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Ein Betroffener liegt immer noch im Krankenhaus

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Von: Klaus-Maria Mehr

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Peter Borkholder stellte uns dieses Foto zur Verfügung. Er hat sie an der Seestraße in Rottach-Egern aufgenommen. © Peter Borkholder

Tegernseer Tal - 2013 ist der Tegernsee unaufhaltsam über die Ufer getreten. Viele kämpfen noch immer mit den Folgen der Flutkatastrophe - und haben dazu gelernt.

Dieser Artikel stammt vom Mai 2014

Der See, Einnahmequelle Nummer eins im Tal, wird plötzlich und beinahe ohne Vorwarnung zum Vernichter ganzer Existenzen. Getroffen hat die Jahrhundertflut alle Seeanlieger, die sich an diesem Wochenende zum ersten Mal jährt. Die einen mehr, die anderen weniger.

Einige waren versichert, andere nicht. Was bleibt, ist die Angst. „Was jetzt erst wieder in Bosnien passiert ist, das hätte auch uns treffen können“, sagt Hildegard Bayerschmidt mit Blick auf das Unwetter auf dem Balkan. Bayerschmidts Parfümerie liegt am tiefsten Punkt in der Rottacher Seestraße. Und doch hat sie riesiges Glück gehabt, wie sie sagt. Ihr Vermieter hat sie am Morgen des 2. Juni gegen 4 Uhr aus dem Bett geholt. Bevor das Wasser seinen Höchststand von einem halben Meter in ihrem Laden erreichte, konnte sie retten, was zu retten war. Bayerschmidts Geschäft war gerade neu eingerichtet. Wäre das Wasser noch weiter gestiegen und hätte sie nicht so schnell reagiert, es wäre vorbei gewesen mit ihrer Existenz.

Thomas Nägle dagegen hat es hart getroffen. Ihm gehört das Juweliergeschäft Risch in direkter Nachbarschaft. Er rechnet immer noch aus, was ihn die Flut gekostet hat. Allein bei der Einrichtung seines nur 40 Quadratmeter großen Geschäfts hat er rund 60.000 Euro verloren, schätzt der Goldschmiedemeister. „Und die war nicht versichert.“ Nach Maß geschreinerte Holzmöbel, ein teurer Holzboden – alles hin. Als das Wasser wieder abgeflossen war, konnte er die Möbel nur noch mit der Kettensäge kleinschneiden und entsorgen. Der neue Boden sieht zwar aus wie Parkett, ist aber Kunststoff, verrät Nägle. Und die Möbel: alle beweglich. Im Notfall kann der Laden sofort geräumt werden. Was den Juwelier hart getroffen hat, war das Abwasser. Die Seestraße fällt ab in Richtung See und Juweliergeschäft. Die Fäkalienbrühe aus dem Gully an der Straße sprudelte in seinen Laden und auf seinen Hof. „Sie wollen nicht wissen, was ich hier eingesammelt habe.“

Rückblick: Hochwasser 2013 im Tegernseer Tal

Die Geschäftstreibenden an der Rottacher Seestraße, sie stehen beispielhaft für die vielen Leidtragenden dieses Schicksals-Wochenendes vor genau einem Jahr. Und es hätte alles noch viel schlimmer kommen können, sagt der Vorsitzende des Aktionsbündnisses „Rettet den Tegernsee“, Andreas Scherzer. Zum Beispiel wenn der See nur ein paar Zentimeter mehr gestiegen wäre oder der Rottach-Damm gebrochen wäre. Doch auch so war es schlimm genug: Scherzer weiß von einem Mitglied, bei dem die Fluten 600.000 Euro Schaden in seinem Privathaus zurückließen. Bis heute werde dort gebaut. Ein anderer liege seit der Flut im Krankenhaus: Nervenzusammenbruch.

Das muss nicht sein, sagt der Kommandant der Tegernseer Feuerwehr Michael Haller. „Da fehlt es am Eigenschutz. Viele Anwohner haben nur 1,50 Meter Luft, dann läuft das Wasser rein.“ Mit Barrieren könne man da viel machen, das sei zwar teuer, lohne sich aber. Und die hauseigenen Pumpen müssten eben auch gewartet werden.

Die Tal-Feuerwehren jedenfalls sind gut aufgestellt für die nächst Flut. „Wir haben 3000 Sandsäcke auf Lager und unser Sortiment an Tauchpumpen verstärkt.“ Und die Zusammenarbeit mit dem THW-Miesbach klappe vorzüglich. Außerdem gebe es noch das Wiesseer Befüllzentrum, für das man den dortigen Kommandanten damals noch belächelt hatte. „Mehr kann man nicht mehr machen“, sagt Haller. Scherzer und sein Aktionsbündnis glauben dennoch, langfristige Lösungen parat zu haben. Ob die Sinn machen, muss das Wasserwirtschaftsamt prüfen. In der Rottacher Seestraße jedenfalls sind sie alle Mitglied beim Aktionsbündnis.

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Von Klaus-Maria Mehr

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