Lehrer, Ungelernte und „Schweinereien“

Das Dauerproblem Lehrermangel lässt sich so schnell nicht lösen. Auch Schulen in der Region sind mittlerweile auf Quereinsteiger angewiesen. Bayerns oberste Lehrer-Lobbyistin Simone Fleischmann besuchte jetzt den Landkreis – um in einer pointierten Rede die vielen Probleme zu benennen.
Maising – Gefragt nach Problemen in ihrer Branche, zählt Katharina Baur, Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), aus dem Stegreif vier Punkte auf: den Lehrermangel, die mangelhafte gesellschaftliche Wertschätzung des Berufs, die leidende Qualität der Schulbildung und die körperliche wie verbale Gewalt gegen Lehrkräfte von Eltern. Rund um diese Themen drehte sich auch der Neujahrsempfang des Kreisverbands im Gasthaus Ludwig in Maising.
Mit 585 Mitgliedern zählt der BLLV zu den größten Verbänden im Landkreis. Rund 50 von ihnen waren gekommen – um sich bei einem mehrgängigen Menü auszutauschen, um sich für ihre Treue und ihre Leistungen ehren zu lassen (siehe Kasten) und um der pointierten Rede einer Verbandspräsidentin im Wahlkampf-Modus zu lauschen.
Simone Fleischmann wurde zur Freude der aktiven und pensionierten Pädagogen im Saal an diesem Abend sehr deutlich. „Ich hätte mir noch vor fünf Jahren nicht vorstellen können, dass wir heute so Schule machen“, sagte die BLLV-Chefin gleich zu Beginn. Eine Anspielung darauf, dass etwa Schulleiterinnen von Grundschulen mühsam Menschen suchen müssen, „die jetzt auch unterrichten wollen“. Quereinsteiger ohne Lehramtsstudium, die wahlweise Schulassistenz-, Substitutions-, Unterstützungs- oder Drittkräfte genannt werden. Beim Pressegespräch vor dem Empfang gaben die Kreisvorsitzenden und Fleischmann offen zu: „Nicht mal wir wissen, wie die alle heißen.“
So flapsig Fleischmann formulierte, als Kritikerin engagierter Aushilfslehrer wollte sie keinesfalls verstanden werden. „Wir brauchen sie ja.“ Aber die gelernten Lehrerinnen und Lehrer müssten die ungelernten eben anlernen, deren Fragen beantworten, ihre Klassenzimmer verlassen, um in einem anderen Zimmer ein Problem zu lösen. „Ist das wertschätzend für uns?“, fragte Fleischmann immer wieder rhetorisch.
Das traurige Fazit der mannigfaltigen Probleme, aus dem Mund der Kreisvorsitzenden Katharina Baur, die an der Mittelschule Starnberg unterrichtet, klingt es so: „Uns fehlt die Zeit am Kind.“ Bis 2035 fehlen jährlich deutschlandweit rund 1600 Lehrkräfte. Neben dieser Schätzung präsentierte ein Beratergremium der Kultusministerkonferenz kürzlich auch Maßnahmen gegen den Lehrermangel. Die Quintessenz: Sie sollen mehr arbeiten. Die Vorschläge im einzelnen: Lehrkräfte aus dem Ruhestand holen, Unterrichtsstunden befristet erhöhen, Auslandsabschlüsse leichter anerkennen, größere Klassen bilden, Teilzeitarbeit begrenzen. „Schweinereien vor dem Herrn, die wir in keiner Weise tolerieren“, nannte Fleischmann die Vorschläge.
Gerade auf einen Punkt reagieren die Verbandsverantwortlichen allergisch. Es ist auch ein für den Raum Starnberg typisches Phänomen, das Schulamtsdirektorin Karin Huber-Weinberger im Starnberger Merkur vor einem Jahr so beschrieb: „Viele Frauen arbeiten in Teilzeit, unterrichten nur sechs, acht oder zehn Stunden, weil es in ihrer Familie wirtschaftlich möglich ist.“ Bei solchen Aussagen schwinge das Vorurteil mit, diese Frauen seien faul. Allerdings gebe es hierzulande eben viele Familien mit der klassischen Rollenverteilung, in denen die Frauen die „Care-Arbeit“ verrichteten, sagte Fleischmann gegenüber dem Starnberger Merkur. Und in Baden-Württemberg sei die Einschränkung der Teilzeitmodelle nach hinten losgegangen. Dies sei auch im Fünfseenland gut möglich, so die Präsidentin: „Es gibt sicher Frauen, die sagen: Dann halt gar nicht mehr.“ Zumindest die, die es sich leisten können.
Nur negativ waren Fleischmanns Ausführungen in Maising aber nicht. Dass der Lehrermangel von Gesellschaft und Politik endlich anerkannt sei und nicht mehr geleugnet werde, sei schon mal gut. Und dass bald alle Lehrer das gleiche Einstiegsgehalt bekommen sollen, auch.