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Retter verschmähen die neuen Piepser

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Von: Jörg von Rohland

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Bewährte Technik: Der Schongauer Kommandant Werner Berchtold verabschiedet sich nur höchst ungern von seinem analogen Alarm-Empfänger. Das getestete neue Digitalgerät empfindet er als zu groß, obendrein moniert er die zu kurze Akkulaufzeit. foto: hans-Helmut herold

Der digitale Funk für Behörden und Organisationen (BOS) läuft seit dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau 2015 reibungslos. Ab 2020 sollen die Einsatzkräfte im Oberland im Ernstfall nun auch digital alarmiert werden. Auch die Feuerwehren im Landkreis durften die neuen Geräte vorab schon einmal testen.

Weilheim-Schongau – Das digitale Kästchen ist ungefähr so groß wie eine Zigarettenschachtel und macht im Großen und Ganzen das, was es soll: Es piepst zuverlässig, wenn sein Träger alarmiert werden soll. Das ist dann aber schon das einzig Positive, was Schongaus Feuerwehrkommandant Werner Berchtold nach dem dreimonatigen Test des Alarm-Empfängers berichtet.

Zweimal täglich gab es in der Zeit einen Probealarm, die Feuerwehrmänner durften sich mit den Funktionen des „TETRA“-Geräts vertraut machen. Die sind allerdings noch sehr überschaubar: „Ich sehe es insgesamt mehr als Rückschritt als Fortschritt“, sagt Berchtold zu dem Kästchen. Das ist nicht nur größer als sein analoger Vorgänger, auch die geringere Akku-Laufzeit stößt dem Schongauer Feuerwehr-Chef sauer auf: „Sie liegt bei 23 bis 30 Stunden, die jetzige beträgt fünf bis sechs Tage“, moniert Berchtold, der obendrein die hohen Kosten ins Feld führt.

Knapp 700 Euro werden seinen Informationen nach für den digitalen Piepser fällig. Zwar gibt es bei der Erstanschaffung einen staatlichen Zuschuss von 80 Prozent, „aber was ist mit der Reserve?“, fragt der Schongauer Feuerwehrchef, der gerne zusätzliche Geräte vorhalten würde.

Ein weiterer Kritikpunkt der Kommandanten im Landkreis ist die Tatsache, dass neben dem Alarmton ausschließlich Textnachrichten auf dem Display erscheinen. Die analogen Geräte übertragen nach der Alarmierung den Feuerwehr-Funk. Die Einsatzkräfte können so schon während der Fahrt zum Gerätehaus hören, was sie erwartet. Die Textnachrichten können und dürfen sie dagegen am Steuer des Autos nicht lesen.

Der Weilheimer Kommandant Konrad Bischl teilt die Kritik seines Schongauer Kollegen. Auch er hat zusammen mit den Kameraden TETRA ausgiebig getestet und sieht „in vielen Punkten einen Rückschritt“. Er berichtet sogar von vereinzelten Funklöchern, die ihm der Digitalempfänger automatisch gemeldet hat.

In Peißenberg ist der Empfang des Alarm-Signals in Ordnung, berichtet der kommissarische Kommandant der Marktgemeinde, Stefan Seebauer. Mit Blick auf die Unhandlichkeit des Geräts hofft er aber, „dass noch neue Geräte herauskommen“. Sein Peitinger Kollege Klaus Straub gibt dem TETRA-Gerät immerhin eine „Drei-Minus“, sagt er. „Der Empfang war in Peiting überraschend gut“, lobt er. Und die Textnachrichten empfindet der Peitinger als praktisch, weil man den Alarm nachlesen könne.

„Die analogen Durchsagen sind oft sehr schlecht, weil es so rauscht.“ Doch auch er bemängelt die Unhandlichkeit und hofft noch „auf eine neue Gerätegeneration.“ Der Empfänger, den er getestet habe, erinnere ihn „an ein Handy vor zehn Jahren“.

Kreisbrandrat Rüdiger Sobotta bezweifelt jedoch, dass neue Geräte rechtzeitig auf den Mark kommen werden. Ende 2019 soll seinen Angaben nach die Ausschreibung für die Digitalempfänger beginnen.

Das Verfahren dürfte nicht sehr lange dauern, laut Sobotta gibt es derzeit nur zwei Anbieter. „Und die wollen erstmal ihre Lager abbauen“, vermutet Sobotta mit Blick auf die langen Verzögerungen, die es bekanntlich beim Digitalfunk gab. Sobotta versichert aber, dass die Kritikpunkte der Kommandanten „in die Ausschreibung einfließen“ werden. Vieles sei ohnehin schon ausgemerzt, sagt der Kreisbrandrat und betont, dass 30 Stunden „eine gute Akkulaufzeit“ sind.

Schon Anfang 2020 soll laut Sobotta eine Sammelbestellung abgegeben werden. Von ihr erhofft sich der Kreisbrandrat deutliche Preisnachlässe. Die Gemeinden, die die Beschaffung bezahlen müssen, werden davon profitieren.

Insgesamt sollen nach Angaben des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) Oberland voraussichtlich rund 5500 Geräte für die Organisationen in den Landkreisen Weilheim-Schongau, Garmisch-Partenkirchen und Bad Tölz-Wolfratshausen angeschafft werden, rund ein Drittel davon entfällt auf den Landkreis Weilheim-Schongau.

Bevor es in die Ausschreibung geht, muss nach Angaben des Zweckverbands noch die Verbandsversammlung tagen und grünes Licht geben: Laut Projektleiter Norbert Heumann werden die Landräte und Kreisbrandräte der drei Landkreise sowie Vertreter der verschiedenen Hilfsorganisationen dazu im kommenden Frühjahr zusammentreffen.

Wenn es dann 2020 endlich losgeht, müssen sich die Feuerwehrfrauen und -männer im Oberland darauf einstellen, dass sie zunächst zwei Geräte mit sich herumtragen müssen. Analoge und digitale Alarmierung sollen nämlich zunächst parallel laufen, heißt es.

Zumindest der Schongauer Kommandant kündigt an, dass für seine Wehr diese Übergangszeit sehr kurz sein wird. Die analogen Funkgeräte in den Fahrzeugen haben man auch rasch gegen die digitalen ausgetauscht, berichtet Berchtold mit Blick auf die digitale Zukunft.

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