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So gefährlich ist die Schifffahrt am Tegernsee

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Von: Klaus-Maria Mehr

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Brenzlige Situation: Kapitän Andreas Feichtner hat mit seinem Handy festgehalten, wie eng es an manchen Anlegern am Tegernsee - hier in Gmund - zugeht. © kn

Tegernseer Tal - Die Kapitäne am Tegernsee streiken, weil sie immer schlechter bezahlt werden - obwohl sie sich und andere täglich durch lebensgefährliche Situationen manövrieren.

Andreas Feichtner sieht aus, wie man sich einen echten Kapitän vorstellt. Hageres Gesicht, Kapitänshut und langer grauer Vollbart. Dabei steht der 52-Jährige erst seit vier Jahren wieder hinter dem Steuerrad. „Zurück zu den Wurzeln“, hat er sich damals gedacht und seinen Job als Tegernseer Malermeister nach 33 Jahren an den Nagel gehängt. Früher war Feichtner bei der Marine, hat auf dem Kadettensegelschiff Gorch Fock gelernt. Da ist der kleine Tegernsee doch todlangweilig für so einen Seebären, oder? Weit gefehlt.

Gerade der kleine See birgt im Sommer große Gefahren. „Ich erlebe am See immer wieder lebensgefährliche Situationen“, sagt Feichtner. Da sind die Elektrobootfahrer, die aus dem Auto aussteigen, ins Boot einsteigen, und dann glauben, es gelten keine Verkehrsregeln mehr. Da sind die

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Streiken für einen eigenen Tarif: Die Kapitäne der Seenschifffahrt am Tegernsee. © Andreas Leder

Segler, die Regatten, die bei ihren Wettfahrten selten acht auf die großen Ausflugsschiffe geben. Und da sind die Schwimmer. „Die Älteren sind so unvernünftig.“ In Seeglas können die Schiffführer teils nicht mehr anlegen. Wenn das Boot steht, schwimmen die Leute drauf zu. „Oft denke ich mir, wenn ich jetzt die Maschine einschalte, war’s das.“

Einmal musste Feichtner umdrehen, weil ein Bub, der hinter seinem Schiff vom Steg gesprungen ist, nicht mehr auftauchte. Dem Jungen ist zum Glück nichts passiert. Eine 65-Jährige in Kärnten hatte nicht so viel Glück. 2013 geriet sie am Millstätter See in den Sog einer Schiffsschraube, die ihr einen Fuß abhackte. Die Frau starb noch am Unfallort.

Feichtner und seine Kollegen versuchen ihr Möglichstes, dass so etwas am Tegernsee nicht passiert. Mit ihren großen Booten sind sie die gefährlichsten Verkehrsteilnehmer auf dem See, haben die größte Verantwortung. „Das ist eine Verantwortung, die nicht bezahlt wird“, ärgert sich Kapitän Reinhard Maier (48), Wortführer der Streikenden am See. Trotz Traumwetter und Sommerferien streiken die Kapitäne derzeit auf zwei der beliebtesten bayerischen Seen. 1997 hat die Staatsregierung eine GmbH aus der Bayerischen Seenschifffahrt gemacht – nur um beim Personal zu sparen, sagt Verdi. Maier hat noch einen alten Vertrag. Aber alle, die seitdem angestellt wurden, werden nicht nach Länder-Tarif bezahlt. Jeder muss sein Gehalt selbst verhandeln und kommt deutlich schlechter weg. Auch Feichtner.

„Eine Familie brauchst du mit dem Job nicht ernähren“, sagt Schiffsführer Maier. Er macht sich Sorgen um die Zukunft. Er arbeitet seit 1992 bei der Seenschifffahrt. 70 Mitarbeiter hat er seitdem kommen und gehen sehen. „Gerade die Jungen gehen nach ihrer Ausbildung.“ Die suchen sich ein Arbeitsverhältnis, bei dem man noch eine Familie ernähren kann. Noch legt Maier für die Kompetenz seiner Kollegen die Hand ins Feuer. Aber wenn Finanzminister Markus Söder (CSU) nicht mehr zahlen will – wer weiß, wie verantwortungsbewusst die neue Generation Schiffführer noch ist.

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