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Der Wolf: „Gefahr für die Artenvielfalt“ und Menschenfresser? Schweizer Biologe lässt aufhorchen

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Von: Andreas Jäger

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Muss der Wolf abgeschossen werden, weil er zu gefährlich ist? © IMAGO / Wirestock

Die Zunahme der Wolfspopulation ist ein Thema, das die Gemüter erhitzt: Während Landwirte mit Sorge auf die Entwicklung blicken, lehnen Tier- und Naturschützer die Aufhebung des strengen Schutzstatus strikt ab.

Bernbeuren – Böbing, November 2022: Ein Wolf fällt ein Schaf an, tötet es. Und das nur rund 20 Meter vom Haus entfernt. Spätestens seit diesem Vorfall ist klar: Der Wolf ist im Landkreis Weilheim-Schongau wieder präsent. Zumal es auch schon vorher, im Juni 2020 in Forst sowie im September 2022 im westlichen Landkreis, Wolfssichtungen gab. Aktuell nehmen die Sichtungen weiter drastisch zu.

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Biologe warnt: „Eine friedliche Koexistenz mit dem Wolf ist nicht möglich“

„Der Wolf ist eine Gefahr für die Artenvielfalt und die einzigartige Kulturlandschaft“: So lautet die Botschaft des Schweizer Biologen Marcel Züger, der seit einiger Zeit mit Vorträgen zum Wolf durch Deutschland, Österreich, Südtirol und die Schweiz tourt. Kürzlich war er auf Einladung des Bayerischen Bauernverbandes in Bernbeuren zu Gast. Dass der Wolf ein Thema ist, das die Landwirte in der Region umtreibt, zeigte sich auch an der gesteckt vollen Auerberghalle.

Im Zuge seines Vortrags betonte Züger die Einzigartigkeit der europäischen Almwirtschaft, die allerdings durch die Zunahme der Wolfspopulation in Gefahr gerate. So machte der Biologe klar, dass man nicht eine Tierart über tausende andere stellen könne. Von Auerhühnern oder seltenen Vögeln bis hin zu Schafen oder sogar Kühen: All diese Tiere seien vom Wolf bedroht. „Eine friedliche Koexistenz mit dem Wolf ist nicht möglich“, sagte Züger. Auch von Zäunen lasse sich der Wolf nicht wirklich aufhalten, sogar bei einer Höhe von zwei Metern. Lediglich ein hoher Zaun mit Stromdrähten oben und unten könne den Wolf abhalten, jener sei allerdings sehr teuer.

Haben Wölfe in Indien und der Türkei je ein Dutzend Menschen getötet?

Im Schweizer Kanton Graubünden, Zügers Heimat, gebe es mittlerweile elf bis 16 Wolfsrudel. 2022 standen dort über 500 getötete Nutztiere durch Wolfrisse zu Buche. Der Wolf ist also in Europa keine seltene Art mehr. Sorgen bereitet Züger auch die zunehmende Anpassung der Wölfe an den Menschen.

Die Geschichte des scheuen Wolfs sei mittlerweile ein reines Märchen. So habe es etwa in den Jahren 2002 bis 2020 in der Türkei 107 Verletzte und zwölf Tote durch Wolfsangriffe gegeben, zwölf Tote sowie 179 Verletzte meldet Indien. Um die Annäherung zu verhindern, helfe nur eines: Der Wolf müsse den Menschen wieder als Feind wahrnehmen. Das bedeutet im Klartext: Der strenge Schutzstatus des Wolfs müsste aufgehoben und somit die kontrollierte Entnahme gestattet werden. Denn eines ist klar für Züger: „Dieser strenge Schutz erschwert ein adäquates, pragmatisches Management stark.“

(Die Heimatzeitungen im Landkreis Weilheim-Schongau sind unter „merkur_wm_sog“ auf Instagram vertreten.)

Bestandsobergrenze und wolfsfreie Zone werden gefordert

„Wolfsbestandsobergrenze und wolfsfreie Zonen in der Almwirtschaft“ lautet die Forderung von Wolfgang Scholz, BBV-Obmann des Kreisverbandes Weilheim-Schongau. Im Gespräch mit der Heimatzeitung schließt er sich den Warnungen von Marcel Züger an und betont: „Wolfsschutz demoliert Arten- und Naturschutz.“ Gleichzeitig ist er allerdings skeptisch, dass die Sorgen der Landwirte ernst genommen und Maßnahmen umgesetzt werden. „Die öffentliche Meinung ist relativ klar pro Wolf“, so Scholz: „Kaum ein Politiker will an das Thema Begrenzung des Wolfsbestandes ran.“ Dabei müsse eigentlich zügig gehandelt werden, um Zustände wie bei unseren Nachbarn in der Schweiz zu verhindern. „Im Kreis Garmisch steht man bereits kurz vor einer Wolfsrudelbildung“, habe Scholz von seinem BBV-Kollegen Klaus Solleder erfahren.

Zahlreiche Landwirte informierten sich bei der Veranstaltung über die aktuelle Wolfsituation.
Zahlreiche Landwirte informierten sich bei der Veranstaltung über die aktuelle Wolfsituation. © Andreas Jäger

Bund Naturschutz kritisiert die Ausführungen des Biologen

Kritik an den Ausführungen Marcel Zügers kommt vom Bund Naturschutz. „Zügers Aussagen beruhen auf Erfahrungen aus Graubünden, die er einseitig interpretiert oder darstellt. In der Darstellung wird aber die Aussage getroffen, dass es überall in der Schweiz so ausschaue. Andere Weide- und Wolfexperten aus der Schweiz beurteilen die Lage abweichend von ihm“, so Uwe Friedel vom Referat für Arten- und Biotopschutz.

Laut Friedel sei es wichtig, dem Wolf immer einen Schritt voraus zu sein: „Deswegen ist es für die Weidetiere kontraproduktiv, zu behaupten, Herdenschutz funktioniere nicht. Das hält die Tierhalter davon ab, ihn einzusetzen, und die Wölfe gewöhnen sich daran, Weidetiere zu reißen.“ Auch Zügers Forderung nach der Aufhebung des strengen Schutzstatus stößt bei dem Naturschützer auf Kritik: „Herr Züger ist für mehr Wolfsabschüsse, stellt aber nicht dar, inwieweit mehr Abschüsse oder Regulierung/Bejagung zu weniger Rissen führen sollen. Er liefert hierzu weder ein Erklärungsmodell noch Belege aus anderen Ländern.“

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