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„Schicksalstag der Deutschen“: Kundgebung am Starnberger Kirchplatz fällt aus - aber es gibt eine Alternative

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Von: Katja Brenner

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Der Kirchplatz bleibt heuer leer: Rainer Hange vom „Starnberger Dialog“ hatte alle Genehmigungen und Zusagen in der Tasche, doch die Kundgebung zum 9. November sagte er dann doch wegen Corona ab.
Der Kirchplatz bleibt heuer leer: Rainer Hange vom „Starnberger Dialog“ hatte alle Genehmigungen und Zusagen in der Tasche, doch die Kundgebung zum 9. November sagte er dann doch wegen Corona ab. © Andrea Jaksch

Die Kundgebung zum Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus am 9. November fällt aus. Statt auf dem Kirchplatz gibt es ein digitales Treffen. Rainer Hange, Organisator der abgesagten Demo, im Interview.

Starnberg – Der Starnberger Dialog ist ein überparteilicher Zusammenschluss für friedliches Zusammenleben in Stadt und im Landkreis Starnberg und wurde am Tag der Deutschen Einheit vor vier Jahren gegründet. Zweimal jährlich organisiert das Bündnis gegen Rassismus, Rechtsradikalismus, Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit Gedenkveranstaltungen, Ende April an den Todesmarsch der KZ-Häftlinge und am 9. November, um am Jahrestag der Reichspogromnacht an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Wegen der aktuellen Corona-Entwicklungen hat Organisator und Versammlungsleiter Rainer Hange die schon genehmigte Demonstration auf dem Starnberger Kirchplatz abgesagt. Der Starnberger Merkur hat mit ihm darüber gesprochen, wie es beim Starnberger Dialog weitergeht.

Warum haben Sie den Starnberger Dialog ins Leben gerufen?

Ich bin seit 2012 aktiv beim Gedenken an den Todesmarsch der KZ-Häftlinge und habe eine Bürgerinitiative gegründet. Im Würmtal gab es das ja schon, aber in Gauting war Schluss mit dem Gedenkmarsch. Die Häftlinge sind aber auch durch Starnberg gekommen. Ich habe mich daher viel mit Pfarrer Stefan Koch, Kerstin Täubner-Benicke, Martina Neubauer und Sissi Fuchsenberger unterhalten. Wir wollten ein Netzwerk schaffen, nicht nur für Starnberg, sondern für den gesamten Landkreis.

Am 9. November wollten Sie auf dem Kirchplatz der Opfer des Nationalsozialismus gedenken.

Wir machen das immer am 9. November, dem Schicksalstag der Deutschen. An diesem Tag war ja nicht nur die Reichspogromnacht, sondern auch der Hitler-Putsch oder die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze. Ich hatte die Genehmigung von der Stadt schon, dass wir unser Gedenken mit Maske und Abstand abhalten können. Wegen der hohen Infektionszahlen haben wir das jetzt abgesagt.

Was bedeutet das für Sie?

Das ist nicht nur wegen der vielen Vorbereitungen schade. Ich bin Jahrgang 1941 und habe als Kind in Berlin die Schrecken des Krieges noch miterlebt. Ich werde in diesem Monat 79 Jahre alt und weiß nicht, wie oft ich noch dabei sein kann. Vor Ort, mit Lichtern in der Hand auf dem Kirchplatz stehen, das ist schon jedes Mal ergreifend. Das fehlt einem.

Warum ist es wichtig, dass man solche Demonstrationen veranstaltet?

In erster Linie machen wir das für die jüngere Generation. Die Erinnerung an die schrecklichen Zeiten, die wir im Nationalsozialismus erlebt haben, muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen, das ist mir ein Anliegen. Das Gedenken auf dem Kirchplatz ist wichtig, denn die schmerzhaften Erfahrungen unserer Geschichte sind für uns Mahnung und Auftrag zugleich. Mit Blick auf Hass und Terror wollen wir den jungen Menschen damit zeigen: Passt auf! Die Demokratie ist so wertvoll, man muss sie verteidigen!

Wie geht es jetzt beim Starnberger Dialog weiter?

Wir machen die Kundgebung nun als Videokonferenz, und jeder kann am Computer oder Smartphone teilnehmen. Im Mai haben wir schon etwas Ähnliches mit Musik und Wortbeiträgen gemacht, da das Gedenken an den Todesmarsch wegen Corona nicht in gewohnter Form stattfinden konnte. Das Video haben sich über 6000 Menschen angesehen. Zu unseren Gedenkveranstaltungen kommen hingegen meist zwischen 50 und 100 Menschen.

Und danach?

Konkret ist in nächster Zeit noch nichts geplant. Wir werden aber auf jeden Fall unsere Idee weiterbringen, das friedliche Zusammenleben der Religionen fördern, den Dialog suchen. Wir greifen vieles auch spontan auf, wenn es um die Verteidigung der Demokratie geht, um Rassismus und Antisemitismus. Nächstes Jahr am 27. April möchte ich auf jeden Fall dabei sein, wenn am Mahnmal am Landratsamt des Todesmarsches gedacht wird – sofern man es denn kann.

So funktioniert die Video-Kundgebung

Die Kundgebung des „Starnberger Dialogs“ zum 9. November findet heute wegen Corona als Videokonferenz statt. „Die Grußworte halten der Erste Bürgermeister von Starnberg, Herr Patrick Janik, und Herr Landrat Stefan Frey. Frau Dr. Friederike Hellerer spricht über die Verfolgung von Jüdinnen und Juden in unserem Landkreis während der NS-Zeit“, kündigt Kerstin Täubner-Benicke an. Den Link zur Videoplattform finden Interessierte auf www.starnberger-dialog.de. Beginn ist um 17.30 Uhr; der Raum ist bereits ab 17.15 Uhr geöffnet. Man müsse nicht mit Bild und Ton teilnehmen; wer das tut, ist selbst zu sehen. Es werde aber keine Aufzeichnung geben, erklärte Täubner-Benicke. Screenshots sind untersagt. Vorher aufgezeichnete Beiträge sind ab Montagabend zu sehen. 

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