Ende ohne Trauer, aber mit Wehmut

Schongau - Die Kleinkunstbühne Schongau löst sich auf. Für heutigen Samstag, 23. November, organisiert der Verein seine letzte Veranstaltung - im Jahr der 30-jährigen Gründung.
Ein Gespräch mit Ursula Fröhlich, seit zehn Jahren Vorsitzende der Schalander-Kleinkunstbühne, ihrer Stellvertreterin Inge Gietl und Christine Fremmer, Gründerin und langjähriger Vorsitzenden.
riger Vorsitzenden.
-Pünktlich zum 30. Jubiläum der Kleinkunstbühne Schongau ist jetzt Schluss. Warum?
Ursula Fröhlich: Grundproblem war, dass ich aus privaten Gründen aufhören, den Vorsitz abgeben wollte, wir aber in den letzten zwei Jahren niemanden gefunden haben, der das übernehmen will - auch nicht in der jetzigen Vorstandschaft. Deshalb haben wir beschlossen, den Verein aufzulösen. Zum Jubiläum ist dies auch ein Punkt, an dem man sagen kann: Jetzt haben wir das 30 Jahre gemacht, jetzt hören wir auf damit.
Christine Fremmer: Es hat alles seine Zeit. Man kann die Zeit von vor 30 Jahren einfach nicht wiederholen. Die ganze Szene hat sich stark verändert. Es gibt ganz viel lautes Comedy und Geschmacklosigkeiten auf der Bühne, es gibt wenig richtig Gutes. Ich glaube, ich hätte auch aufgehört.
Inge Gietl: Und die Künstler mit bekannten Namen kriegst Du nur noch auf große Bühnen mit entsprechenden Gagen. Und wenn man zurückschaut: Es gab damals in und um Schongau im weiten Umkreis nichts anders. Aber mittlerweile gibt es in fast jedem Dorf Kabarettveranstaltungen. Damit ist das Ganze für uns auch schwerer planbar gewesen.
-Weil man sich gegenseitig das Publikum wegnimmt?
Fröhlich: Das klingt jetzt etwas negativ. Es ist schwieriger geworden, weil man Termine ja schon ein Jahr vorher gemacht und geplant hat und einem an dem gleichen Tag dann doch noch irgendwelche anderen Bühnen in die Quere kamen mit Konkurrenzveranstaltungen, weil einfach Absprachen schlecht möglich waren. Das ist für mich immer das Hauptthema gewesen.
-Die Kleinkunstszene hat sich verändert, insgesamt oder nur in Schongau?
Fremmer: Es ist vieles oberflächlicher geworden, aber das ist eine Zeiterscheinung.
Fröhlich: Die Kleinkunst ist durch die ganzen Comedygeschichten im Fernsehen inflationär geworden.
Gietl: Genau, das ist das richtige Wort. Vor 30 Jahren hat es ein bis zwei Veranstaltungen im Monat gegeben. Man konnte sich sicher sein, dass es ein gutes Programm gibt, man hat sich blind darauf verlassen können.
Fremmer: Das hat natürlich damit zu tun gehabt, dass ich mir vorher alles angeschaut habe. Da wussten die Leute, das hat eine gewisse Qualität.
Fröhlich: Das hab’ ich auch gemacht, aber man hat nicht für alles Zeit - gerade für Künstler, die von weiter herkommen. Und auf Demos habe ich mich nie verlassen.
-Erinnern Sie sich zurück: Wie war die erste Veranstaltung der Kleinkunstbühne Schongau?
Fremmer: Das waren Tenement Funster’s am 3. November 1983. Der Saal hat gekocht, das Ballenhaus war knackvoll. Wolfgang und Lui haben gespielt und gespielt, das war etwas völlig Neues in Schongau - Blödsinn, Klamauk und Comedy. Bei der Zugabe „Für meine Frau zum Geburtstag“ trat Wolfgang splitternackt auf die Bühne, mit einem großen Karton vorn und einer großen Schleife am Hinterteil - sonst nix. Die vorderen Reihen haben ihn dazu aufgefordert, seine Schachtel aufzumachen. Das war ein Mordsgeschrei und Gezeter, ein großes Gelächter. Am nächsten Tag hat mich dann der damalige Redaktionsleiter der Schongauer Nachrichten, Georg Hertle, angerufen und gesagt, darüber werde er nichts schreiben, damit wir nicht von Anfang an so einen schlechten Ruf haben. Das war unser Einstieg in Schongau.
-Bis August ‘86 haben Sie im Ballenhaus gespielt, dann kam die Ära Jugendzentrum. Und dort gleich wieder einen Skandal.
Fremmer (lacht): Oh ja, über den Auftritt von „Die Allerletzten“ schrieben die Schongauer Nachrichten: „Zu viel Sex im Jugendzentrum: Pfarrer sprang auf und ging.“ (Anm. der Red.: Pfarrer Fickler hatte aus Protest wegen der harmlosen Transvestiten-Show den Saal verlassen).
-Toller Titel. Und nach dem Köhlerstadel ging es dann ins Brauhaus (Ende 2002). Mit neuem Namen Schalander-Kleinkunstbühne und kurz darauf Ursula Fröhlich als neuer Vorsitzenden (Anfang 2004).
Fremmer: Der Name war eine Idee vom Brauhaus-Wirt. Schalander heißt der Nebenraum einer Brauerei, wo gelacht, geredet und getrunken wird. Wir haben uns so genannt, natürlich auch in dem Vertrauen, dort ewig bleiben zu können.
-Die Zeit im Brauhaus war nicht ganz einfach.
Fremmer: Es war immer ein bisschen schwierig, es gab immer Konflikte.
Fröhlich: Das größte Problem war der Lärm, es war nichts schallisoliert - irgendetwas hat immer gestört. Und die Räume waren zu niedrig. Wir haben die Zuschauerränge erhöhen müssen, damit jeder etwas sieht.
Gietl: Und so, wie es ursprünglich gedacht war mit abgeschlossenen Räumlichkeiten, war es auch nicht möglich.
-Das Ende der Zeit im Brauhaus war 2009.
Fremmer: Angesichts dieser nicht so guten Situation entschied der Aufsichtsrat der Brauhaus AG, der Kleinkunstbühne zu kündigen.
Gietl: Wobei das die richtige Entscheidung war, muss man ganz ehrlich sagen. Wir haben uns nicht so wohlgefühlt, weil die räumlichen Gegebenheiten einfach nicht optimal waren.
Fröhlich: Ich habe damals gesagt: Entweder sind wir wohlgelitten oder kommen gar nicht. Und wir haben es auch nicht forciert, dort zu bleiben.
-Weiter ging es dann mit großen Veranstaltungen im Ballenhaus und der Kleinkunstbühne im Eulenspiegel.
Fremmer: Inge Pfettrisch stand uns die ganzen 30 Jahre zur Seite, sie war immer für uns und unsere Künstler da, auch wenn wir erst um Zwölfe gekommen sind. Und bei der Inge im Eulenspiegel ist eigentlich auch die Idee zur Kleinkunstbühne geboren worden.
Gietl: So schließt sich der Kreis. Wir haben uns immer unglaublich wohl gefühlt in der Eule.
Fröhlich: Dem kann ich mich nur anschließen.
-Mit 30 Gründungsmitgliedern wurde begonnen, bald waren es 70 Unterstützer. Jetzt steht der Verein vor der Auflösung. Macht das nicht auch ein bisschen traurig?
Fröhlich: Natürlich macht das traurig, man hat es ja auch gerne gemacht. Aber es muss auch mal wieder etwas anderes kommen.
Fremmer: Und bei mir gibt und gab auch damals keine Trauer (Anm. der Red: Nach dem Abgeben des Vorsitzes vor zehn Jahren). Ich hatte einfach keine Zeit mehr für mich.
Fröhlich: Es braucht viel Zeit, wenn man es vernünftig machen will.
-Eure schönsten Erinnerungen an die Zeit der Kleinkunstbühne?
Fremmer: Die Gauklerfeste, das erste war 1984, acht in Folge, dann noch eines nach dem Theaterfest von 1995. Beim Pfarrheim auf der Wiese haben wir begonnen, völlig blauäugig, aber es ist gelungen. Die anderen Jahre waren wir bei der Hauptschule auf dem Pausenhof.
Fröhlich: Über die Gauklerfeste hört man auch immer noch von allen Seiten. Alle erinnern sich gerne dran.
-Und welche Veranstaltung war für Sie besonders toll, oder auch voll daneben?
Fröhlich: Hagen Rether. Ein 1,90-Meter-Mann im Brauhaus. Wir hatten die Bühne erhöht, und, um seinen Kopf zu schützen, Schaumstoffpolster an die Eisenträger geklebt. Diese Schaumstoffteile haben sich während der Veranstaltung gelöst und sind lautstark auf die Bühne gekracht. Hagen Rether hat dies spontan mit in sein Programm eingebaut. Ein Teil der Geschichte kam dann aus dem Off - vom stillen Örtchen aus.
Gietl: Ich erinnere mich gerne zurück an die Biermösl Blosn und die Wellküren - die haben bei uns die Anfänge ihrer Programme probiert.
-Schongau quasi als Testbühne?
Gietl: Ja, sie sind immer wieder auf uns zugekommen und wollten auftreten, um etwas auszuprobieren, auch ganz kurzfristig haben wir mal eine Veranstaltung eingeschoben. Das war Kleinkunst im orginären Sinne: Eine Bühne bieten für Leute, die - damals - noch nicht so bekannt waren.
Fremmer: Da gibt es noch viel Erwähnswertes: Hanns Meilhamer, Claudia Schlenger, Willy Astor, die Schauspielgruppe Bühnenstich mit Marinus Wirtl, Richard und Hansl Gruber, Andrea Kreipe und Carola Zinner - eine schöne Künstlerszene aus der Region. Oder das Theater Ratzfatz mit Christian Breidenbach und Rupert Kirchbichler.
-Und jetzt gibt es mit dem Martina Eisenreich-Quartett die letzte Veranstaltung.
Fröhlich: Wir haben etwas gesucht, was wir alle schön finden. Sie war schon mal bei uns, es war so ein tolles Konzert. Mit Tango und Wehmut - das passt vielleicht gut zum Abschied. Es soll um Gottes Willen kein Trauermarsch sein. Und Tangomusik ist auch Sehnsucht.
-Also es ist Wehmut da, aber keine Trauer?
Fröhlich: Das trifft es.
Interview: Elke Robert