Fährmänner mit gewissen Vorzügen

Seit fünf Jahren fährt Bernhard Zillner, genannt Hermann, Touristen auf die Roseninsel – bis vor ein paar Monaten mit seinem Großcousin Stefan Seerieder. Nach dessen plötzlichem Tod hat Zillner nun neue Fährmänner gefunden. Die Voraussetzungen für den Job: Tracht und Dialekt.
Feldafing – Josef Hofrichter schwingt die goldene Glocke am Anfang des Holzstegs. Ein hohes Läuten ertönt. In ein paar Minuten legt das elf Meter lange Boot ab und macht sich auf Richtung Roseninsel. Hofrichter begrüßt die letzten Gäste mit einem Lächeln hinter seiner Maske. Er zieht die Klappe ins Boot, setzt sich hinter das Steuerrad und schiebt sich die schwarze Sonnenbrille ins Gesicht. Mittlerweile kann Hofrichter während der fünfminütigen Überfahrt mit seinen Gästen scherzen und trotzdem den See im Blick behalten – an seinem ersten Tag als Fährmann Mitte Mai war er deutlich angespannter. „Da bin ich um acht Uhr abends auf der Couch eingeschlafen“, sagt Hofrichter. Der Eventmanager aus Tutzing ist einer vor vier Männern, die seit dieser Saison im Fährbetrieb der Fraueninsel mithelfen.
Hermann Zillner stand nach dem Tod seines Kollegen, Freund und Großcousins Stefan Seerieder erst einmal alleine mit seinem Boot da. „Stefans Tod war ein Schock für mich“, sagt der Pöckinger. Nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus starb Seerieder am 27. März mit 53 Jahren (wir berichteten). Die beiden Kollegen waren nach fünf Jahren ein eingespieltes Team. „Wenn ich heute einen Termin ausmache, bin ich oft kurz davor, das mit Stefan zu besprechen. Dann merke ich, dass das nicht mehr geht.“
Das Wasser gluckert, während es gegen die Wände des Holzbootes schwappt. Zillner blickt auf den See. In seiner Lederhose, seinem Trachtenjanker, seinen Haferlschuhen und dem geflochtenen Hut fällt er unter seinen Gästen auf. Gut ein halbes Dutzend hat auf der Sitzbank Platz genommen – mit Maske im Gesicht und Kamera um den Hals. Der Fährmann freut sich über jeden Mitfahrer.
Neben dem Tod seines Kollegen machte die Pandemie dem 52-Jährigen zu schaffen. Am 11. Mai durfte der Fährmann endlich wieder Gäste auf die Roseninsel schiffen. „Genau dann wurde das Wetter schlecht“, sagt Zillner. „An einem Tag kamen nur vier Leute.“
Geschickt lenkt Hofrichter das Boot zwischen die zwei Stegpfosten des Anlegers auf der Insel. Barfuß schreitet er ans andere Ende des kleinen Schiffes, lässt die Klappe runter und hilft den Gästen auf die Insel. Während Hofrichter lässig an das Geländer des Stegs gelehnt wartet, bis sich das Boot langsam wieder mit Menschen füllt, schlendert Zillner Richtung Rosengarten. Eine kleine Auszeit zwischen den oft 13 Stunden langen Tagen.
In der Hosentasche der Lederhose vibriert sein Handy. Zillner hält sein Smartphone ans Ohr. „Freilich fahren wir“, sagt er. „Sie müssen nur eine FFP2-Maske mitbringen.“ Anrufe wie diesen bekommt der Fährmann mehrmals täglich – und das hält auf. „In den Hauptzeiten ist es schwierig, zu fahren und gleichzeitig seine eigene Sekretärin zu sein.“ Deshalb war schnell klar: Zillner braucht Unterstützung.
Lauter „Hiesige“ hat Zillner am Ende gefunden.
Auch eine Darmentzündung mit einer Woche Krankenhausaufenthalt habe ihm gezeigt: „Ich kann nicht alles alleine machen.“ Beim TÜV meldete er vier Bootsführerscheinprüfungen an – für wen, war noch nicht klar, denn neue Fährmänner hatte Zillner bis dahin nicht gefunden. Sorgen machte er sich jedoch nicht: „Ich kenne einen Haufen Leute. Da bin ich einfach meine umfangreiche Kontaktliste im Handy durchgegangen und habe mir gedacht: Wer könnte passen?“ Die Voraussetzungen für den Job hat er klar definiert: Freude am Bootfahren, Bairisch reden, Tracht tragen, Smalltalk betreiben. Lauter „Hiesige“ hat er am Ende gefunden.
Nach einem kurzen Spaziergang über die 2,5 Hektar große Insel schlendert Zillner zurück zum Steg und lehnt sich neben seinen neuen Fährmann an das Geländer. „Ich bin wahnsinnig froh, dass alles so gut gut geklappt hat“, sagt er. „Und auch stolz. Schon öfters habe ich gehört, dass ich eine gute Auswahl getroffen habe.“
Trotz des schönen Wetters und der frischen Luft ist der Job als Fährmann kräfteraubend. „Am Tag fahren wir 30-mal hin und her“, sagt Hofrichter. „Das verlangt dem Körper einiges ab.“ Die Strapazen nimmt er jedoch in Kauf, denn: „Der Job macht Spaß. Es ist toll, am Morgen mit dem kleinen Boot zur menschenleeren Insel zu rudern und alles vorzubereiten.“
Die letzten Gäste nehmen auf den Holzbänken Platz. Hofrichter schmeißt den Motor an und wendet die Fähre Richtung Festlandufer. Eine Frau winkt ihm noch von der Insel zu. „Ich komme gleich wieder“, ruft Hofrichter. Etwa 20 Überfahrten hat er noch vor sich.
Betriebszeiten
Die Fähre fährt täglich (montags nur bei schönem Wetter) von 10 bis 18 Uhr und legt am Glockensteg ab. Abweichungen können wegen Sonderfahrten vorkommen. Genaue Infos gibt es online auf der Webseite www.roseninsel.bayern.de. Das Tragen einer FFP2-Maske ist Pflicht. lf