Fahrendes Feuerwehr-Museum: Berger reaktivieren roten Bulli und erzählen seine Geschichte

Jahrelang kümmerte sich niemand um den roten VW-Bus aus dem Jahr 1958 der Berger Feuerwehr. Nun haben Mitglieder den Oldtimer reaktiviert. Das Löschfahrzeug mit 30 PS lässt erahnen, wie beschwerlich die Feuerwehr-Arbeit früher war. Nun soll der Bulli wieder auf Einsätze fahren – aber abseits von Bränden und Unfällen.
Berg – Wie viel dieser rote VW-Bus, Baujahr 1958, wert ist, merkte Frederik Höbart bei einer Spazierfahrt am Starnberger See. „Ein Radler hat mir zugerufen: Ich geb dir sofort 60 000 Euro. Ich hab’ aber gleich gesagt: Vereinseigentum“, erzählt er. Höbart gehört zur elfköpfigen Gruppe bei der Berger Feuerwehr, die sich dem Oldtimer als Paten angenommen haben. Jahrelang stand das historische Tanklöschfahrzeug nur in einer Garage, setzte Rost an, die porösen Stellen nahmen zu. Eines Tages machte der Vorstand die klare Ansage an die Mitglieder: Entweder ihr kümmert euch um den Bulli – oder wir verkaufen ihn. Sie kümmerten sich. Und sie wollen jetzt dafür sorgen, dass das historische Gefährt wieder sichtbar wird in Berg. Auch um zu zeigen, wie die Feuerwehr früher gearbeitet hat.
Die Reaktivierung begann im Sommer 2019. Im Herbst 2020 steht der Bus mit Blaulicht und kleiner Holzleiter auf dem Dach fast da wie neu. Dabei haben ihn seine Paten nur fahrtüchtig gemacht und ihm die TÜV-Plakette beschert. Großflächig lackiert haben sie ihn nicht. „Je weniger man an einem Oldtimer macht, umso besser“, sagt Udo Wieser, der laut den anderen „die treibende Kraft“ des Nostalgie-Projekts war. Eine gewisse Patina erhöhe den Wert, fügt er hinzu. Stark mitgenommen könne der Bulli auch gar nicht aussehen. „Er wurde ja sehr wenig bewegt.“ Knapp 17 000 Kilometer weit.

Der „Volkswagen Kastenwagen, Modell 211“ (so steht es im Auslieferungszertifikat von VW) hat 30 PS, vier Zylinder, vier Gänge und ist ein fahrendes Feuerwehr-Museum. Im Kofferraum ist Platz für zwölf sauber aufgewickelte Schläuche, hinter der schwarzen Sitzbank stecken Spaten und Axt. Aus dem Fußraum ragt ein dünnes, klassisches Lenkrad nach oben, auch das Armaturenbrett konzentriert sich auf das Wesentliche – Lichtschalter, Warnblinker, Scheibenwischer und Ziehknopf fürs Horn.
Frederik Höbart steigt ein und haut sich erst mal den Kopf an. Ein Kollege stellt fest: „Früher waren die Menschen noch kleiner.“ Dann lässt er den Bulli an, ein lautes, hohes Surren ertönt. Den Motor kann man übrigens auch unter der Heckklappe von außen per Handkurbel starten, falls der Zünder spinnt. Und die Blinker klappen bei jedem Mal als mechanische Schienen nach außen – ein Detail, dass den Feuerwehrlern besonders gefällt und das sie deshalb gerne präsentieren. Ein Blick ins Auslieferungszeugnis verrät: Zur VW-Sonderausstattung zählte 1958 neben dem Blaulicht auch der zweite Außenspiegel.

Georg Steigenberger, heute 87 Jahre alt, ist mit dem Bulli damals ausgerückt. Als der Bus die Feuerwehr verstärkte, war das ein technischer Quantensprung. „Davor hatten wir einen Anhänger, den wir per Hand schieben mussten“, erinnert sich der ehemalige Kommandant. Und an einen Laster, auf dessen Ladefläche die Kameraden mitgefahren sind. Gegen den war der Bulli wiederum klein: „Wir haben ihn mit so viel Zeug beladen, dass wir maximal zu dritt fahren konnten“, erzählt Steigenberger. Die anderen Einsatzkräfte mussten privat zum Großbrand kommen. „Wir haben getan, was wir konnten“, fasst der Berger zusammen und erwähnt am Rande noch die alten Baumwollschläuche von eher bescheidener Qualität. „Wenn da Druck drauf war, haben die aus allen Löchern gespritzt.“
Heute schauen aus der Garage des Berger Feuerwehrhauses moderne Einsatzfahrzeuge mit fast 300 PS, in die der Bulli viermal reinpassen würde. Das alte Löschfahrzeug – überhaupt eines der ersten in Berg – diente den Einsatzkräften übrigens bis 1996. Die ersten Testfahrten nach 24 Jahren So-gut-wieStillstand waren laut Mathias Berger gerade am Aufkirchner Berg eine Herausforderung. Er berichtet: „Wir sind nicht nur einmal stehen geblieben.“ Was aber weniger an der Steigung, sondern mehr am leeren Tank lag. „Wir mussten ausprobieren, wie weit wir kommen. Es gibt ja keine Tankanzeige.“ Mittlerweile wissen die Feuerwehrler aber, wann sie sich mit Bleizusatz-Behälter zur Tankstelle aufmachen müssen.

Wer das Feuerwehr-Museum spazierenfahren sieht, wird das Blaulicht vermissen. Die Paten haben eine Mütze darüber gestülpt – damit niemand denkt, der Bulli wäre tatsächlich wieder im Einsatz. Das ist er durchaus, nur eben nicht bei Bränden und Unfällen. Sondern wenn Mitglieder heiraten oder die besonders langjährigen geehrt werden. Und das eine oder andere Oldtimertreffen wird wohl auf den alten VW-Bus zukommen. Dort wird er ein Hingucker sein – schon wegen der herausfahrenden Blinker.
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