Junge und alte Hunde im Mittelpunkt

Rottenbuch - Ein Jahr, nachdem sie die Hunde-Rettungsstation Sonnenhof übernommen hat, ist Nicole Brühl langsam auf dem Weg, den sie einschlagen will. Das Senioren-Projekt – ältere Hunde für ältere Menschen – ist bereits angelaufen, die Umbauten für die Welfenstation schreiten voran.
Wer den Klingelknopf am Sonnenhof drückt, wird hinter dem hohen Holzzaun von lautem Gebell begrüßt. Das war schon immer so, seitdem der Sonnenhof 2002 gegründet worden ist, und wird auch so bleiben. Der Lärm ist ein Grund, warum sich in der Vergangenheit immer wieder Nachbarn beschwert haben und das Verhältnis mit den Anwohnern extrem angespannt war. Es gab sogar Unterschriftenaktionen und Protestplakate vor dem Sonnenhof.
Das wusste natürlich auch Nicole Brühl (45), als sie vergangenes Jahr den Sonnenhof übernommen hat. Als Präsidentin des Tierschutzbunds Bayern kannte sie Renate Thyssen-Henne und Gabriele Prinzessin zu Leiningen und hat mitbekommen, wie verzweifelt sie einen Nachfolger suchten. „Wären wir nicht eingestiegen, wäre vermutlich alles abgerissen worden. Das wäre jammerschade gewesen“, sagt Brühl. Der Sonnenhof ist jetzt offizieller Partner des Tierschutzbunds, Brühl gleichzeitig Präsidentin des Sonnenhof-Gründungsvereins SOS Projects.
Mit Anwohnern hatte sie in dem einen Jahr keinen Kontakt – das ist schon einmal ein gutes Zeichen. Vielleicht hat sich positiv ausgewirkt, dass sie die Öffnungszeiten massiv eingeschränkt hat, montags und dienstags sowie an Feiertagen gar kein Besuchstag mehr ist und ansonsten nur noch nachmittags. „Wir wollen die Tiere zur Ruhe kommen lassen, so können wir uns besser um sie kümmern“, sagt Brühl. Das führt zwangsläufig zu weniger Gebell. „Die Ruhezeiten werden streng eingehalten“, betont Brühl, auch soll die Obergrenze von 70 Hunden keinesfalls ausgeschöpft werden. Aus dem Ausland hergeholt werden sollen anders als früher auch keine Tiere mehr. „Ich will das nicht negativ bewerten, aber wir haben genug eigene Hunde im Land, um die wir uns mit den Tierheimen kümmern müssen.“ Neu gebaut oder ausgeweitet wird ebenfalls nichts: „Wir wollen aus dem, was wir haben, das Beste herausholen“, sagt Brühl.
Und ihre Vorgängerinnen haben wirklich einiges hinterlassen. Die geräumigen Hütten für die Hunde, vor denen Blumenschmuck hängt und die Schmuckstücke in jedem Schrebergarten wären, sind mit Klimaanlage und Heizstrahler einmalig eingerichtet. „Das ist die perfekte Ausstattung, wir könnten das so nie bauen“, sagt Brühl. Das hätten Renate Thyssen-Henne und ihre Tochter alles aus dem Privatvermögen bezahlt.
Seit einiger Zeit wird moderat umgebaut. Im neuen Senioren-Hundedorf musste nicht viel getan werden, dort hat sich nur das Konzept geändert. „Viele Hunde sind seit Jahren in Tierheimen und werden nicht vermittelt, und das liegt oft nur an Kleinigkeiten.“ Im Sonnenhof soll den Tieren eine neue Chance gegeben werden. Denn oft wollen Senioren gezielt einen älteren Hund, der nicht mehr so umtriebig ist. Um aber nicht alle möglichen Tierheime in der Umgebung abklappern zu müssen, werden solche Hunde-Rentner gezielt in Rottenbuch stationiert. „Zudem bekommen Menschen ab 70 Jahren oft keinen Hund mehr, weil die Gefahr zu groß ist, dass sie vor dem Tier sterben“, weiß Brühl. Auch so eine Vermittlung an Rentner ist auf dem Sonnenhof möglich, „und wir stehen auch parat, wenn tatsächlich etwas passieren sollte“ – der Hund wird also auch wieder zurückgenommen, wenn das Herrchen oder Frauchen stirbt.
Derzeit sind neun Senioren-Hunde da, darunter die bezaubernden zwölf und 13 Jahre alten Mischlinge Winnie und Lana. Es seien auch gerne Senioren willkommen, die sich mit den Tieren beschäftigen und sie streicheln. „Das sind nur Schmuser“, sagt Brühl. Ähnliches soll auch passieren, wenn die Welpenstation fertig ist, da können sich Kinder um die jungen Hunde kümmern. Kinder sind sowieso immer herzlich eingeladen, auch für behinderte und benachteiligte Sprösslinge soll es weiter Projekte geben.
Mit der neuen Ausrichtung plant Brühl, den Sonnenhof zu dem zu machen, was er ihrer Meinung nach ist: Eine für Hunde deutschlandweit einzigartige Einrichtung. „So etwas gibt es sonst nirgendwo“, sagt sie. Und jetzt, wo sie den Vorsitz des Starnberger Tierschutzvereins abgegeben hat, hat sie wieder etwas mehr Kapazitäten – obwohl sie immerhin für 119 Tierschutzvereine und 75 Tierheime in Bayern verantwortlich ist. „Aber wir haben ein tolles Team und arbeiten gut zusammen“, sagt Brühl über ihre Mitstreiter, die im Tierschutzbund und bei SOS Projekts zum Teil identisch sind. Im Sonnenhof hat sie derzeit fünf Mitarbeiter um den langjährigen Hauptpfleger Thomas Ott, der Seele des Hauses.
Sie selbst hat den Sonnenhof schon liebgewonnen, fährt manchmal zwei bis dreimal pro Woche von ihrem Wohnort Starnberg her, übernachtet manchmal auch am Wochenende mit der Familie. Oft dabei sind auch ihre Kinder Bennett (12) und Charles (6) – natürlich wegen der Hunde: „Die haben gleich ihre Lieblinge gefunden“, schmunzelt Brühl.
Zur Welpenstation:
„Mei, sind die süüß“: Mit diesen Worten werden oft junge Hundewelpen begrüßt. Genau dieser Niedlichkeitsfaktor ist es aber, der aus dem Handel mit Welpen ein großes Geschäft macht. Oft werden Hunde in Osteuropa als Gebärmaschinen missbraucht, die Welpen werden viel zu früh von der Mutter getrennt und ohne Impfung oder Entwurmung ins Ausland transportiert Auch die nötigen Papiere fehlen meist oder sind gefälscht. In Deutschland werden die süßen Welpen oft aus dem Kofferraum heraus für viel Geld verkauft, meist geschwächt und krank, aber auf jeden Fall verhaltensauffällig.
Für diese illegalen Welpentransporte will der Rottenbucher Sonnenhof künftig eine Anlaufstation sein. Nach der Ankunft kommen die Tiere erst einmal in die Quarantäne-Station, die derzeit hergerichtet wird. „Wir bauen auch noch ein großes Plexiglas-Fenster ein, damit die Tiere wenigstens Blickkontakt ins Freie haben“, sagt Sonnenhof-Chefin Nicole Brühl. Angenehmer Nebeneffekt: Interessenten können sich so die Tiere genau anschauen, die sie später abholen können.
Doch mit der Quarantäne und der medizinischen Behandlung ist es nicht getan. Der Sonnenhof will das komplette Paket für die Welpen-Betreuung bieten. Beschlagnahmte Tiere sollen auch sozialisiert werden, bevor eine Weitervermittlung erfolgt. „Da ist die Chance viel höher, dass die Tiere bei ihrer Familie bleiben“, weiß Brühl. Sonst kommen sie schnell wieder zurück und werden zum hoffnungslosen Fall. Deshalb soll der Sonnenhof ein Vorzeigeprojekt für die Arbeit mit Welpen werden: „Was müssen wir tun, dass sich der Welpe in verschiedenen Phasen wie entwickelt?“ Solchen Fragen gelte es, mit erheblichem Fachpersonal-Einsatz auf den Grund zu gehen, und diese Erkenntnisse sollen dann in die Tierheime getragen werden. „Dann kann auch die Basis von unserer Arbeit hier profitieren“, hofft Brühl.