Institut Erling schließt

Andechs - Schon einmal war das Wieninger-Schlösschen in Erling ein Spekulationsobjekt. Das war vor 134 Jahren. Jetzt steht die Villa, die noch im Besitz des Max-Planck-Instituts ist, zum Verkauf und mit ihr das gesamte Areal. Was daraus wird, ist wieder Spekulation.
Das Max-Planck-Institut an der Von-der-Tann-Straße in Erling besteht seit Ende der 1950er Jahre, als Dependance zum 1958 offiziell eingeweihten Institut für Verhaltensforschung in Seewiesen. Erling war insbesondere Standort zur Erforschung des Orientierungsvermögens von Vögeln und der biologischen Uhr des Menschen. Mit letzterem sorgte das Institut in Erling unter der Leitung von Professor Jürgen Aschoff vor genau 50 Jahren für Schlagzeilen, als 447 Testpersonen vier Wochen in einem dafür erbauten Bunker verbrachten - abgeschirmt von der Außenwelt.
Unterdessen sind die Einrichtungen veraltet, die meisten Gebäude zugesperrt. Geblieben sind zwei Hände voll Emeriti, ältere Wissenschaftler und Mitarbeiter, die sich weiter der Aufarbeitung ihrer Forschungen widmen sowie jungen Wissenschaftlern und Doktoranden beratend zur Seite stehen. Der bekannteste ist wohl Professor Dr. Irenäus Eibl-Eibesfeld. Er entwickelte eine eigene Disziplin in der Verhaltensforschung: die Humanethologie. Der gebürtige Wiener, der in Söcking lebt, feierte im vergangenen Jahr seinen 85. Geburtstag. Auch Eibl-Eibesfeld hat noch ein Büro und sein Humanethologisches Filmarchiv in der Max-Planck-Gesellschaft in Erling, für die er seit 1956 tätig ist. Auch er ist ein Emeritus, der Material aus Jahrzehnten aufarbeitet.
Das Archiv wird bis Ende April nach Seewiesen verlagert, bestätigt Sieglinde Kermer. Sie ist Baubetreuerin der Standorte im Landkreis Starnberg und bestätigt auch, dass sich die Max-Planck-Gesellschaft von dem grob geschätzt 30 000 Quadratmeter großen Anwesen trennen will. „Die Anlagen entsprechen nicht mehr den technischen Standards“, sagt sie. Sämtliche Laboreinrichtungen seien am Campus Seewiesen untergebracht, in den in den vergangenen Jahren viel investiert worden ist. Das Erlinger Grundstück sei nurmehr „ein fantastisches Grundstück, mit dem wir aber nichts mehr anfangen können“.
Kurz vor Weihnachten wurden die in Erling verbliebenen Wissenschaftler, Mitarbeiter und Gäste - rund zehn an der Zahl - darüber informiert, dass sie ihre Forschung ab 1. April in Seewiesen fortsetzen müssen. „Größtenteils“.
Kurz vor Weihnachten hatte die Gesellschaft auch im Rathaus vorgesprochen, um für mögliche Investoren zu erfahren, was an der Von-der Tann-Straße möglich sei. „Mit der Option, Wohnungen für unsere Wissenschaftler zu Verfügung zu stellen“, sagt Sieglinde Kermer. Weder Institut noch Gesellschaft werden davon einen Gewinn haben. Verkaufserlöse fließen immer in die Bund-Land-Kommission zurück, erklärt Birgit Egen, Referentin der Geschäftsführung in Seewiesen.
„Eine künftige Bebauung geht sicher nicht ohne Bauleitplanung“, sagt Andechs’ Bürgermeisterin Anna Neppel. Deshalb will sie einer Beratung im Gemeinderat nicht vorgreifen. Erstaunt war sie, dass das alte Schlösschen, das 1862 erbaut wurde, gar nicht unter Denkmalschutz steht. Der Bestand der alten Wieninger Villa ist also nicht gesichert. „Da wäre einiges auf der Fläche zu belegen.“ Ebensowenig ist der Baumbestand gesichert. „Das Grundstück ist stark bewaldet, und wir haben keine Baumschutzverordnung“, sorgt sich Paul Trauner vom Heimatverein Erling/Andechs. Die Bäume auf dem Höhenrücken böten immer Schutz bei starkem Westwind. Freilich weiß er um die „herrliche Lage“. Grund genug, sich „große Sorgen“ zu machen um die künftige Bebauung auf dem Areal. Trauner ist gespannt, „das ist jetzt Sache der Gemeinde“. (grä)
Wieninger Schlösschen:
Erbaut wurde die Villa 1862 von Felix Christian Wieninger, dem früheren Besitzer des Klosterguts Rottenbuch und des verschwundenen Ortes Ramsee, der zwischen Erling und Herrsching lag und an den nur noch ein Gedenkstein erinnert. Viele Geschichten ranken sich um den Ort. Mit alten Steinen aus Ramsee soll auch die Villa erbaut worden sein. Schon im Juni 1863 starb Wieninger. Seine Familie lebte noch bis 1880 in dem herrschaftlichen Anwesen in Erling. 1889 erwarb Generalleutnant Rudolf Freiherr von und zu von der Tann die Villa. Dessen Frau lebte dort bis 1926.
1959 kaufte die Max-Planck-Gesellschaft Haus und Grundstück als Außenstelle des Instituts am Ess-See, dem die Gesellschaft den Namen Seewiesen als beschreibende Adresse gab. Dort war schon 1955 das Nutzungsrecht des Sees und das Gelände dazu erworben worden. (grä)