Neuorientierung Chance und Risiko zugleich

Der Klinik-Standort im Herzen Herrschings wird nicht erhalten werden können. Das Grundstück gehört dem Landkreis, die Gemeinde hat die Planungshoheit. Was ist auf dem 15000 Quadratmeter großen Gelände vorstellbar?
Herrsching – Der Neubau eines 200-Betten-Hauses am bestehenden Standort der Schindlbeck-Klinik in Herrsching ist vom Tisch. „Eine Erweiterung dort ist nicht möglich“, hatte Landrat Stefan Frey im Gespräch mit dem Starnberger Merkur erst vor wenigen Tagen öffentlich gemacht. Das hätten das Bayerische Gesundheitsministerium und der Fachplaner des Landkreises bereits Ende vergangenen Jahres abschließend geklärt. Das Ergebnis war erwartbar. Die Weiterverwertung des landkreiseigenen Grundstücks in bester Lage an der Seestraße in Herrsching verspricht einen spannenden politischen Prozess. Denn der Landkreis hat nichts zu verschenken, die Gemeinde die Planungshoheit. Der Starnberger Merkur hörte sich in Reihen des Gemeinderates um.
„Es ist noch ein ganz weiter Weg bis dahin“, sagt Herrschings Bürgermeister Christian Schiller. „Das wird wohl in die nächste Wahlperiode reinreichen“, glaubt auch Anke Rasmussen, Fraktionssprecherin der Grünen im Gemeinderat. Aber Gedanken müsse man sich zweifelsfrei frühzeitig machen. In der jüngsten Klausurtagung Ende vergangenen Jahres sei das Thema nur angeschnitten worden mit dem Hinweis, dass das Gutachten zur Bebauung des Klinikgrundstücks an der Seestraße noch nicht vorliege.
Für das Grundstück gibt es einen gültigen Bebauungsplan aus dem Jahr 2004, der eine maximal bebaubare Grundfläche von 5500 Quadratmetern auf dem circa 15 000 Quadratmeter großen Grundstück zulässt. „Das bestehende Baurecht werden wir dem Landkreis oder dem künftigen Eigentümer nicht nehmen können“, sagt Wolfgang Schneider (SPD), der auch Dritter Bürgermeister ist. Jede Verschlechterung würde die Gemeinde schadenersatzpflichtig machen. „Da können wir nicht groß mitschnabeln. Wir haben keinerlei Mitsprache“, meint er. Insofern hofft er auf eine Projektentwicklung, in die die Gemeinde einbezogen wird. Bezahlbarer Wohnraum kommt ihm dabei als Erstes in den Sinn.
„Wir wollen die Verkehrsbelastung im Ort nicht erhöhen. Das muss man auf jeden Fall berücksichtigen“, fordert Anke Rasmussen. Ihre Fraktion wünsche sich mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität an so zentraler Stelle. Wohl wissend, dass der Landkreis das Geld aus der Verwertung dringend bräuchte und dass er „mit dem Bau des Gymnasiums und der Klinik im Prinzip schon sehr viel für die Gemeinde Herrsching tut“.
Alexander Keim (FDP) spricht davon, dass es eines Gesamtkonzeptes für das komplette Ortszentrum bedürfe. Angestoßen worden sei es in der jüngsten Klausur, „so richtig zu Ende gebracht haben wir es aber noch nicht“. Er wünscht sich Visionen für Herrsching, ein Wunsch, dem lange vor ihm auch Christiane Gruber (BGH) schon geäußert hatte. Viel werde davon abhängen, ob das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) und das gute Dutzend Privatpraxen an der Seestraße blieben oder in die Nähe der neuen Klinik ziehen, sagt er.
Wie berichtet, haben sich die Projektentwickler vom Gilchinger Asto-Park 2019 die komplette Fläche der ehemaligen Heine-Opto-Technik gesichert. Genug Platz, um möglicherweise dort ein neues Medizinisches Zentrum inklusive BRK in der Nähe der neuen Klinik, die in Sichtweite an der Seefelder Straße gebaut werden soll, entstehen zu lassen. Gespräche dazu sollen dem Vernehmen nach laufen.
„Ich würde mit ganz vielen Ausrufezeichen erst mal sagen: gemach, gemach“, sagt Bürgermeister Schiller. Er erinnert an den Bahnhof, den die Gemeinde 2009 erwerben konnte. Damals wurden sogleich Pläne geschmiedet – bis heute ist nichts passiert. Ähnlich langwierig werde sich der Prozess mit dem Klinikgrundstück im Ortszentrum gestalten, glaubt er. Nur eines könne er ganz sicher sagen: „Wir werden die Fläche nicht erwerben können. Das ist finanziell nicht darstellbar.“ Was er sich wünscht, ist, dass die bestehenden Schwesternwohnheime bleiben. „Irgendwo muss das Klinik-Personal ja wohnen.“ Am liebsten würde er noch weitere auf dem Grundstück ausweisen – das müsste auch im Sinne des Landkreises sein. Ähnliches wünschte er sich auch auf dem Klinikgrundstück in Seefeld. Es wäre sehr sinnvoll, würden die Personalwohnungen gleich mitgebaut, meint auch Keim genauso wie Dr. Rainer Guggenberger für die BGH. Letzterer ist erstaunt wie viel Grünfläche auf dem Grundstück noch frei ist und findet es ganz gelungen, dass die massive Bebauung vom See aus durch die Villen gar nicht sichtbar sei. „Wir würden das gern so erhalten“, sagt Guggenberger, der in Zusammenhang mit der Neuorientierung von Chance und Risiko gleichermaßen spricht. Die Ideen, die ein Abschlussjahrgang der Baureferendare für den Freistaat Bayern für Berg entwickelt hat (wir berichteten), wünschte sich Guggenberger auch für dieses „Filetgrundstück“.
Thomas Bader, CSU-Fraktionssprecher im Herrschinger Gemeinderat, ist sicher, der Landkreis Starnberg als Eigentümer werde das Grundstück meistbietend verkaufen – müssen. „Das ist kein Wunschkonzert. Der Landkreis hat momentan auch ein finanzielles Problem.“ Eine Entscheidung miteinander würde ihn ohne Zweifel trotzdem freuen.
Bürgermeister Schiller wirft noch einen ganz anderen Gedanken in die Waagschale: die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach. „Was ist, wenn die Bundesmittel als Förderung wegfallen?“, fragt er. Der Bebauungsplan für die Klinik werde frühestens Anfang 2024 stehen. Viel Zeit, in der noch viel geschehen könne.