Experiment Bräustüberl: Biergarten-Neustart am Tegernsee - nächste Sorge schon in Sicht
Die Biergärten haben wieder geöffnet – unter strengen Auflagen. Wir haben uns im Bräustüberl in Tegernsee unters Volk gemischt und getestet, wie sich der Neustart anfühlt.
Tegernsee – Es war gut so, vorher telefonisch einen Platz zu reservieren. Denn schon auf dem Weg zum Bräustüberl, kurz nach dem Zwölf-Uhr-Läuten, wird mir klar: Da will nicht nur ich hin. Offene Cabrios mit Münchner Kennzeichen biegen auf dem Parkplatz ein, Motorrad-Kolonnen, jede Menge Radler. Am neuen Eingang steht auf einer Tafel, wie Biergarten ab dem Tag eins nach dem Gastro-Shutdown funktioniert. „Anmeldung. Wir zeigen Ihnen Ihren Platz“, heißt es. Ich stehe in einem Pulk von Gästen. Alle warten geduldig, jeder hält überraschenderweise Abstand zu jedem.
Coronavirus in Bayern: Biergarten-Neustart am Tegernsee - jetzt mit eingetütetem Besteck
Wir haben reserviert, und Geschäftsführer Bernhard Sagerer (44), der zusammen mit Wirts-Gattin Catherina Hubert und drei weiteren Mitarbeiterinnen die Rolle des Platzanweisers übernommen hat, führt uns zu unserem Platz. Ein Teller mit eingetütetem Besteck, ein Krug mit einem Reservierungsschild und einem „Ihre-Meinung-ist-uns-wichtig“-Flyer sowie zwei Speisekarten liegen schon bereit.
Conny aus Tegernsee, 56, seit elf Jahren Bedienung im Bräustüberl, nimmt unsere Bestellung entgegen. Sie trägt Mundschutz, wie alle acht Kolleginnen, die für den Neustart aus der Kurzarbeit zurückgekehrt sind. Über 50 sind es zu Normalzeiten – aber was ist schon normal gerade. Ich fühle mich fürs Erste gut aufgehoben, lehne mich zurück, nehme meinen Mundschutz ab und beobachte, wie die Gäste das Biergarten-Opening voller Appetit genießen.
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Corona und die Folgen: Biergarten-Comeback im Oberland - „Haxn und Bierbratl sind der Renner“ Nach dem Tischwechsel wischt das Personal Holztische und die speziell angefertigten Speisekarten ab.

„Hax’n und Bierbratl sind ganz klar der Renner“, sagt Geschäftsführer Bernhard Sagerer bereits zwei Stunden nach dem Neustart. Alles wie gehabt also? Nicht ganz: Die fünf Tischreihen sind mit dem geforderten Abstand voneinander aufgestellt, reichen sogar auf den Vorplatz hinaus. 300 statt 760 Gäste kann Peter Hubert bewirten. Gestern Mittag waren alle Plätze belegt. „Das Telefon steht nicht still“, sagt Hubert, dem der Schweiß auf der Stirn über den beschlagenen Brillengläsern steht. Er hat im Vorfeld viel Aufwand betrieben, den Mitarbeitern sogar den Corona-Antikörpertest gezahlt. Jetzt, wo der Betrieb endlich läuft, ist der Aufwand noch viel größer. „Vor allem im Büro“, sagt der 52-Jährige und meint damit nicht nur die Anmeldung eines jedes Gastes, die vier Wochen lang penibel abgeheftet werden muss, sondern überhaupt den 30-seitigen Fragenkatalog des Gaststättenverbandes DEHOGA, den er ständig im Griff haben muss.
Am Tisch nebenan wechseln die Gäste. Conny, die Bedienung, kommt mit dem feuchten Lappen und wischt über den Holztisch. Ob das reicht? Das Wischwasser mit Desinfektionsmittel werde ständig gewechselt, versichert mir Connys Kollegin und zeigt mir ihre bereits geröteten Hände.
Coronavirus: Biergärten in Bayern vor Bewährungsprobe - „am Vatertag wird‘s richtig spannend“
Wird das Biergarten-Experiment funktionieren? Können Hubert und seine Mannschaft alles so durchstehen wie gefordert? Oder wird eine saloppere Gangart die Oberhand gewinnen? „Am Vatertag und am Wochenende wird’s richtig spannend“, sagt Hubert. An die Urlauber, die noch nicht mal am Tegernsee sind, wollte er gestern noch nicht denken.
Wie der Biergarten-Neustart in München funktioniert hat, erfahren Sie bei tz.de*. Ein Kult-Wirt hatte in der Landeshauptstadt zuletzt mit einer unerwarteten Entscheidung überrascht.
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