„Das Geld bleibt in der Region“: Diskussion über Regional-Währung in Schongau

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Denkraum21“ wurde im Schongauer Ballenhaus über das Thema „Regionales Geld für sinnstiftende Projekte“ diskutiert.
Schongau – „Oft dient das Geld denen, die am unsozialsten arbeiten“: So lautet das Statement von Anna-Lisa Schmalz. Sie proklamierte eine Währung, die „dem Leben dient und nicht das Leben bestimmt“. „Wie würde unsere Welt ausschauen, wenn wir bestimmen könnten, was mit unseren Steuergeldern bezahlt wird?“, stellte sie als Frage in den Raum.
Die konnte Stefan Schütz am Beispiel der Regionalwährung „Der Chiemgauer“ zumindest zum Teil beantworten. Das Geld bleibe in der Region, der örtliche Handel profitiere, und die Nutzer könnten entscheiden, welches soziale Projekt mit den dafür veranschlagten drei Prozent der ausgegebenen „Chiemgauer“ gefördert wird.
Diskussion über Regio-Geld in Schongau: So funktioniert der Chiemgauer
Zurück geht der „Chiemgauer“ auf eine Initiative der Waldorfschule in Prien am Chiemsee: Für die benötigte Schulturnhalle entwickelten Schüler das Modell einer Währung, aus der ein Teil an soziale Projekte fließen soll.
Wie der „Chiemgauer“ funktioniert? Jeder, der teilnehmen will, kann sich mit einem Formular anmelden und damit auch festlegen, welchem Projekt das Geld zugute kommen soll. Rund 480 Geschäfte und Betriebe im Chiemgau akzeptieren die Regionalwährung und sollen sie nach Vorstellung der Gründer auch wieder in Umlauf bringen. Was nicht für Einkäufe, Löhne und anderes verwendet werden kann, kann auf der Bank in Euro gewechselt werden.
Der Verlust von fünf Prozent ist steuerlich absetzbar. Zudem bestehe kein Annahmezwang. Große Beträge können auch teilweise in Euro bezahlt werden. Um einen „Umlaufimpuls“ zu geben, verliert der „Chiemgauer“ pro Halbjahr drei Prozent an Wert, wenn er nicht gegen Ware eingetauscht wird.

Seit 17 Jahren gibt es den „Chiemgauer“ inzwischen, den Stefan Schütz als Erfolgsmodell bezeichnete, obwohl er zugeben musste, dass der Umsatz in den vergangenen Jahren leicht rückläufig ist. Dafür machte er vor allem die Bequemlichkeit der Kunden, die Beschleunigung und Digitalisierung der Wirtschaft, die große räumliche Ausdehnung des Einzugsgebiets, das unter Umständen weite Wege nötig macht, die Erschöpfung der benötigten Ehrenamtlichen, politischen Widerstand und die extrem aufwändige Anbindung an das Bankensystem verantwortlich.
Diskussion über Regio-Geld in Schongau: Das halten Geschäftsleute von der Idee
Den Schongauern empfahl Schütz die inzwischen erhältliche Bearbeitungssoftware „Cyclos“. Sein Verein habe die benötigte Software damals noch mit enormem finanziellem Aufwand selbst programmiert.
In der anschließenden Diskussionsrunde wurden weitere Fragen zum Thema behandelt. Johanna Hentschke, die im Weltladen mithilft, war der Meinung, dass durch die Änderung des Geldsystems nicht alle Probleme gelöst würden. Sie wünschte sich, dass angefangen werde, regional zu denken und zu kaufen. Auch die Gewerbetreibenden sollten mehr Transparenz schaffen, wo die angebotene Ware herkommt.
Auch Volker Greiner (Mühlenmärkte Herzogsägmühle) schlug in dieselbe Kerbe: „Wenn man Wurst nur im Großmarkt kauft, darf man sich nicht wundern, wenn der Metzger am Ort zumacht.“ Im Rahmen der Gemeinwohlbilanz werde auch in Herzogsägmühle über Regio-Geld nachgedacht. Wieder ausgegeben könne man es als Teil der Gehälter oder Boni für Mitarbeiter.
Diskussion über Regio-Geld in Schongau: Viele müssten mitmachen
Auch Ralf Konstantin, Vorsitzender des TSV Schongau, könnte sich vorstellen, zum Beispiel die Mitgliedsbeiträge in Regio-Geld anzunehmen. Allerdings war er sich sicher, dass er nicht alle TSV-Mitglieder für dieses Thema begeistern könne.
Peitings zweiter Bürgermeister Franz Seidel wendete ein, dass bereits viele Orte, die das Regio-Geld eingeführt hätten, dies nach rund vier Jahren wieder aufgegeben hätten. Dazu Stefan Schütz’s Antwort: „Information und Vernetzung sind das A und O.“ Es sei wichtig, schon vorher viele mit ins Boot zu nehmen.
Robert Kassebaum von der Werbegemeinschaft Altstadt zeigte sich von der Sache an sich begeistert: „Wenn das Bewusstsein beim Konsumenten da ist, profitiert die Gemeinde“, so Kassebaum. Allerdings rechnete er die Zahlen aus dem Chiemgau auf den Raum Schongau-Peiting-Altenstadt um und kam zu dem Ergebnis, dass bei einem ähnlichen Teilnahmeverhältnis hier nur 23,15 Geschäfte mitmachen würden.
Dazu Anna-Lisa Schmalz: „Ich glaube, in einem kleinen Ort ist es leichter, eine Regio-Einkaufsmeile herzukriegen.“ Kassebaums trockene Antwort: „Wir haben hier keine Einkaufsmeile.“
Diskussion über Regio-Geld in Schongau: „Es stärkt die Region“
Finanzexperte Jens Wiedemann sah vor allem einen Vorteil: „Es stärkt die Region in der nächsten Finanzkrise.“ Er sehe eine Riesenchance in einer Regional-Währung, aber empfehle, mindestens zwei Jahre Vorbereitungszeit zu investieren.
Edeka-Markt-Betreiber Andreas Krines stellte fest, dass er schon viele regionale Produkte im Sortiment habe, der Kunde aber doch großteils preisbewusst, sprich billig, einkaufe. Johanna Hentschke war dagegen der Ansicht, dass immer mehr die „Geiz ist geil“-Mentalität satthaben und lieber auf regionale Produkte umsteigen, auch wenn diese unter Umständen etwas teurer seien.
VON URSULA FRÖHLICH
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