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Gewerbeträume im Aubachtal

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Um dieses Grundstück  im Seefelder Aubachtal geht es. Die Fläche ist rund 15 Hektar groß. Die hellen Flächen kennzeichnen die Abstandsflächen zur Eichenallee, zur Kastanienallee und zum Aubach. © Googlearth

Bei der Bürgerversammlung in Hechendorf unternahm der Unternehmer Detlef Schneider einen kühnen Vorstoß: Unter Applaus entwickelte er die Vision von einem neuen Gewerbegebiet bei Gut Delling. Die Gemeinde reagiert verhalten, Naturschützer sind entsetzt.

Seefeld – Detlef Schneider, Mitgründer und -geschäftsführer von TQ Systems, ist ein Unternehmer durch und durch. Vor 25 Jahren gründete er quasi im Kuhstall auf Gut Delling seine Firma, heute zählt TQ-Systems weltweit zu den führenden Elektronik-Dienstleistern. Mit Kommunalpolitik und gemeinschaftlicher Ortsentwicklung hat er weniger im Sinn, darum fürchtet er sich auch nicht davor, bei Bürgerversammlungen ein Fass aufzumachen. Wie das mit dem neuen Gewerbegebiet bei Gut Delling.

Die Flächen für seine Firma hat Schneider von der Stadt München gepachtet, die dort rund 300 Hektar an Vorratsflächen besitzt. Auf einem insgesamt 15 Hektar großen Acker südlich des Guts könnte sich Schneider nun die Entwicklung eines Gewerbegebiets vorstellen. Die Fläche ist umsäumt von Staatsstraße 2068 und Eichenallee, der ins Aubachtal führenden Kastanienallee und dem Aubach – zum großen Teil FFH-Gebiete. Schneider schwebt daher vor, jeweils mindestens 50 Meter vom Aubach und der Kastanienallee sowie 30 Meter von der Eichenallee entfernt ein in Summe dann zehn bis zwölf Hektar großes Gewerbegebiet mit niedrigen, begrünten Gebäuden zu realisieren. „Es muss in die Landschaft passen.“ Die angesiedelten Firmen müssten sich um die Renaturierung des Aubachs kümmern, „das sollte eine Auflage sein“.

Auf die Gemeinde ist Schneider nicht so gut zu sprechen, wenn es um die Entwicklung von Gewerbeflächen geht. „Gilching wird immer reicher, die Gemeinde Inning hat ein Gewerbegebiet gemacht, sogar die Gemeinde Andechs hat das geschafft. Nur die Gemeinde Seefeld lebt vom Polster.“ Schneider fürchtet, dass die Kommune zu einem Zuschussbetrieb wird. „Wir müssen aufhören zu sagen, nur die anderen dürfen versiegeln.“ Dabei ließe sich bei Gut Delling, über den Weßlinger Kreisel und die Umfahrung bestens angebunden, sehr gut High-Tech- Gewerbe ansiedeln. „Mit Firmen, die eine absolut saubere, CO2-neutrale Technologie entwickeln wie zum Beispiel Lilium.“ Der Flugtaxi-Hersteller baue nun in Weßling eine Fertigungshalle für 500 Mitarbeiter. „Wir müssen umdenken“, findet Schneider. Die Menschen seien naiv, was den Druck und die Wucht der Entwicklung in China angehe. „Wir werden Sklaven der Chinesen.“ Das könne nicht die Lösung sein. „Und man muss bei so einer Versammlung auch mal sagen dürfen, was alle denken.“ Nicht zuletzt gehe es auch um die Reduzierung von Verkehr. „Die Menschen können vor Ort arbeiten und müssen nicht pendeln.“ Er habe nur positive Reaktionen erhalten, alle seien begeistert gewesen von der Idee.

Wenige Tage später herrscht bei dem ein oder anderen Versammlungsteilnehmer allerdings Katerstimmung. „Ich halte Herrn Schneider für einen kühnen Macher, der aus der kleinsten Firma ein führendes Unternehmen gemacht hat“, sagte Seefelds Bürgermeister Wolfram Gum gestern dem Starnberger Merkur. „Aber das ist ein Thema mit großer politischer Tragweite, über das nur gemeinschaftlich entschieden werden kann und das unbedingt in den Lenkungskreis zur Ortsentwicklung gehört.“ Gum versicherte gestern auch, dass im Gemeinderat noch nie über Schneiders Vorschlag gesprochen worden sei. „Der ist neu.“ Er habe sich bei der Bürgerversammlung in Hechendorf ein bisschen gewundert über den Vorstoß – und die Begeisterung dafür.

BVS-Gemeinderätin Johanna Senft hat Schneiders Vorpreschen in der Versammlung nicht überrascht. „Ich hatte schon privat von der Idee gehört“, sagte sie. „Aber um herauszufinden, ob Ja oder Nein, dazu haben wir die Ortsentwicklung.“ Alle müssten sich das genau anschauen, analysieren, Vorteile und Nachteile abwägen. „Wir sollten jedenfalls nicht ideologisch rangehen.“

Ortwin Gentz, Sprecher der Bürgerinitiative Eichenallee, kann Schneiders Idee nichts abgewinnen. „Es wäre eine Katastrophe für die Eichenallee und das Aubachtal.“ Es gehe um ein sehr sensibles Stück Natur, seltene Pflanzen und Vögel seien dort kartiert. „Da haben wir Grundstücke, die besser geeignet sind.“ Die beständige Flächenversiegelung in der Gemeinde Seefeld „widerspricht auch dem Koalitionsvertrag“. Dieser sähe ein Hektar pro Jahr vor. „Da muss man auch mal die Bremse reinhauen.“ Christoph Winkelkötter, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung im Landkreis Starnberg (gwt), war der Vorschlag völlig neu. „Gut Delling sticht jetzt nicht als Gewerbestandort für Neues hervor“, sagte er. „Ich glaube, wir haben bessere Standorte.“

FW-Gemeinderat Peter Schlecht hingegen sprach von einem „Standort mit gewissem Charme“. Die Umgehung für Weßling sei so gesehen „die Erschließung für Seefeld“. Nun müsse man abwarten, was bei der Ortsentwicklung aus der Idee würde. „Der Ball liegt beim Bürger.“

Planungshoheit haben die Gemeinde Seefeld und das Landratsamt. Die Fläche liegt im Landschaftsschutz.

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