Nachbarschaftshilfen in Schongau und Peiting: In der Corona-Krise rücken die Bürger zusammen

Die Flut an schlechten Nachrichten, sie will in diesen Tagen einfach nicht abreißen. Abschotten ist jetzt Bürgerpflicht, um dem Corona-Virus irgendwie Einhalt zu gebieten. Doch, und das ist die gute Nachricht: In der Krise sind die Menschen füreinander da. Das zeigt sich gerade wunderbar in Schongau und Peiting, wo neu gegründete Nachbarschaftshilfen einen rasanten Zulauf verzeichnen.
Schongau/Peiting – Seit dieser Woche ist der Ausnahmezustand, der andere Teile der Welt bereits ergriffen hat, auch hierzulande angekommen. Schulen und Kindergärten sind wegen der Coronavirus-Krise geschlossen, am Mittwoch folgten Geschäfte und Bars. Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter reihenweise ins Homeoffice. Das öffentliche Leben, wie man es bis dato gewohnt war, ist völlig zum Erliegen gekommen. Die einschneidenden Maßnahmen haben bekanntlich ein Ziel: die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen und die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Noch sind die offiziellen Fallzahlen im Schongauer Land relativ gering, die Wahrscheinlichkeit aber, dass sich das ändert, ist hoch.
Doch wer kümmert sich um die eigene Versorgung, wenn man erkrankt und in Quarantäne muss? Wer kauft ein und wer geht mit dem Hund Gassi? „Viele haben Angst vor dieser Situation“, sagt Sandra Rum. In der Facebook-Gruppe „Du kommst aus Schongau“ bot die Schongauerin deshalb am Sonntag spontan ihre Hilfe an. „Da kam der Vorschlag, eine eigene Gruppe für eine Nachbarschaftshilfe zu eröffnen“, erzählt die 26-jährige Programmiererin. Sie selbst habe sich schon länger mit der Idee getragen, ein solches Bündnis ins Leben zu rufen, sei aber aus privaten Gründen nicht dazu gekommen. Doch wenn nicht jetzt in diesen Krisenzeiten, wann dann?
Jeden Tag werden es mehr Gruppen-Mitglieder, die ihre Hilfe anbieten
Schon am ersten Tag füllte sich die Gruppe mit Mitgliedern, die wie Rum ihre Hilfe anboten. Das reicht von Fahrten zum Arzt über Rezepte in der Apotheke abholen und Einkäufe erledigen bis zum Gassi gehen. Auch die Kinderbetreuung ist in Corona-Zeiten ein großes Thema. „Wenn die Großeltern außen vor sind, ist das für viele Familien schwierig“, sagt Rum. Entsprechend sind auch solche Offerten willkommen. Bis Mittwoch hatten sich bereits über 60 Mitglieder in der Gruppe zusammengefunden – sehr zur Freude Rums. Es zeige: „Die Hilfsbereitschaft ist in der Krise deutlich gestiegen.“

Nicht nur in Schongau, sondern auch in Peiting wird Solidarität in diesen schweren Tagen groß geschrieben. 110 Mitglieder haben sich bereits der Facebook-Gruppe „Nachbarschaftshilfe in Peiting“ angeschlossen, die Petra Bucher am vergangenen Freitag ins Leben gerufen hat. Die Idee dazu sei spontan aus der Not heraus entstanden, die aufgrund dieser Krise auf viele ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen zukomme, sagt Bucher. Denn genau diese Menschen sollten zu Hause bleiben, seien dafür aber auf Unterstützung angewiesen. Die 43-jährige Mutter arbeitet im Marienheim. In der sozialtherapeutischen Einrichtung betreue und begleite sie Menschen, deren Schicksal es mit ihnen auch nicht so gut gemeint habe. „Von daher ist es eine Selbstverständlichkeit für mich, dass wir in so einer schweren Zeit noch mehr zusammenstehen sollten.“
Wie in der Nachbarstadt haben auch die Mitglieder der Peitinger Gruppe bereits viele Hilfsangebote veröffentlicht. Noch ist die Nachfrage in beiden Nachbarschaftshilfen überschaubar. „Wer mobil ist, will seine Besorgungen noch gern selbst erledigen“, hat Rum aus Gesprächen mit älteren Nachbarn erfahren. Doch der Zeitpunkt, wo sich das ändere, werde kommen, ist sie sich sicher. Eine Barriere dürfte derzeit auch noch sein, dass vor allem ältere Bürger im sozialen Netzwerk nicht vertreten sind und nichts von den Hilfsgruppen wissen. Mitglieder würden deshalb in Schongauer Supermärkten Zettel mit Kontaktdaten aushängen, sagt Rum. Wer jemanden kenne, der Hilfe benötige, könne sich gern in den Gruppen melden, sagen die Organisatorinnen. Und auch eine telefonische Kontaktmöglichkeit besteht mittlerweile für beide Gruppen (siehe Kasten). In allen Fällen würden die Daten vertraulich behandelt, betont Bucher.
Während die 43-Jährige die Peitinger Gruppe im Moment vor allem als begrenzte Hilfsmaßnahme in Zeiten der Corona-Krise sieht, kann sich Sandra Rum ein langfristiges Engagement vorstellen. „Ich würde die Gruppe gern beibehalten“, sagt sie. Ausfallen und auf Hilfe angewiesen sein, das könne schließlich jeder einmal.
Kontakt zu den Nachbarschaftshilfen
Wer die Nachbarschaftshilfen in Schongau und Peiting unterstützen will oder selbst Hilfe benötigt, kann sich in den jeweiligen Online-Gruppen für Peiting und Schongau melden.
Jene, die Hilfe benötigen, aber keinen Zugang zum sozialen Netzwerk haben, können sich in Schongau an Sandra Rum wenden (sandra.rum@inqbus.de oder 0152/31097514). In Peiting ist die Kontaktaufnahme unter 08861/1635 oder 0174/ 4401763 möglich.
Krisenhilfe statt Selbstverteidigung
Unterstützen in dieser Krisenzeit will auch der Peitinger Ehsan Montaseri, der in seinem Studio in der Marktgemeinde normalerweise Selbstverteidigungskurse gibt. „Da unsere Mitglieder momentan am Dienstag und Donnerstag mehr Zeit haben, als ihnen lieb ist, möchten wir helfen“, schreibt Montaseri auf seiner Facebook-Seite.
Der Startschuss fällt schon heute. Ab 16 Uhr wird der Trainingsraum in der Ammergauer Straße 5 zur Zentrale, in der sich Peitinger, die Unterstützung bräuchten, unter der Telefonnummer 0151/51464015 melden können. Ab 17 Uhr würden sich die Helfer auf den Weg machen, um etwa die Einkäufe zu besorgen. „Wir kaufen es ein und stellen es vor die Haustüre.“ Die Quittung werde selbstverständlich beigelegt. Bezahlt werden könne entweder in bar oder auch per Paypal.
Lesen Sie auch:
Während die Bürgermeisterwahl in Peiting in die Verlängerung geht, ist die Entscheidung über die künftige Zusammensetzung des Marktgemeinderats gefallen. Erstmals haben sechs Parteien und Gruppierungen den Einzug ins Gremium geschafft.