Hackbrett-Szene schwummert durch den Raum

Wies - Ihr Orchestername klingt ulkig „Gelbe Saiten“, mit „a“ statt „e“. Ungewöhnlich auch die Orchesterbesetzung mit 15 Hackbrettern, zwei Gitarren und einem Kontrabass.
Sie tragen gelbe Blumen, Krawatten, Schals und Westen zur traditionell schwarzen Konzertkleidung. Ihr Orchestername klingt irgendwie ulkig „Gelbe Saiten“, wohlgemerkt mit „a“ statt „e“. Ungewöhnlich ist auch die Orchesterbesetzung, denn 15 Hackbretter, zwei Gitarren und ein Kontrabass sind eher eine Rarität auf dem Podium. Im kommenden Jahr feiern die „Gelben Saiten“ das zehnjährige Bestehen, und traditionell gibt es jedes Jahr ein Konzert zum Tag der Deutschen Einheit.
Die Einladung zum Konzert in der Landvolkshochschule Wies verdanken die begeisterten Laienmusiker ihrem Gründer und Dirigenten Jörg Lanzinger. Denn der gehört zu den Dozenten des „Schwäbischen Hackbrett-Seminar” in der LVHS und hat, zur Freude der Kursteilnehmer wie auch des erschienenen Publikums, sein Orchester kurzerhand mitgebracht. Aus Ulm, Augsburg und dem Allgäu sind die gut gelaunten Instrumentalisten angereist.
Als der Zuschauerraum abgedunkelt ist, schwummert sich der ungewöhnliche Klangkörper erst einmal ein bisschen ein, bevor man sich als Zuhörer überrascht im Land der Popmusik befindet. „Baba Yetu“, einst prämierter Titelsong für das Computerspiel „Civilization IV“, dem der Text des Vater unser auf Swahili zugrunde liegt, hat Lanzinger arrangiert. In Personalunion als Dirigent, Musiker, Pädagoge, Komponist und Arrangeur, entpuppt er sich an diesem Abend dazu auch als Perkussionist und ungemein erfrischender und eloquenter Moderator, der auch - stets mit einem Augenzwinkern versehen - einiges an Fachinformation über das etwas sperrige, aber beliebte Brettl im Gepäck hat.
Schon lange sind traditionelle Volksmusiker aufgebrochen in andere Genres, und Cross Over-Programme sind auch hier keine Novität mehr. Dennoch muss man schmunzeln, wenn das volle Tutti bei „Only Time“ von Enya good vibrations in den Saal zaubert. Dominiert im Orchester zwar der Frauenanteil, ist man Jahrgangs-technisch hingegen gut durchmischt. Im Zusammenspiel zeigt man seine Stärken, ist gut aufeinander eingespielt. Es hat deutlichen Vorrang vor sich produzierendem Virtuosentum. Teamgeist und Spaß sind dem Ensemble anzumerken. Dynamische Differenzierungen gelingen präzise. In den Moderationspausen wird immer wieder dezent nachgestimmt, denn die gleichbleibende Intonation bei steigenden Temperaturen im Saal ist tatsächlich nicht so einfach herzustellen.
Bei Abba’s „Mamma Mia“ ist man dann so richtig auf Betriebstemperatur, die Bewegungen werden lockerer, man wippt und swingt am Brett, klöppelt allerdings stets hoch konzentriert mit fetzigem Sound. Jörg Lanziger, der wahlweise auch schon mal mit Claves dirigiert, lässig auf der Cajón sitzt und damit das Drumset ersetzt, grinst breit. Er würde gerne etwas „rauskommen aus der Hackbrett-Szene“ und den musikalischen Horizont z.B. in gemeinsamen Konzerten mit Chor und Hackbrettorchester erweitern. Dafür hat man bereits eifrig geprobt, denn im November gibt es das nächste Konzert.
Ob Klezmer, Heavy Metall oder Volksmusik, Lanzingers Arrangements für das Orchester, das klangliche Lücken kurzerhand mit Tenorhackbrettern füllt, sind gut ausbalanciert und geschickt gesetzt. Mit perkussiven Elementen, Pizzicati, gedämpften Saiten entwickelt das Orchester variantenreiche Farben. Im „Tango Marita“ entpuppen sich die „Gelben Saiten“ dazu auch noch als beherzte Sänger. Am Ende klatscht, wippt und grinst der ganze Saal.
Dorothe Fleege