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Mit mobilen Hühnerställen vergaloppiert: „Kein Betrüger im eigentlichen Sinn“

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Justitia
Weil er trotz Anzahlung nicht liefern konnte, stand ein Gmunder vor Gericht. © Arne Dedert/dpa/Symbolbild

Acht mobile Hühnerställe waren bei einem Gmunder (41) bestellt, liefern konnte er trotz der Anzahlungen nicht. Vor Gericht wurde er jetzt in sieben Fällen vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen. Im achten Fall sah es anders aus.

Gmund – Sein Bestreben, den Kunden perfekte Ware zu liefern, war einem 41-jährigen Gmunder zum Verhängnis geworden. Weil er für acht Bestellungen transportabler Hühnerställe fünfstellige Anzahlungen kassiert hatte, aber wegen technischer Probleme nicht liefern konnte, musste er sich wegen achtfachen Betrugs verantworten. Am Ende des zweiten Prozesstages fiel jetzt das Urteil.

Bei Vertragsabschluss Vorauszahlungen geleistet

Alle acht Geschädigten hatten ausgesagt, nach einer Vorauszahlung von 70 Prozent für Materialkosten immer wieder vertröstet worden zu sein, weit über den Liefertermin hinaus. Der Angeklagte selbst erklärte das mit der notwendigen Optimierung der Hühnerställe während des laufenden Produktionsprozesses. Probleme mit der Zulieferung und Fehler zuarbeitender Fremdfirmen hätten enormen zeitlichen Verzug und explodierende Kosten bewirkt, was er aber aus eigener Tasche habe stemmen wollen.

Kunden nicht absichtlich getäuscht

Die Verteidigung präsentierte für den fraglichen Zeitraum von 2016 bis 2019 allerdings 14 andere Werkverträge, die nachweislich erfüllt worden waren. Eine Auskunft des Gerichtsvollziehers zeigte aber, dass ab 2019 Forderungen von Gläubigern in beträchtlicher Höhe im Raum standen. Trotz immenser Verschuldung hatte der Gmunder noch im Frühjahr 2020 nach überstandener schwerer Operation versucht, durch verbesserte Produktionsbedingungen, etwa die Anmietung einer Werkhalle und Aufnahme eines Darlehens, sämtlichen Verpflichtungen gerecht zu werden. Schließlich sei die Polizei mit einem Haftbefehl vor der Tür gestanden, schilderte der sichtlich mitgenommene Mann. Er sei kein „typischer Betrüger“ und habe seine Kunden nicht absichtlich getäuscht, befand die Staatsanwältin.

Auf das Prinzip „Hoffnung“ gesetzt

Von den ersten drei Fällen sei er freizusprechen. Ab dem vierten Fall müsse ihm klar gewesen sein, dass Probleme auftreten könnten. Er habe das aber verschwiegen und stattdessen auf das „Prinzip Hoffnung“ gesetzt. Hier liege Betrug mit bedingtem Vorsatz vor, die „schwächste Form“. Beim achten handle es sich – angesichts einer Schadenssumme von über 50 000 Euro – um einen besonders schweren Fall. Insgesamt sei eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren angemessen.

Das sahen die beiden Anwälte anders. Sie plädierten auf Freispruch und argumentierten, ihr Mandant habe Mängel erst beheben können, sobald er sie erkannt habe. Dies sei auf eigene Kosten geschehen, wodurch er eine zunehmende „Eigenschädigung“ in Kauf genommen habe. Zudem enthielten die Verträge eine Klausel über eine prozentuale Erstattung des Kaufpreises pro Woche Lieferverzug, von einem anvisierten Vorteil könne also keine Rede sein.

Alle Einkünfte in den Betrieb gesteckt

Nach halbstündiger Beratung mit den Schöffen verkündete Richter Walter Leitner das Urteil: Freispruch für die ersten sieben Fälle, elf Monate auf Bewährung für den achten, besonders schweren Fall. Der Angeklagte sei kein Betrüger im eigentlichen Sinne, sagte auch der Richter. Er habe alle Einkünfte in den Betrieb gesteckt, der seit 2012 erfolgreich gelaufen sei. Deshalb habe er davon ausgehen können, die sieben Aufträge erfüllen zu können.

Zum Zeitpunkt des achten Vertragsabschlusses hätte er aber sehen müssen, dass er sich technisch wie finanziell „vergaloppiert“ habe und der stattliche Vorschuss sofort gepfändet würde. Von weiteren Auflagen sah Leitner ab: „Sie haben durch diese Sache schon genug gelitten.“

VON STEFAN GERNBÖCK

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