Betteln: Stadt setzt auf Konzept statt Verbot

Die Stadt Starnberg wird nun doch keine Allgemeinverfügung erlassen, die das organisierte Betteln in der Innenstadt verbietet. Die Verwaltung sieht aufgrund der bisherigen Erfahrungen dafür keine juristische Grundlage.
Starnberg – Vor drei Monaten sah alles noch eindeutig aus. Mit nur einer Gegenstimme sprach sich der Stadtrat damals für den Erlass einer Allgemeinverfügung aus, die aggressives und bandenmäßig organisiertes Betteln in der Starnberger Innenstadt verbieten sollte. Als das Thema am Montagabend wieder dem Stadtrat vorlag, war davon keine Rede mehr. Ein solcher Erlass sei „rechtlich nicht begründbar“, sagte Ordnungsamtsleiterin Kathrin Spielbauer. Eine konkrete Gefährdung durch die genannten Formen des Bettelns könne „nicht in ausreichendem Maß“ dargelegt werden.
Diese Haltung begründete die Stadtverwaltung vor allem mit Angaben der örtlichen Polizeiinspektion. Demnach seien seit 2012 lediglich neun Fälle aktenkundig geworden, nur in drei davon habe sich der Tatort im Innenstadtbereich befunden. Und bei diesen drei Vorgängen seien die Bettler den durch die Polizei ausgesprochenen Platzverweisen umgehend nachgekommen. Bei den anderen sechs Fällen habe es sich um Bettler gehandelt, die im Stadtgebiet verteilt von Haus zu Haus gezogen seien. „Aggressives Betteln fand in den letzten zehn Jahren im Innenstadtbereich nicht statt“, gab das Rathaus in der Sitzungsvorlage die Einschätzung wider.
Keine Fälle von bettelnden Kindern bekannt
Und weiter: „Es sind keine Fälle von bandenmäßigem Betteln bekannt. Es sind keine Fälle des Bettelns durch Kinder, durch vorgeschobene Gebrechen oder dem Sammeln für angeblich mildtätige Organisationen bekannt.“ Von Bettelbetrug könne also keine Rede sein. All das bräuchte es aber, um eine Allgemeinverfügung durchsetzen zu können. Betteln generell lässt sich nämlich nicht verbieten. Das so genannte stille Betteln mit einer geöffneten Hand, einem Hut, einer Büchse oder auch einem Schild auf öffentlichen Straßen und Wegen ist in Deutschland höchstrichterlich erlaubt.
Aufgrund der Fakten ist ein weitergehender Erlass nach Ansicht der Verwaltung rechtswidrig. „Die gefühlte Dunkelziffer hilft uns da nicht weiter“, sagte Bürgermeister Patrick Janik, der vor drei Monaten noch von organisierten Bettlern gesprochen hatte, die an einer Straßenecke aus einem Mercedes-Sprinter springen und dann um Geld betteln würden. Janik hatte das seinerzeit sogar ein Geschäftsmodell genannt.
Diese Beobachtung bestätigte in der Diskussion am Montag BMS-Stadtrat Stefan Kandler. Auch wenn Regelungen schwierig seien – „man kann nicht alles hinnehmen“, sagte er. Generelle Zweifel an den Zahlen der Polizei brachte Anke Henniger (FDP) vor, die im vergangenen Jahr zusammen mit Kandler und Rudolf Zirngibl (CSU) den Verbotsantrag gestellt hatte. „Mich wundert das ein bisschen“, sagte sie und führte zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit an, die aber nicht angezeigt worden seien. „Auch die City-Initiative würde sich ein deutliches Signal in Form einer Verordnung wünschen.“ Ähnlich äußerte sich Marc Fiedler (FDP), der „Lücken in der Dokumentation“ ausgemacht haben wollte. „Wir reden nicht von Menschen in sozialen Notlagen, sondern von organisierten Bettlern“, sagt er. „Das wissen wir alle.“
Platzverweise gezielter aussprechen
Anstelle einer Allgemeinverfügung setzt das Rathaus auf ein Konzept, das zusammen mit Verantwortlichen der Verkehrsüberwachung und der Polizeiinspektion zu erarbeiten ist. Es soll dazu führen, gezielter Platzverweise gegen Bettler zu erteilen, wenn die Form des Bettelns über das stille Betteln hinausgeht. Die Polizei hält Platzverweise für „ein probates Mittel, um die Bettler dauerhaft von ihrem Standort zu verweisen“. Der Stadtrat stimmte dem Vorschlag der Verwaltung einstimmig zu.