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Eine Satzung und die „Emmentalertheorie“

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Von: Volker Ufertinger

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Justitia am Gerechtigskeitsbrunnen am Roemerberg bei schoenem Wetter, Deutschland, Hessen, Frankfurt am Main.
Laut Satzung darf in Gauting ein Zaun nicht höher als 1,30 Meter hoch sein. Doch das Verwaltungsgericht hat einem Bürger Recht gegeben, der 1,80 Meter hoch gebaut hat. (Symbolbild) © K. Steinkamp/imago

Das Verwaltungsgericht hat einem Gautinger einen Zaun von 1,8 Meter Höhe erlaubt, obwohl nur 1,3 Meter zulässig sind.

Gauting – Laut Satzung darf in Gauting ein Zaun nicht höher als 1,30 Meter hoch sein. Doch das Verwaltungsgericht hat einem Bürger Recht gegeben, der 1,80 Meter hoch gebaut hat.

2004 hat Gauting eine Einfriedungssatzung erlassen, in der klar geregelt ist, wie hoch Hecken und Zäune sein dürfen. Die Grenze für Hecken liegt bei 1,80 Meter, für Zäune bei 1,30 Meter. Ausnahmen werden nur bei Ausfallstraße gemacht, und das auch nur bei zu hoher Lärmbelastung. Rein formal hat ein Bürger aus der Hangstraße klar verstoßen, als er vor fünf Jahren gebaut hat: Der Zaun ist 1,80 Meter hoch, von der Bergmoserstraße wegen eines Geländesprungs sogar 2,20 Meter. „Wenn wir auf der Terrasse sitzen, bietet ein niedriger Zaun praktisch keinen Sichtschutz. Wir wollten einfach nicht auf dem Präsentierteller sein“, sagt er zur Begründung.

Laut Kläger hält sich im ganzen Viertel kaum jemand an die Satzung

Die Sache kam ins Rollen, als irgendjemand – vermutlich ein Nachbar – den Verstoß beim Landratsamt anzeigte. Die Behörde schickte eine Beseitigungsanordnung zu. Darauf beantragte der Hausbesitzer in der Gemeinde zweimal eine Ausnahme von der Satzung. Vergeblich, der Bauausschuss blieb hart. So kam die Sache vor das Verwaltungsgericht. „Im ganzen Viertel hält sich kaum jemand an die Satzung“, sagte der Kläger beim Augenschein. „Da sehe ich nicht ein, warum man es bei mir plötzlich so genau nimmt.“

Um sich einen Überblick zu verschaffen, schritten die Richter der 11. Kammer das unmittelbare Umfeld ab, die Kreuzstraße, die Bergmoserstraße sowie die Kurt-Huber-Straße. Der Augenschein war eindeutig: Fast überall waren Hecken und Zäune höher, als es die Gemeinde erlaubt, teils mehr als drei Meter. „Man findet ja kaum ein Grundstück, wo die Satzung eingehalten wird“, so der Richter. Das war auch maßgeblich für das Urteil, das nach wenigen Minuten Beratung erging. „Der Kläger hat Anspruch auf Ermessensspielraum“, sagte der Vorsitzende Richter. Jetzt muss sich der Bauausschuss mit dem Fall ein drittes Mal befassen, und dabei das Urteil des Verwaltungsgerichts berücksichtigen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Gemeinde Gauting

Der Anwalt des Klägers, Prof. Walter Leisner, hakte nach, ob mit diesem Urteil nicht die ganze Einfriedungssatzung hinfällig ist. „Es stellt sich die Frage, ob die Satzung funktionslos geworden ist“, argumentierte er. Es gibt nämlich in der Rechtssprechung die „Emmentalertheorie“. Sie besagt, dass eine Satzung ihre Gültigkeit verliert, wenn sie oft genug durchlöchert worden ist. Doch so weit wollte der Richter nicht gehen: „Darüber haben wir heute nicht zu entscheiden.“ Die Kosten des Verfahrens trägt die Gemeinde.

Für den Anwalt des Klägers liegt das Problem nicht in er Satzung selbst, sondern in der mangelnden Einhaltung durch die Bürger. Es liege ein „extremes Durchsetzungsdefizit“ vor. Für laufende Kontrollen fehlen aber die Kapazitäten. „Der Fall zeigt: Das Denunziantentum in der Bürgerschaft kann nicht Rettungsanker für eine mangelnde gemeindliche Normdurchsetzung sein.“  vu

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