„Wachen Sie auf!“: Tegernseer Zahnarzt schickt in Corona-Krise Hilferuf an Jens Spahn

Hat die Politik die Zahnärzte vergessen? Dr. Siegfried Marquardt aus Tegernsee hat einen Brief an Jens Spahn geschickt. Darin spricht er von einem „unfassbaren Skandal“.
- Auch Zahnärzte sind von der Corona-Krise betroffen.
- Dr. Siegfried Marquardt aus Tegernsee schlägt nun wegen fehlender Schutzausrüstung Alarm.
- Er schickt einen Hilferuf an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Tegernsee – „Seit Wochen bemühen wir uns um die Besorgung ausreichender Schutzkleidung, mit wenig Erfolg“, schreibt der Spezialist für Implantologie sowie Ästhetik und Funktion in der Zahnmedizin, während er mit großer Sorge betrachten muss, wie sein Bestand an Schutzausrüstung immer kleiner wird. „Wir folgen den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts und den Anweisungen der Standesorganisation, stehen jeden Tag für unsere Patienten zur Verfügung und sind für Notfälle gerüstet“, berichtet Marquardt, der auch die großen Worte der Politik um Hilfsbereitschaft und Solidarität verfolgt. Zahnärzte würden dabei aber offenbar ausgeklammert.
Zahnarzt aus Tegernsee in der Corona-Krise: Hilferuf an Jens Span - „Wir sind systemrelevant“
Marquardt bezieht sich auf die Entwürfe für Gesetzespakete zur Unterstützung des Gesundheitswesens bei der Bewältigung der Corona-Epidemie vom 23. März. Darin seien alle systemrelevanten Gesundheitsbereiche aufgeführt – „einzig die Zahnarztpraxen werden nicht erwähnt und schlichtweg ausgeschlossen.“ Der Gesetzentwurf sei ein „unfassbarer Skandal“ protestiert der Tegernseer Zahnarzt. Dabei halte sich das Coronavirus vor allem im Mund- und Rachenraum auf, es nehme von dort aus seinen Lauf über die viel beschriebene Tröpfchenübertragung. „Zahnmedizinische AssistenInnen und wir Zahnärzte gehören nachweislich zu dem am höchsten gefährdeten Berufsgruppe“, heißt es in dem Brief, trotzdem würden aber alle anderen medizinischen Fachrichtungen durch den Rettungsschirm geschützt.
Warum gerade die am besten in der Hygiene ausgebildete Fachgruppe bestraft oder anders bewertet werde als zum Beispiel Psychologen oder niedergelassene Ärzte, ist für den Tegernseer ein Rätsel.
Tegernseer Zahnarzt in der Corona-Krise: Umsätze in Praxen brechen ein
Völlig zu Recht würden aktuell nur notwendigste Behandlungen durchgeführt, so Marquardt. Um dies zu kontrollieren, führen Standesorganisation und Gesundheitsämter in manchen Bundesländern offenbar bereits Praxisbegehungen durch und teilen Verwarnungen aus. Als Folge brechen Umsätze ein, da Patienten reihenweise ihre Termine absagen. „Vor allem dann, wenn aufgrund nicht beziehbarer und mangelnder Schutzausrüstung die Praxen schließen müssen“, weiß Marquardt. Dies sei jedoch besonders fatal, da eine Schließung im Grunde genommen rechtswidrig sei. „Zahnarztpraxen gehören explizit zur systemrelevanten Berufsgruppe, eine Schließung kann nur von den Behörden angeordnet werden.“
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Zahnarzt aus Tegernsee fordert von der Politik: Stellen Sie auch uns unter den Rettungsschirm!
Marquardt fordert: „Wachen Sie bitte auf und stellen Sie uns ebenso unter den Rettungsschirm – nicht besser, nicht schlechter!“ Es geht ihm dabei vor allem auch um die über 200.000 Praxismitarbeiter. Für sein mutiges und engagiertes Statement erntet er bereits viel Zuspruch von Kollegen und Patienten. Den Brief hat er zudem an den Ausschuss für Gesundheit des Bundestags, an alles Gesundheitsminister der Länder sowie an Stimmkreis-Abgeordnete Ilse Aigner (CSU) geschickt. Er fordert: „Behandeln Sie uns gleichberechtigt und nicht als Berufsgruppe zweiter Klasse.“
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Zahnärzte in der Corona-Krise: Bayerische Landeszahnärztekammer mit allgemeiner Stellungnahme
In einer recht allgemein gehaltenen Stellungnahme zum Thema auf ihrer Homepage stellen die Bayerische Landeszahnärztekammer und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns fest, dass Schutzausrüstung kaum mehr erhältlich sei. Die Vereinigung habe bei Ministerpräsident Söder „interveniert“, dass die Zahnärzte bei der Verteilung als „nachrangig“ eingestuft wurden. Auch eine finanzielle Absicherung wird verlangt, „damit die Versorgung der Patienten auf dem erforderlichen Niveau fortgesetzt werden kann und Arbeitsplätze erhalten werden können.“
Die Realität sieht derweilen so aus: Kurzarbeit ist angesagt. Und das Warten, dass die Politik im Sinne der Zahnärzte und deren Mitarbeiter handelt.
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