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Rolles Ferien-Bandworkshop: Rilke in vier Akkorden

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Das hat gerockt: Adrian (8), Clinton, Carlotta (8), Quirin (8), Selim (11) und Leopold (8) hatten Spaß. © Sauer

Stockdorf - Rolles Ferien-Bandworkshop macht Kinder mit anspruchsvoller Lyrik vertraut.

„Sein Blick ist vom Vorübergeh’n der Stäbe so müd geworden, dass er nicht mehr hält.“ Zum Rainer- Maria-Rilke-Gedicht „Der Panther“ hat Tommy Rolle mit hoch motivierten Kindern einen rhythmischen Song mit vier Akkorden einstudiert. Ein Versuch. Zum ersten Mal hat die Musikschule einen Sommerferien- Workshop in Stockdorf angeboten. Musiklehrer Rolle ist zufrieden. Unter den sechs Bandmitgliedern war auch Selim: Der Elfjährige stammt aus Oman. „Ich lebe in Oman, neben Jemen“, erklärt Selim in akzentfreiem Deutsch – und vollkommen selbstbewusst. Die Mutter des dunkel gelockten Buben ist Deutsche, der Vater Ägypter. Beide Eltern arbeiten am Goethe-Institut in Oman. Selim spricht daher „drei Sprachen fließend“, nämlich Deutsch, Englisch und Arabisch, erzählt der Schüler. Weil der Sohn bereits Schlagzeug spielt, war die Mutter auf den spontan anberaumten Ferien-Workshop in Stockdorf aufmerksam geworden. Seine Mama absolviert zurzeit ein Seminar am Institut für Jugendarbeit in Gauting, erzählt Selim.

„Das hat Spaß gemacht“, freut sich auch Carlotta (8). Mit ihrem Zwillingsbruder Leopold hat auch die Stockdorferin an dem zweitätigen Workshop teilgenommen. Zum Abschlusskonzert an einem der letzten heißen Augusttage formierte sich daraus die Kinderband mit dem Namen – „Die Panther“.In der Mittagsglut vor dem kleinen Amphitheater im Hof der Grundschule an der Würm war auch Clinton am Keyboard dabei. Der 33-jährige Flüchtling aus Nigeria lebt in Planegg und ist Rolle eine große Hilfe. „Ich überlege, ob ich ihm einen Praktikumsplatz in meinem Musikstudio anbiete“, sagt der Musiklehrer aus Krailling. Begeistert legen die Kinder los, klopfen rhythmisch auf Eisenstange und Brett. Im Takt des 12-Uhr-Läutens der Kirchenglocken von St. Vitus intonieren die Mädchen und Buben den Namen „Donnerstag“ – rhythmisch, stimmig. „Das ist eine Allegorie für die Hoffnungslosigkeit von Asylbewerbern“, sagt Selim ins Mikro. Danach intonieren die „Panther“ drei rhythmische Songs nach dem gleichnamigen Rilke-Gedicht von 1903. Carlotta singt die poetische, zweite Strophe ins Mikro: „Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht.“ Bandleader Tommy Rolle freut sich über das Ergebnis. Ihm ist es gelungen, mit den Kindern und seinem neuen Assistenten aus Nigeria so anspruchsvolle Lyrik zu vertonen: Wann sonst, wenn nicht als hoch motivierte Bandmitglieder, würden Kinder heute ein Rilke-Gedicht lesen?, fragt er mit Freude über diese „List“.Zum Finale drehten „Die Panther“ nochmal auf – mit Selim am Schlagzeug. Mit Schwung erhebt sich das ansteckende populäre „Bella- Ciao“-Lied, gesungen als „Servus Tschau“ zum Abschied. Für Rolle soll dies aber kein Ende sein. Der Musiklehrer will nächstes Jahr wieder einen Ferien-Bandworkshop anbieten: „Dann eventuell als Kombination von Musik und Bewegung in der Natur“ – etwa beim Pfarrweiher südlich der Gautinger Reismühle. Noch eine „List“.

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