Erfolgsgeschichte „made in Herzogsägmühle“

Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderung oder aus dem zweiten Arbeitsmarkt arbeiten örtlichen Automobilzulieferern zu – und zwar im großen Stil. Eine Firma in Herzogsägmühle schreibt damit eine Erfolgsgeschichte.
Peiting/Herzogsägmühle – Betriebsleiter Frank Hess blickt von seinem Bürofenster auf die Fertigung der Betriebshalle im Peitinger Industriegebiet. Der Teil eines Mammut-Projekts für die Firma Hirschvogel ist abgearbeitet. Viel Last hatte auf seinen Schultern gelegen und auf denen seines besonderen Teams. „Ein bisschen stolz bin ich schon“, sagt Hess mit Blick auf seine Leute. Der Druck war groß: Immerhin war die Werkshalle mit Blick auf diesen einen Großauftrag eigens im Jahr 2017 gebaut worden. Der Auftrag: Der Bereich „Industrieleistungen“ bekommt Verpackungsrohlinge geliefert. Diese werden gefaltet und zusammengesteckt. Denn die Firma Hirschvogel liefert Motorenteile. Die werden unter höchstem Qualitätsstandard verpackt und so weiter nach China transportiert. „Manche Paletten sind bis drei Monate auf dem Schiff“, erklärt Frank Hess, warum bei der Verpackung so großes Augenmerk auf die Qualität gelegt werden muss.
Als die Halle vor fünf Jahren gebaut wurde, war die Rede von einer Million Motorenteile verschiedener Baugruppen, die hier für den Hirschvogel-Auftrag pro Jahr verpackt und versandt werden sollten. Angefangen hatte man in der Halle an der Schönriedlstraße mit sechs Mitarbeitern. „Zwischenzeitlich waren es dann aber 1,6 Millionen Teile pro Jahr“, so Hess. Auch die Mitarbeiterzahl hat sich deshalb inzwischen verdoppelt – zwölf Mitarbeiter finden dort eine sichere Anstellung.
Auftrag um fünf weitere Jahre verlängert
Das Ziel der „Industriedienstleistungen“, die der Herzogsägmühle-Firma „i+s Pfaffenwinkel“ untergeordnet sind: „Bei uns bekommen die Menschen die Möglichkeit auf einen Einstieg in die industrielle Arbeitswelt.“ Tatsächlich sind es Langzeit-Arbeitslose, Menschen mit Behinderung, Bewohner von Herzogsägmühle, aber auch Asylbewerber, die dort eine erste echte Chance bekommen.
Sie haben gezeigt, dass sie ihre große Chance verdient haben: Fünf Jahre für Hirschvogel sind vorbei. Weitere fünf Jahre hat der Automobilzulieferer aufgrund der guten Zusammenarbeit bereits zugesichert. In den vergangenen fünf Vertrags-Jahren hat die Integrations-Firma (vorn von links)für den Versand fertig gemacht.
„4500 Tonnen Material waren zu verpacken“, hat Frank Hess ausgerechnet. Ohne Leergut hat der Auftrag 560 ganze Lkw-Ladungen gefüllt – mit Leergut, also Mehrzweck-Behälter, sogar 860. Von der Hirschvogel-Fertigung in Schongau bis zur Verpackung nach Peiting haben die Lkw 15 500 Kilometer zurückgelegt. Eine Strecke, die gerechnet per Luftlinie die Strecke zwischen Peiting bis ins Zentrum Australiens ausmacht – dann sind sogar noch 1000 Kilometer übrig.
Wie hat Frank Hess das mit seiner überschaubaren Truppe geschafft? „Die vergangenen Jahre haben wir oft nur mit vielen Überstunden gemeistert.“ Auch Leiharbeiter mussten bisweilen ran, um die Schlagzahl halten zu können. Manchmal, „da war alles so scharf getackert, dass wir es gerade noch so hinbekommen haben, wenn der Lkw schon vor der Tür gewartet hat.“
Augenmerk auf den einzelnen Mitarbeiter
Der Einsatz hat sich gelohnt, der Hallenbau hat sich ausgezahlt: Pro Jahr macht die Sparte „Industriedienstleistungen“ der Herzogsägmühlen-Tochtergesellschaft „i+s Pfaffenwinkel“ im Schnitt 550 000 Euro Umsatz. „Es war schon sehr mühsam, das alles hier aufzubauen“, sagt Hess, der zuvor als Gruppenleiter in einer Werkstatt für Behinderte in Herzogsägmühle gearbeitet hat.
Vielleicht macht ihn gerade das zum idealen Chef für diesen außergewöhnlichen Betrieb, in dem viel Augenmerk auf den Mitarbeiter als Individuum gelegt wird. „Mir ist wichtig, dass wir die Menschen hier nicht aus den Augen verlieren, der als Mitarbeiter mit einem kleinen oder großen Handicap zu uns kommt.“
Neben der zuverlässigen Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber geht es auch darum, eben diesen Menschen wieder eine Struktur für ihr Leben zu geben – „aber auch, um gutes Geld zu verdienen“. Schließlich stehen alle, die dort arbeiten, auf eigenen Füßen, leben in einer eigenen Wohnung, viele haben Familie oder Partner. Trotzdem ist Frank Hess nicht nur Betriebsleiter, sondern auch Seelentröster, wenn es Probleme gibt.
Mit Aufträgen an die Sparte „Industriedienstleistungen“ leisten also auch die hiesigen Firmen einen Beitrag zur Integration. Weil ein Teil des Großauftrags der Firma Hirschvogel jetzt abgearbeitet ist, werden wieder Kapazitäten frei, so Hess. Er spricht nicht nur von Verpackungsarbeiten. „Wir sind auch offen für Montage-Arbeiten. Wir haben auf jeden Fall das Know-How für Industrie-Montagen“, blickt Hess für sich und seine besonderen Mitarbeiter in eine hoffnungsvolle Zukunft, dass die Erfolgs-Geschichte noch lange nicht zu Ende ist.