Kiebitz-Kolonie in Not

Täglich könnten sie kommen: In Hechendorf warten die Naturschützer schon auf die Kiebitze, die im Aubachtal zwischen Hechendorf und Seefeld eine kleine Kolonie gegründet haben. Heuer allerdings könne es für die geschützten Zugvögel schwierig werden.
Hechendorf – Der Landwirt, der die Fläche bewirtschaftet, hat Wickroggen eingesät. Die grünen Halme stehen schon einige Zentimeter hoch. Constanze Gentz von der Bund Naturschutz-Ortsgruppe Seefeld fürchtet, dass die Kiebitze unter diesen Umständen nicht brüten können – sie brauchen dafür große, offene Bodenflächen. Mittlerweile hat sich auch die BN-Kreisgruppe eingeschaltet. Die Sache scheint verfahren.
Seit drei Jahren kümmert sich Constanze Gentz, die in direkter Nähe zu der Ackerfläche wohnt, um die kleine Kiebitz-Kolonie. Aus drei, vier Nestern wurden sieben und mehr. Der Landwirt Johann Hirschvogel bewirtschaftete den Acker entsprechend und in Kooperation mit den Naturschutzbehörden. Für seine Verluste erhielt er eine Entschädigung. Die Zusammenarbeit aber war offensichtlich stets sehr mühsam, das wird von beiden Seiten so empfunden.
Heuer schließlich hat es Hirschvogel gereicht. „Ich hab im vergangenen Jahr durch den Hagel schon Verluste gehabt. Und schließlich zehn Hektar an Pachtflächen verloren. Ich brauche die Fläche im Aubachtal für Futter für meine Rinder“, sagte er gestern dem Starnberger Merkur. Also hat Hirschvogel Wickroggen angesät. „Das habe ich aber angekündigt.“ Das Engagement der Naturschützer sieht er ohnehin kritisch: „Der Kiebitz ist schon jahrzehntelang da, auch ohne das große Tamtam.“ Immer schon sei er sehr vorsichtig um die Gelege herumgefahren. Abgesehen davon müsse er die Fruchtfolge einhalten. „Wenn ich immer Mais ansähe, kriege ich auch was zu hören.“ Er habe in den vergangenen Jahren wegen der Kiebitze Verluste erlitten, „die Entschädigung war geringer“. Bestimmt an die 30 Stunden habe er allein in Diskussionen und Telefonate und das große Hin und Her investiert. „Ich habe ihnen den Finger gereicht, und sie wollen die ganze Hand“, sagt er. Der BN habe ihm gar eine Geldstrafe von bis zu 30 000 Euro angedroht, falls er einen der Vögel mit dem Traktor erwischen würde. „Ich mag nicht mehr.“
Auch Constanze Gentz beklagt Unstimmigkeiten. „Ich hätte mir sehr einen runden Tisch mit allen Beteiligten gewünscht.“ Sie verstehe, dass Hirschvogel wegen des Rinderfutters unter Zugzwang stehe. „Aber je mehr Arten wir verlieren, desto schwieriger wird es auch für uns Menschen.“ Bei der Kolonie handele es sich um die letzte im Alpenvorland. „Und was aus den Vögeln jetzt wird, ist schwer zu sagen.“ Einzige Möglichkeit sei noch ein Flächentausch. „Darüber haben wir ganz am Anfang mal gesprochen und dann nicht mehr.“ Landwirte, die drei, vier Hektar in dem Bereich zur Verfügung hätten, bittet sie, sich bei der Bund Naturschutz-Gruppe Seefeld zu melden.
Günter Schorn, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe, kommentierte die Angelegenheit in einer Pressemitteilung. Darin erinnert er an die Vogelschutzrichtlinie im Bundesnaturschutzgesetz. Danach dürfen europäische Vogelarten nicht gestört werden. „Eine Landwirtschaft nach guter fachlicher Praxis ist erlaubt, aber bei der landwirtschaftlichen Praxis darf sich der Erhaltungszustand der lokalen Population durch die Bewirtschaftung nicht verschlechtern.“ Möglicherweise greife in Hechendorf der „Nottatbestand“, der eine behördliche Bewirtschaftsvorgabe erlaube. Schorn gibt den Ball weiter nach oben: „Die Behörden, allen voran die Höhere Naturschutzbehörde bei der Regierung von Oberbayern, sind jetzt gefragt.“