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Wunden in der „Haut der Berge“

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Von: Gerti Reichl

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Die Straße zur Bodenalm, für Susanne Heim ein Negativbeispiel für Forstwegebau. © Susanne Heim

In einem Vortrag über die „Haut der Berge“ hat Susanne Heim die Zerstörung des Waldbodens angeprangert. Damit hat sie eine bemerkenswerte Aktion ins Rollen gebracht.

Tegernseer Tal – Susanne Heim war zehn Jahre Sennerin auf einer Alm in den Kreuther Bergen, ehe sie sich als Heilpraktikerin niederließ und sich auch als Buch-Autorin einen Namen machte. Sie kennt den Kreuther Bergwald sehr genau, verfolgt Veränderungen mit Argusaugen. Was sie über die Jahre beobachtet, liegt ihr schwer im Magen. Vor allem die Vernichtung von Waldboden, den sie als „Haut der Berge“ bezeichnet, macht ihr Sorgen.

Angespornt durch die Recherche für ihr nächstes Buch über die „Heilkraft der Tegernseer Berge“, dokumentiert sie die Vorgänge. Etwa in der Langenau bei Kreuth. 60 Rückegassen, also tiefe Fahrspuren von schweren Harvestern zum Abtransport von Baumstämmen, hat sie auf einer drei Kilometer langen Strecke zwischen Schwaigeralm und Bayeralm gezählt. Alle 30 bis 50 Meter eine Fahrspur. „Der Waldboden wird dabei so aufgerissen, dass Wurzel- und Pilzgeflechte zerstört werden und gesunder Humusboden verloren geht“, erklärt Heim.

Negative Beispiele

Nächstes Beispiel für die Vernichtung wertvollen Bodens: der Forststraßenbau. Als Negativbeispiel hat Heim die neue Verbindungsstraße zwischen Sutten und Bodenalm dokumentiert. Die Forststraße wurde um eine steile Felskuppe gebaut, mit teils verheerenden Folgen: Nach Regenfällen ging eine Mure ab, schlug eine Schneise in den Wald und machte Hangsicherungsmaßnahmen nötig. Die Bayerischen Staatsforsten bewiesen in Heims Augen zudem wenig Weitsicht: „Die Fichten dort sind nun Sturm und Sonne ausgesetzt, der Humus trocknet aus, wird weggeschwemmt, wertvoller Wasserspeicher fehlt.“ Ein Wendeplatz am Ende der Straße mit einer Breite von 22 Metern habe dem Projekt die Krone aufgesetzt.

Zerstörung des Waldbodens
Blanker Fels ist im Elendtal nach dem Abtransport von Holz übrig. © Susanne Heim

Negativbeispiel Nummer drei: Humusschäden durch Seilkran-Arbeiten. Im Elendtal zwischen Valepp und Kloaschertal sowie entlang der Weißen Valepp hat Heim über mehrere Jahre dokumentiert, wie Baumstämme nicht durch die Luft transportiert, sondern über den Waldboden geschliffen wurden – bis nach ein paar Starkregen-Ereignissen der nackte Fels übrig blieb. „Riesige Flächen von Waldboden werden so in ein paar Stunden zerstört“, prangert Heim an. Dabei würden 30 Zentimeter Humus 1000 Jahre für ihre Entstehung brauchen. Alle 30 bis 50 Meter seien diese Schneisen zu sehen. Schneisen, die zunehmend und für jedermann sichtbar sind und das Landschaftsbild verändern.

2018 wurde der alpine Felshumus unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz zum „Boden des Jahres“ gekürt. Um 30 Prozent ist diese Humusschicht aufgrund der Klimaerwärmung in den vergangenen zehn Jahren geschrumpft, das haben Wissenschaftler festgestellt.

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Besprechen das Thema gemeinsam: Susanne Heim und Forstbetriebsleiter Jörg Meyer. © Thomas Plettenberg

Aufgrund dieser Tatsachen vertiefte sich Susanne Heim in das Thema und hielt auf Einladung der Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) jüngst einen viel beachteten Vortrag in der Naturkäserei. Sie veranschaulichte die Bedeutung des Berghumus für das Tegernseer Tal als Wasserspeicher, Nahrungsquelle und Fundament der Waldbäume und stellte die Folgen der menschlichen Eingriffe dar. Die zahlreichen Zuhörer waren so beeindruckt, dass gleich im Anschluss ein „Arbeitskreis Bergwald“ gegründet wurde. „Wir sind eine gute Truppe von bisher acht Leuten, die was bewegen will“, sagt die Sprecherin Heim.

Arbeitskreis wurde bereits aktiv

Die Gruppe ist schon aktiv, hatte eine erste Zusammenkunft. Zudem traf sich Heim mit dem Schlierseer Forstbetriebsleiter Jörg Meyer, konfrontierte ihn mit ihren Erkenntnissen und suchte die Diskussion. Der 40-Jährige zeigt sich aufgeschlossen. Bodenschutz sei nicht nur ein zentrales Anliegen der Staatsforsten, sondern sogar gesetzliche Verpflichtung, betont Meyer. Heim sieht anhand vorliegender Beweise da aber Verstöße. Was die Forststraße zur Sutten betrifft, die laut Forstbetrieb angelegt worden sei, um dort einen Mischwald anzupflanzen, muss Meyer einräumen, dass es besser hätte laufen können. „Da will ich nichts schön reden“, sagt er und spricht von „forstwirtschaftlichem Irrtum“. „Der Weg“, so Meyer, „ist an der obersten Grenze des Machbaren.“ Den Vorwurf der Autorin, es gehe nur um Gewinnmaximierung, könne er nicht gelten lassen, so Meyer.

Gibt‘s ein Pilotprojekt in der Langenau?

Der Forstamtsleiter zeigt sich kooperativ, auch was Heims nächstes Projekt betrifft. Sie könne sich vorstellen, dass in der Langenau in einer Art Pilotprojekt Rösser die Waldarbeit übernehmen könnten. „Das funktioniert“, ist Susanne Heim überzeugt und zitiert das „Lübecker Modell“, das auch im Münchner Staatswald praktiziert wird. „Dann hätte das Bergsteigerdorf Kreuth gleich eine neue Attraktion, und der Natur wäre geholfen.“ Die Tourismus-Organisation und der Vinzentius-Verein könnten integriert und das Holz von namhaften Schreinern als „ganz besonderes Bio-Holz“ vermarktet werden. Meyer sagt zu, an einem Gespräch mit Bürgermeister Josef Bierschneider teilzunehmen. Schließlich habe er „relativ großen Handlungsspielraum“.

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