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Zu viel Zirkus: Menschenleere Manegen

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Zirkus und Zuckerwatte: Brigitte Huber mit ihren Enkeln Josef (l.) und Jakob im Zirkus Luna. Das Zelt ist nur dünn besetzt. Foto: fritzmeier
Zirkus und Zuckerwatte: Brigitte Huber mit ihren Enkeln Josef (l.) und Jakob im Zirkus Luna. Das Zelt ist nur dünn besetzt. Foto: fritzmeier

Schongau - Was für ein Zirkus: Binnen vier Wochen haben im Schongauer Land vier Artistenfamilien inklusive ihrer tierischen Begleiter Station gemacht. Interessiert hat’s nur wenige. Warum die Zuschauer ausblieben, ist ein Rätsel. Ein Erklärungsansatz: die schwarzen Schafe.

Aus rund 200 Meter Entfernung hört man es, aus 100 Metern riecht man es und spätestens 50 Meter vor dem kargen, weißen Kassenhäuschen am Schongauer Festplatz, gibt es beim Anblick des bunt-gestreiften Zeltes keine Zweifel mehr: Der Zirkus ist in der Stadt. Schon wieder, dürfte sich der ein oder andere Schongauer in den vergangenen Tagen gedacht haben. Denn der Zirkus Luna, der bis gestern am Festplatz sein Zelt aufgeschlagen hatte, war bereits der vierte Zirkus, der in der näheren Umgebung seine Kunststückchen aufführte. Die Gagen der Gaukler fielen allerdings dünn aus, das Zuschauerinteresse war gering. „Es war mager“, bestätigt Heinrich Frank.

Der Luna-Junior-Direktor ist bedient. Immer wieder schüttelt er den Kopf. Die Augen hat er hinter einer dicken, schwarzen Sonnenbrille versteckt. Es wirkt, als wolle er gar nicht genau hinsehen, wie seine Artisten und 40 Tiere vor beinahe leeren Rängen auftreten. „Aber die Show muss weitergehen“, sagt er. „Egal ob 50 oder 700 Zuschauer kommen.“

Gestern, 15 Minuten vor Auftrittsbeginn, waren es rund 20 Menschen, die auf den Plastikstühlen rund um die Manege Platz genommen hatten. 100 weitere hätten Platz gehabt. Würden die Tribünen stehen, sogar knapp 700 Menschen mehr. Die Metallkonstruktion ist aber schon längst abgebaut, auf den Transportern verstaut. „Brauchen wir eh nicht“, kommentiert Frank grimmig. Das Geschäft läuft schleppend. Warum, Frank weiß es nicht. „Andernorts sind wir immer gut ausgelastet“, behauptet er.

Den anderen Zirkus-Familien, die nach Schongau kamen, erging es nicht besser. Der Zirkus Belloni sagte vor drei Wochen sogar kurzfristig mehrere Vorstellungen ab. Begründung: Im Zelt sei es zu heiß. „Das habe ich gehört“, verrät der Juniordirektor. „Ob das der einzige Grund war, weiß ich aber nicht.“ Auch gestern zeigte das Thermometer wieder über 27 Grad, im Zelt war es aber angenehm kühl, die Hitze kein Problem. Leute kamen trotzdem nicht. „Warum, weiß ich nicht.“

Beim Blick auf den Veranstaltungskalender drängt sich aber die Frage auf, ob vier verschiedene Gaukler-Truppen binnen vier Wochen nicht ein bisserl Zirkus zu viel sind? „Kann sein. Das ist nicht optimal“, gesteht Frank. Der junge Mann hält kurz inne, überlegt, dann plätschern die Worte nur so aus ihm heraus. Er spricht über unseriöse Unternehmen, Leute die einen Saustall hinterlassen, schlechte Schlagzeilen und „schwarzen Schafen der Branche“, die das Geschäft kaputt machen. „Hier hat es in der in der Vergangenheit doch auch schon mal Ärger mit einem Zirkus gegeben, oder?“, fragt er. Richtig. Im Oktober 2011 steckte der Zirkus Lambertti in Altenstadt fest, hatte kein Geld zur Weiterfahrt. Streitereien über den Gastspielort beziehungsweise den Aufenthalt in Altenstadt, das Ponyreiten oder ein geeignetes Winterquartier - die Probleme fanden kein Ende. Ruhe war erst, als die Zirkusfamilie nach Herzogsägmühle umzog und dort ein Projekt mit Kindern angekurbelte. „Derlei Geschichten schaden dem Ruf aller Zirkus-Betreiber“, stellt Frank klar. „Auch den Seriösen.“ Dazu zählt sich der Zirkus Luna. Dass es in der Vergangenheit immer wieder Probleme mit der Tierschutz-Organisation PETA gab, verschweigt er. Aber das ist ohnehin eine andere Geschichte.

Zehn Minuten vor Show-Beginn hat derweil Brigitte Huber in der vordersten Reihe Platz genommen. Ihre Enkel Josef (9) und Jakob (12) sitzen links von ihr, knabbern an einer großen Portion Zuckerwatte, lächeln. „Der Kleine hat sein silbernes Schwimmabzeichen geschafft, deshalb sind wir hier“, erklärt sie. Dass in den vergangenen Wochen noch mehrere andere Zirkusse in der Stadt waren, davon hat sie nichts mitbekommen. „Aber das Freizeitangebot für Kinder ist ohnehin kaum noch zu überschauen“, meint sie. „Es ist ein bisserl zuviel.“ Ein paar (Stuhl)-Reihen weiter kuschelt Sandra Sabanovic mit ihrer kleinen Tochter. Warum sie hier ist? Sabanovic zwinkert mit dem rechten Auge und deutet mit dem Kopf auf ihren Nachwuchs. „Wegen der Kleinen“, sagt sie. Allerdings spiele auch die soziale Komponente eine Rolle: „Die Zirkus-Leute müssen ja auch von irgendetwas leben“, flüstert sie und schmunzelt.

Quasi ein Herz für Dompteure und Tiere, trotz einiger schwarzer Schafe.

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