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Der Welf 2022 ist da

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Von: Manfred Ellenberger

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Welf 2022 Stadtmuseum Schongau
Die Vortragenden: Hartwin Neumann, Heide Krauthauf (für Dr. Manfred Müller), Harald Scharrer, Franz Grundner, Franz Bleichner und Ernst Merk (v. links). © Ellenberger

Schongau – Gerade noch vor den Feiertagen ist der Welf 2022, das aktuelle Jahrbuch des Historischen Vereins Schongau – Stadt und Land erschienen. Die 1. Vorsitzende Heide-Maria Krauthauf freute sich, am vierten Adventssonntag viele Neugierige im Stadtmuseum zu begrüßen. Schließlich sei es „das erste Mal seit 2019, dass wir wieder eine Vorstellung des Jahrbuchs machen können“. Die 38 Stühle waren annähernd alle besetzt. 

Die Kosten für den wie schon letztes Jahr in einer Auflage von 550 Exemplaren gedruckten Welf betragen insgesamt etwa das fünffache des Zuschusses des Rathauses, so Krauthauf. Erstmals erschien der Welf im Jahr 1993. Heuer kommt der 22. auf 110 Seiten. Auf diesen finden sich vier Aufsätze von sechs Autoren.

Der dichtende Tischler

Harald Scharrer erschien es lohnenswert, sich auf 45 Seiten mit der Biographie des von 1765 bis 1811 lebenden Tischlers und Dichters Johann Joseph Pracht zu befassen, dessen Vater damals zum Inneren Rat der Stadt gehörte. Natürlich durften einige der damals auch für eher ungebildete Leute leicht lesbaren Gedichte nicht fehlen. Pracht wurde in der damaligen Literatur besprochen und war sogar in London bekannt.

In jüngeren Jahren war es ihm nach dem Besuch der örtlichen Deutschen Schule und der Lateinschule dank eines Stipendiums ermöglicht worden, das Gymnasium des kurfürstlichen Schulhauses zu besuchen. Die höhere Schulbildung hätte es ihm erlaubt, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Aber während er am Gymnasium noch mit guten Leistungen aufwarten konnte, war dies bei dem zweijährigen Philosophiestudium nicht mehr der Fall. Das stellte aber die Voraussetzung für das folgende dreijährige Theologiestudium dar. Daher ging es zunächst einmal zurück nach Schongau, wo er Geselle und später auch Meister in der väterlichen Tischlerei wurde. In Schongau heiratete Pracht auch und wurde mehrfacher Vater. In ihm kam damals auch die Lust zu dichten auf. Und wer Interesse an einigen Gedichten und am sehr ereignisreichen Leben des 1811 plötzlich verstorbenen Johann Joseph Pracht hat, sei auf den Welf 2022 verwiesen.

Brief aus Tasmanien

Franz Grundners Aufsatz befasst sich mit einem im Jahr 2008 bei der Polizeiinspektion Schongau eingegangenen Brief aus Tasmanien (Australien). In dem in Kopie im Stadtarchiv vorliegenden Schreiben schildert Absender Ilmar Kala einen versuchten und einen vollendeten Raubmord, beide aus dem November 1946. Der Brief gewähre Grundner zufolge zeitgeschichtlich bedeutsame Einblicke in die unmittelbare regionale Nachkriegszeit. Bei deren Betrachtung werden zumeist der Wiederaufbau und das sogenannte „Wirtschaftswunder“, viel weniger aber Gewalt und Straftaten als Begleiterscheinungen der Befreiung beschrieben. Grundner schildert, wie sich im kleinen Landkreis Schongau mit etwas mehr als 20.000 Einwohnern mit 3.000 Evakuierten, 9.000 Vertriebenen und 6.000 Ausländern im Jahr 1946 eine besondere Gemengelage ergab. Bei letzteren handelte es sich zumeist um Entwurzelte, Verschleppte, Kriegsgefangene und ehemalige Zwangsarbeiter, die von den Amerikanern in der ehemaligen Flak-Kaserne in Altenstadt einquartiert worden waren. Ganz offensichtlich hatte sich die entgrenzte Gewalt des zu Ende gegangenen Krieges auch auf die Zeit danach übertragen, zu exzessiver Schwerstkriminalität geführt und dabei im November 1946 mit Raubüberfällen und sechs Morden ihren blutigen Höhepunkt gefunden.

Peitinger Mühlen

Friedvoller und auch beschaulicher geht es im Aufsatz „Zur Geschichte der Peitinger Mühlen“ weiter. Mit Franz Bleichner, Ernst Merk und Hartwin Neumann hatten sich damit drei Autoren der Arbeitsgemeinschaft Peitinger Heimatfreunde als Arbeitsgruppe befasst.

Bleicher wollte schon lange die Peitinger Mühlengeschichte publik machen, Merk ist in besonderer Weise Experte in Sachen Häusergeschichte und bietet sein Wissen auch in Sachen Familienforschung an. Der seit etwas mehr als vier Jahren in Peiting lebende Hartwin Neumann befasst sich seit 2019 mit der Mühlengeschichte. Zu den Zielen der Mühlenforschung gehört die Schaffung von Grundlagen für die nächste Heimatforschergeneration genauso, wie das Angebot an die Gemeinde, sich die Recherchen nutzbar zu machen.

Die Peitnach

Der Abschluss blieb Krauthauf vorbehalten. Diesmal in Vertretung des sechsten Autors Dr. Manfred Müller. Der Diplom-Geologe beschreibt im neuen Welf die Lage, das Alter und den Werdegang des kleinen Lech-Nebenflusses, der Peitnach. Während die Werbung für Peiting sich auf Lech und Ammer fokussiert habe, sei die Peitnach das eigentliche Gewässer, das auch Kraftquelle für die Peitinger Mühlen war. Das 17,3 Kilometer lange Flüsschen entsteht aus 15 Ursprungs- und Nebenbächen. Alle kommen aus Moorgebieten und nassen Flächen.

Zuerst weise die Peitnach nur geringes Gefälle auf, aber ab Peiting ändere sich das, ist in Müllers Aufsatz zu lesen. Dass ab da der Verlauf bis zur Herzog­sägmühle bei immer größerem Gefälle von einem schluchtartigen Tal bestimmt wird, liegt am Lech, der sich aus verschiedenen Gründen stark eingetieft hatte, dem die Peitnach aber folgen musste. Auf alle Fälle lohne es sich, die Peitnach abzuwandern, sagte Krauthauf zum Ende ihres vertretungsweisen Vortrags, man sollte dabei die Mühlen nicht vergessen.

Das Jahrbuch ist in Schongau in der Büchergalerie und bei Schreibwaren Seitz, in Peiting bei Buch am Bach sowie direkt im Stadtmuseum während der Öffnungszeiten zum Preis von 14 Euro erhältlich.

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