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Raum im Münzgebäude heißt „Turmsaal“

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Von: Elke Robert

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Schongau vor der Zerstörung 1704: Der Kesselturm (Mitte, rechter Turm) ist gut erkennbar, links daneben der nicht mehr vorhandene Pulverturm, heute Fundamente einer Garage im Stadtfriedhof. Das Bild stammt von David Hummel (Stadtpfarrkirche).
Schongau vor der Zerstörung 1704: Der Kesselturm (Mitte, rechter Turm) ist gut erkennbar, links daneben der nicht mehr vorhandene Pulverturm, heute Fundamente einer Garage im Stadtfriedhof. Das Bild stammt von David Hummel (Stadtpfarrkirche). © Stadtarchiv

Die Stadt Schongau hat nun einen „Turmsaal“. So soll der neue Veranstaltungsraum im Obergeschoss des frisch sanierten Münzgebäudes genannt werden. Dort wurde mit das älteste Mauerwerk der Stadt freigelegt, das aus der Zeit der Stadtgründung stammt – also die Jahre nach 1200. Es sind Reste des damaligen Kesselturms.

Schongau – Der Saal im Münzgebäude ist ein kleines Schmuckstück geworden. Der Raum im Dachgeschoss des Seniorenamts kann bereits seit einiger Zeit bei der Stadt für Veranstaltungen angemietet werden (wir haben berichtet).

Nun hat der Saal auch einen Namen. Den auf den ersten Blick naheliegenden Vorschlag „Münzsaal“ hielten Kreisheimatpfleger Helmut Schmidbauer und Stadtarchivar Franz Grundner jedoch nicht für geeignet, wie Geschäftsleiterin Bettina Schade jetzt dem Stadtrat erläuterte. „Es könnte sich der irrige Eindruck verfestigen, dass im Münzgebäude wirklich Münzen geprägt wurden.“

Schmidbauer und Grundner mit historischen Details

Schmidbauer und Grundner schlugen daher die Bezeichnung „Turmsaal“ vor, was aus historischer Sicht viel besser passe: Im Obergeschoss des Münzgebäudes, der alten Fronveste, wurden doch die Reste einer Mauer freigelegt, die damals zum Kesselturm gehörten. Dieser wurde zu Gründungszeiten der Stadt errichtet, es sind demnach mit die ältesten Mauerreste Schongaus, geschätzt auf die Jahre 1220/1230.

Der Kreisheimatpfleger hat weitere Hintergründe parat: Der Kesselturm könnte identisch sein mit dem „Münzmeisters-Turm“, so bezeichnet in den ältesten Urkunden der Stadt. Später wurde der Turm konkret nach der Münzmeisterfamilie Schmid-Kemlin benannt, also „Schmid-Kemlins-Turm“.

Die Mauerkrone des alten Kesselturms ist im Dachgeschoss des Münzgebäudes sichtbar.
Die Mauerkrone des alten Kesselturms ist im Dachgeschoss des Münzgebäudes sichtbar. © Hans-Helmut Herold

Der Münzmeister muss in den ersten Jahren im Turm gewohnt haben. Auch Münzgebäude und Münzstraße haben daher ihren Namen.

Der Kesselturm war aber nicht nur ein Bauwerk für die Verteidigung. „Er hat einen zweiten Zweck, auf den der Name hinweist“, so Schmidbauer. Er diente der Wasserversorgung der Stadt. Der Turm muss einen großen Kupferkessel enthalten haben, der von Quellen unterhalb des Helgolands, der Hohenfurcher Steige, befüllt wurde.

Es gab zwar kein gemauertes Aquädukt, aber eine „Schwäbische Wasserleitung“, wie Schmidbauer es nennt. Von der höherliegenden Quelle floss das Wasser in sogenannten Teicheln – ausgehöhlte Fichtenstämme – bis zum Kesselturm und wurde von dort in Brunnen und Häuser verteilt.

Im Spanischen Erbfolgekrieg zertsört

Eine weitere Quelle beim Schneckenbichl über der Papierfabrik versorgte über den Wasserturm am heutigen Bürgermeister-Schaegger-Platz die südöstliche Stadt. „Die noch immer ergiebige Quelle auf der Burgger Gstaig, dem Rösslekellerberg, füllte den Kessel im Schwaigerturm neben dem Frauentor mit Wasser für den südwestlichen Stadtteil“, so Schmidbauer.

Das Schmid-Kemlins-Tor muss im 16./17. Jahrhundert zugemauert worden sein. Viel ist nicht mehr zu sehen. „Der Kesselturm wurde im Spanischen Erbfolgekrieg, wie fast alle anderen der ursprünglich 16 Mauertürme, nachhaltig zerstört“, weiß Schmidbauer. Nur an der Nordseite der Stadtmauer kann man den Wehrturm noch als Mauervorsprung erkennen, wobei diese beiden Pfeilervorlagen vermutlich jüngeren Datums sind.

Bei der Sanierung stand der Wehrturm im Fokus, außen hat er nun ein Oberlicht aus Cortenstahl.
Bei der Sanierung stand der Wehrturm im Fokus, außen hat er nun ein Oberlicht aus Cortenstahl. © Sunder-Plassmann

„Der quadratische Turm war, an der Stadtmauerinnenseite anliegend, dreiseitig mit Tuffquadern gemauert und nach innen zu offen“, beschreibt es der Kreisheimatpfleger. Beim 1771 auf den alten Fundamenten errichteten Neubau der Fronveste wurden dann die ursprünglich wesentlich höheren Turmreste bis zum Hausdach abgetragen und in das Gebäude integriert. Die dicken Mauern sind in einem Plan für den Bau des Gefängnisses noch gut sichtbar.

Daran hatte man sich nun auch bei der Sanierung des Münzgebäudes orientiert. Im Dachgeschoss kann man die ursprüngliche Mauerkrone des Turms gut erkennen. Von außen wurde der Turm mit einer Überhöhung aus Cortenstahl weithin sichtbar gemacht. Die Umrisse des Gemäuers sind im Dachgeschossboden mit Messingleisten dargestellt.

Buresch hat so ihre Zweifel

„Im ersten Stock haben wir einen zugemauerten Zugang vom Wehrgang in den Turm freigelegt“, so der stellvertretende Stadtbaumeister Robert Thomas, der die Sanierung leitete. Und auch die zwei Gefängniszellen im zuletzt als Polizeiinspektion genutzten Münzgebäude lagen im Bereich des alten Turms.

Dem Vorschlag, diesen Raum nicht „Münzsaal“, sondern eben „Turmsaal“ zu nennen, folgte das Gremium einstimmig. Allerdings bezweifelte Bettina Buresch (ALS), dass sich der Begriff im Sprachgebrauch der Bürger niederschlagen werde. „Der Turm ist nicht mehr so präsent, die Leute werden verzweifelt den Turmsaal suchen.“

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