür sind ein Einlauf- sowie ein Auslaufbauwerk nötig. Das Wehr, das die Büttenpapierfabrik zur Stromerzeugung nutzt, wird in der jetzigen Größe erneuert – mit redundanten Verschlüssen, einem Tosbecken zur Energieumwandlung und einem Fischaufstieg. Die Druckleitung muss so lange geöffnet bleiben, bis 50 Kubikmeter Wasserabfluss pro Sekunde erreicht sind. Das Ziel bleibt das Gleiche: Durch eine Vorabsenkung des Sees, 24 Stunden vor einem prognostizierten Hochwasserereignis, soll der Seepegel um 30 Zentimeter niedriger werden. Das soll Schäden, wie sie beim Hochwasser 2013 eingetreten sind, verringern. Mit diesem neuen Konzept erreichen wir die gleiche Wirkung wie mit der bisherigen Planung“, betonte Geisenhofer, der die massiven Bedenken der Bürger und die Beeinträchtigung des Ortsbilds als wesentliche Gründe für die Umplanung nannte.

Zum Zeitplan: Ende dieses Jahres soll die Vorentwurfsplanung stehen, die detaillierte Planung soll 2016 vorliegen. Wenn alles gut läuft, kann der Bau 2018 beginnen. „Ich will’s Ihnen nicht als einfache Lösung verkaufen, aber als elegante schon“, sagte Geisenhofer und forderte damit Gmunds Bürgermeister Georg von Preysing heraus, der die Sitzung leitete. Weil Preysing der Vorschlag grundsätzlich gefiel, appellierte er an alle Gemeinde- und Stadträte, Fachleute und Bürger, sich in der vom Wasserwirtschaftsamt geplanten Arbeitsgruppe zu engagieren. „Schließlich sitzen wir alle in einem Boot.“

Auch das Aktionsbündnis „Rettet den Tegernsee“, seit 2013 lautester Kritiker der bisherigen Planung, will darin mitrudern: Deren Vorsitzender Andreas Scherzer zeigte sich anschließend beim Gespräch mit den Experten versöhnlich: „Wir sind sehr überrascht von dem neuen Vorschlag, denn er erfüllt unsere Forderung, dass das Wehr nicht vergrößert werden darf, zu 100 Prozent.“ Das Bündnis werde aktiv mitarbeiten, zugleich aber nicht nachlassen bei anderen Forderung, wie dem Ausbau der Retentionsflächen für die Weißach. Auch müsse untersucht werden, was der „unterirdische Staubsauger“ mit dem Schilf mache.

Mangfall-Anlieger Christoph Ebensperger, dem die riesigen Hochwassermauern vor seinem Garten damit erspart bleiben, konnte den Saal mit einem Lächeln verlassen. Auch wenn ihm und allen anwesenden Gmundern klar war, dass die Baustelle den Ort extrem belasten wird. Gemeinderat Michael Huber war schon jetzt mulmig: „Da bleibt nichts, wie es ist.“

Fragen und Antworten zum neuen Konzept:

Wie hoch sind die Baukosten, wer bezahlt?

„Grobe Schätzungen liegen bei neun Millionen Euro“, so Paul Geisenhofer. Die gesamten Kosten trägt der Freistaat Bayern, die Tal-Gemeinden werden nicht beteiligt, auch nicht bei den laufenden Betriebskosten. Die Bauzeit soll etwa zwei Jahre betragen.

Zur Druckleitung:

Sie ist 4,50 Meter breit und 2,50 Meter hoch. Die Gesamtlänge beträgt etwa 600 Meter. Sie verläuft zwischen Mangfallsteg und Straßenbrücke entlang des Uferwegs und im weiteren Verlauf auf der gegenüberliegenden Seite. Die Leitung wird einen halben Meter unter der Mangfallsohle verlegt.

Zur Verlegung:

Die Leitung wird in einer offenen Baugrube verlegt. Dazu werden beidseitig Spundwände in den Boden getrieben. Die Spundwände werden anschließend wohl in der Mangfall verbleiben. Die Leitung hat ein Gefälle von vier bis fünf Metern zu überwinden. Das Einlaufwerk am Mangfallsteg ist Startpunkt der Druckleitung und wird etwa drei mal sieben Meter groß sein. Wie der Bereich abgesichert wird, um Badegäste oder Boote nicht zu gefährden, ist noch offen.

Werden die Bürger nur informiert oder können Sie sich einbringen?

Jeder Interessierte kann sich einer Arbeitsgruppe anschließen und soll sich möglichst in den nächsten Tagen bei seiner jeweiligen Gemeinde melden. Gesteuert werden soll die Druckleitung dann, wenn großräumig über Süddeutschland Schlechtwetter („Fünf-B-Wetterlage“) angesagt ist. Bei kleineren Gewitterzellen ist kein Eingriff geplant.

Warum wurde die Mangfall bisher nicht ausgebaggert, wie dies vom Vereinen „Rettet den Tegernsee“ gefordert wurde?

Laut Geisenhofer habe es dazu keinen Anlass gegeben. Zudem hätte dies die Hochwassersituation der Mangfall-Unterlieger verschärft.

Welche Auswirkung hätte das dauerhafte Umlegen des bestehenden Staubretts am derzeitigen Wehr?

Laut Planungsbüro SKI würde dies den Wasserpegel lediglich um vier Zentimeter reduzieren.

Wird am Wehr, an der Kraftwerksverordnung und den Verträgen mit der Büttenpapierfabrik festgehalten?

Geisenhofer: „An den alten Wasserrechten wird nicht gerüttelt.“

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