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„Die Belastung ist immens“: Nach Tod von Elfjährigem bekommen auch die Einsatzkräfte Hilfe

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Von: Katrin Kleinschmidt

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Belastend und anstrengend war der Einsatz in der Ammerschlucht für die Rettungskräfte – auch, weil es um das Leben eines Kindes ging.
Belastend und anstrengend war der Einsatz in der Ammerschlucht für die Rettungskräfte – auch, weil es um das Leben eines Kindes ging. © Dominik Bartl

Ein Bub (11) ist beim Kajakfahren auf der Ammer gekentert und gestorben. Die Einsatzkräfte gingen beim Rettungsversuch an ihre Grenzen. Und müssen das Erlebte nun verarbeiten.

Rottenbuch – Es war eine dramatische Situation: Rund 120 Einsatzkräfte eilten am Samstag zur Ammer bei Rottenbuch, um einen Elfjährigen zu retten. Doch der junge Kajakfahrer aus dem Landkreis Rosenheim konnte nur noch tot geborgen werden.

Dramatisches Unglück auf der Ammer: Suchaktion unter schwierigsten Bedingungen

Der Bub war mit fünf Erwachsenen sowie weiteren acht Kindern und Jugendlichen zu der Tour auf der Ammer aufgebrochen. Kurz vor der Echelsbacher Brücke kenterte er, seine Gruppe konnte ihn nicht mehr finden – und wählte den Notruf. Kurz nach 16 Uhr – anfangs wurde irrtümlicherweise 15 Uhr gemeldet – ist es zu diesem Zeitpunkt.

Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Ehrenamtliche des BRK, darunter Wasserwacht und Bergwacht, machen sich sofort auf den Weg. Sie kommen aus den Landkreisen Weilheim-Schongau, Garmisch-Partenkirchen und Ostallgäu – und finden schwierigste Bedingungen vor. Die Unglücksstelle liegt in einer Schlucht, die Hänge sind steil. Die Strömung ist stark, es werden Holz und Steine mitgeschwemmt.

„Extrem fordernder Einsatz“ – Gefährlicher Einsatz in der Ammer

Durch das Wasser, über den Landweg und aus der Luft arbeiten sich die Einsatzkräfte vor. Binnen kürzester Zeit können sie das Kind orten – allerdings an einer kaum zugänglichen Stelle. „Das war ein extrem fordernder Einsatz“, schildert Sohrab Taheri-Sohi, Pressesprecher des BRK. „Sowohl physisch als auch psychisch.“ Denn die Retter, die gesichert in die Ammer steigen, „müssen den Wassermassen standhalten, der Druck in der Schlucht ist hoch, die Gefahr groß“.

Insgesamt brauchen die Einsatzkräfte fünf Rettungsversuche mit verschiedenen Techniken, bis sie den Buben gegen 18.30 Uhr erreichen und bergen können. Die Notärzte stehen die gesamte Zeit bereit, können aber nur noch den Tod des Buben feststellen. Dem Vernehmen nach hatten die Einsatzkräfte vermutlich gar keine Chance, das Kind lebend zu retten.

„Sind selbst Väter, Mütter, Geschwister“ – Begleiter des Elfjährigen aus Steilhang evakuiert

Eine Extrem-Situation. Nicht nur für die Retter, sondern auch für die Gruppe des Elfjährigen. Die Erwachsenen, Jugendlichen und Kinder, alle aus dem Raum Rosenheim, werden noch während des laufenden Bergungseinsatzes von Rettungskräften von dem Steilhang evakuiert. „Das war eine Herausforderung“, sagt Taheri-Sohi. Es sei nicht nur darum gegangen, sie aus dem steilen Gelände zu führen. „Es war für sie auch ein seelischer Notfall, sie mussten aufgefangen werden“, schildert Taheri-Sohi. Kriseninterventions-Teams begleiten daher die Evakuierung und betreuen die Rosenheimer anschließend.

Die Rettungskräfte selbst „agieren in einem solchen Einsatz sehr fokussiert und blenden in ihrer Professionalität zunächst die Emotionen gekonnt aus“, schildert Taheri-Sohi. Doch auch sie müssen das Erlebte nun verarbeiten. „Immer, wenn Kinder betroffen sind, ist man besonders angespannt“, schildert der Pressesprecher. „Viele von uns sind ja auch selbst Väter, Mütter oder haben Geschwister.“

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Eine Schublade für die Erinnerungen – „Dürfen damit nicht alleine bleiben“

Wenn der Einsatz dann so dramatisch endet, müssten die Ehrenamtlichen engmaschig unterstützt werden. Die Nachsorge kann Tage, aber auch Wochen bis Monate dauern. Vergessen werden die Helfer das Gesehene nicht, sagt der Pressesprecher. Vielmehr würden sie lernen, damit zu leben. „Die Einsatzkräfte werden dazu befähigt, das Erlebte in eine Schublade zu stecken, die sie selbst schließen können“, umschreibt es Taheri-Sohi.

Auch, wenn diese sich ab und zu womöglich wieder öffnen könnte. „Zum Beispiel, wenn die Einsatzkräfte wieder in einem solchen Einsatz sind.“ Gerade für die einheimischen Retter sei das ein Thema, sie dürften damit nicht allein bleiben. Zwar seien die Berg- und Wasserwachtler allesamt „Vollprofis“ in ihrem Ehrenamt, „aber ein solcher Einsatz ist keine Routine“, sagt Sohrab Taheri-Sohi. „Der steht in keinem Lehrbuch. Die Belastung ist immens.“

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