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Eintauchen in die Feuerwehrgeschichte

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Von: Andrea Gräpel

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Aus Feuerwehrlern wurden begeisterte Forscher (v.l.): Stefan Feigl, Daniel Pleyer, Florian Kleber und Michael Polednik gehen der Feuerwehrgeschichte mit Gemeindearchivarin Dr. Friedrike Hellerer auf den Grund.
Aus Feuerwehrlern wurden begeisterte Forscher (v.l.): Stefan Feigl, Daniel Pleyer, Florian Kleber und Michael Polednik gehen der Feuerwehrgeschichte mit Gemeindearchivarin Dr. Friedrike Hellerer auf den Grund. © Andrea Gräpel

Seit Monaten wühlen sich Herrschinger und Breitbrunner Feuerwehrleute durch die Archive. Was sie vor 25 Jahren nicht gemacht haben, wollen sie zum 150. Jubiläum beider Ortswehren heuer nachholen: Unterstützt von Gemeindearchivarin Dr. Friedrike Hellerer arbeiten sie an einer gemeinsamen Chronik, die zum Fest im Juli erscheinen soll.

Herrsching/Breitbrunn – Im 19. Jahrhundert gab es Wichtigeres, als Protokolle zu führen und Berichte zu schreiben und sie dann auch noch zu archivieren. Aus der Gründungszeit der beiden Freiwilligen Feuerwehren Herrsching und Breitbrunn gibt es deshalb nur wenige Urkunden. Also tauchten die Feuerwehrleute mit Gemeindearchivarin Dr. Friedrike Hellerer ein in die Geschichte – und fanden doch noch eine Menge heraus. Zum Jubiläumsfest im Juli soll das Ergebnis in einer 256 Seiten umfassenden Chronik vorliegen.

1873 sind die Freiwilligen Feuerwehren in Herrsching und Breitbrunn gegründet worden – wie viele andere Freiwillige Feuerwehren im Landkreis im selben Jahr oder kurz vorher oder nachher. Einen Stress wie vor 25 Jahren, als einige Ortswehren deswegen an einem Tag auf zwei 125-Jahr-Feiern waren, soll es heuer nicht geben, wie Herrschings Vorsitzender Michael Polednik sagt. Alle feiern ein bisschen kleiner – auch Herrsching und Breitbrunn, die sogar gemeinsam feiern.

Im Gespräch mit dem Starnberger Merkur sitzen Polednik und Hellerer mit Herrschings Kommandant Daniel Pleyer (der 14. Kommandant seit 1873), seinem Breitbrunner Amtskollegen Florian Kleber (15. Kommandant seit 1873) und dem Vorsitzenden aus Breitbrunn, Stefan Feigl, an einem Tisch im Gemeindearchiv und freuen sich über die vielen Details, die in den vergangenen Monaten ans Tageslicht gekommen sind, ohne schon zu viel verraten zu wollen.

Auch einen Schockmoment habe es gegeben, der Daniel Pleyer bei seiner Erwähnung noch immer erschauern lässt – als nämlich in einem Zeitungsbericht aus dem Jahr 1873 von der Gründung der Herrschinger Feuerwehr im Jahr zuvor die Rede war. Hat Herrsching also sein Jubiläum um ein Jahr verpasst? Nein. Auf der Urkunde steht eindeutig 1873 als Gründungsjahr. „Vermutlich war die Gründungsversammlung ein Jahr vorher, aber eingetragen war die Feuerwehr noch nicht“, mutmaßt Friedrike Hellerer.

Die Feuerwehrleute hatten die Gemeindearchivarin gebeten, ihnen bei der Chronik zu helfen. Dies lag auch insofern nahe, als sich Archiv und Feuerwehr unter einem Dach befinden. Das Gemeindearchiv hat seinen Platz unterhalb der Fahrzeughalle im Keller des Feuerwehrhauses – ein Raum voller Geschichte und Geschichten und ihrer Zeugnisse, fein säuberlich in Kisten und Ordnern verstaut. Nur zur Entstehung der Ortswehren hatte auch die Historikerin keine Unterlagen. Sie machte sich also auf zur Staatsbibliothek. „So kam ich der Entstehung der Freiwilligen Feuerwehr auf die Spur“, erzählt sie begeistert.

Sie stieß auf einen königlichen Erlass aus dem Jahr 1869, der die Gründung freiwilliger Feuerwehren nach sich zog. Zwischen 1871 und 1877 gründete sich eine Feuerwehr nach der anderen. „80 Prozent aller Freiwilligen Feuerwehren“, schätzt Michael Polednik. Starnberg sei ein „Ausreißer“, denn die Wehr der Kreisstadt gibt es schon seit 1869. Alle zogen mit, denn wenn nicht freiwillig, drohte eine Pflichtfeuerwehr. „Das hätte viel zu viel gekostet“, sagt Friedrike Hellerer.

Herrsching hatte damals knapp 350 Einwohner, 59 waren Gründungsmitglieder. Breitbrunn zählte rund 200 Einwohner, davon waren 45 Gründungsmitglieder. Beide Orte hatten zu der Zeit keine große Bedeutung. In Herrsching änderte sich das schlagartig mit dem Anschluss an die Bahn 1903. Breitbrunn zog ab 1904 mit dem Mädchenpensionat, dem späteren Kloster, das Bildungsbürgertum an. Herrsching zählt heute rund 8900 Einwohner, 85 gehören der Freiwilligen Feuerwehr an. Breitbrunn hat rund 1700 Einwohner und zählt 52 aktive Feuerwehrmitglieder.

Übungen gab es in den Anfängen zweimal im Jahr, wer fehlte, musste drei Reichsmark Strafe zahlen. „Das gibt’s heute nicht mehr“, sagt Daniel Pleyer und grinst. Die Spritzenhäuschen von einst gibt es in beiden Orten auch nicht mehr. In Breitbrunn musste es der Staatsstraße weichen, in Herrsching ist das Fundament an der Brücke (Steindlgasse Ecke Andechser Straße) noch zu sehen – „und eine Treppe runter zum Kienbach, da konnte man die Schläuche waschen“, weiß Herrschings Kommandant. 1956 wurde es abgerissen. Die Spritzen aus Herrsching und Breitbrunn sind nicht erhalten, dafür steht in Herrsching noch die alte Widdersberger Spritze aus dem Jahr 1933. Die Feuerwehr dort wurde in den 1970er-Jahren aufgelöst.

Die Begeisterung für die Geschichte wächst mit jedem neuen Detail. Und Friedrike Hellerer neues Lieblingsbuch heißt: „Das Feuerlöschwesen in all seinen Theilen“. Das hat sie sich in der Staatsbibliothek kopiert und freut sich über vermeintlich alte Begrifflichkeiten wie „abprotzen“ für abhängen. „Das gibt es heute noch“, sagt Pleyer lachend. Amüsiert schauen die vier Feuerwehrleute auch auf die alten Drehleiter-Anhänger für Schiebleitern, die es bei beiden Wehren noch gibt. Alles nur mit der Hand zu bedienen. Die moderne Drehleiter in Herrsching dagegen ist mit zwölf Computern bestückt. „Mit der alten Leiter hat die Gemeinde noch die ganzen Straßenlaternen ausgewechselt“, kann sich Stefan Feigl erinnern. In den 1990ern sei das gewesen. Das weiß er deshalb so gut, weil sein Vater Heinrich „der Bauhof von Breitbrunn“ war.

Das Zuhören mach mit fortschreitender Stunde immer mehr Spaß. Und die beiden vereinseigenen Archivare Christian Saur und Thomas Bader könnten sicher noch sehr viel mehr beitragen – und werden es auch: im Juli, wenn die Chronik fertig ist. Die Vorfreude ist groß.

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