„Der Landkreis steht für den Frieden“

Rund 100 Menschen haben am Sonntagabend in Starnberg sowohl des 100. Jahrestages des Waffenstillstands am Ende des Ersten Weltkriegs als auch der Revolution und der Pogromnacht von 1938 gedacht. Aus den Reden war eines deutlich herauszuhören: die Furcht, dass sich Geschichte wiederholen könnte.
Starnberg – Der Starnberger Dialog hatte seine jährliche Gedenk- und Mahnveranstaltung heuer wegen des Jahrestages auf den 11. November gelegt. 100 Jahre, sagte Starnbergs Bürgermeisterin Eva John, seien zwar eine lange Zeit, aber die Nachwirkungen des Ersten Weltkriegs seien bis heute spürbar. Das schlimmste Übel sei die Schwäche des Guten, mahnte sie in Anlehnung an den Schriftsteller Romain Rolland, seien Gleichgültigkeit und Gewohnheit. Wenn eine Mehrheit Ausgrenzung, Hetze, Verleumdung oder eine Politik der Angst normal finde, bestehe Gefahr. Der Grat zu einer Rückkehr der Vergangenheit sei schmaler geworden als viele dächten: „Gebt dem Ungeist keine Plattform“, appellierte John. „Starnberg ist bunt und tolerant, und so soll es auch bleiben.“
Landrat Karl Roth zog Parallelen zwischen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und heute. Er erinnerte an die Bündnispolitik von damals, die Unfähigkeit der Staaten, eigene Interessen zurückzustecken, an Rivalitäten. „Kommt Ihnen das bekannt vor?“, fragte er bei der Abschlusskundgebung auf dem Kirchplatz. Alarmierend sei, dass Hetze und Hass in Teilen Deutschland aufflammten, dass in Europa nationale Interessen eine größere Rolle spielten. „Der Frieden ist vielleicht zu selbstverständlich geworden“, mahnte Roth. Er forderte zur Stärkung Europas auf und betonte: „Der Landkreis steht gegen Hass und für den Frieden.“
„Nie wieder“ allein reicht nicht
Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, seit jeher eine Rednerin bei den Gedenkveranstaltungen, warnte eindringlich vor der AfD, ohne diese beim Namen zu nennen. Jeder, der diese Partei auch nur aus einem Prostestgedanken heraus starkmache, übernehme eine Mitverantwortung für die Folgen. „Deswegen ist Mahnung so wichtig“, sagte sie und vermutet einen Plan hinter dem Auftreten entsprechender Gruppierungen in Europa. Beim UN-Migrationspakt werde „mit Falschnachrichten um sich geworfen“, denen man Fakten entgegensetzen müsse. Es reiche heute nicht mehr, „Nie wieder“ zu sagen. Die Weltpolitik macht der Feldafingerin Sorgen, etwa, dass die USA unter Präsident Trump ein Abrüstungsabkommen kündigen wollten.
Erstmals bei einer Veranstaltung des Starnberger Dialogs sprach Angelika Galata, Vorsitzende der Freunde von Dinard. Der Erste Weltkrieg werde in Frankreich immer als der „große Krieg“ bezeichnet, an dessen Ende Hass auf beiden Seiten gestanden habe, den man sich nicht mehr vorstellen könne. Heute sei Frankreich der beste Partner Deutschlands in Europa, was Konrad Adenauer und Charles de Gaulle zu verdanken sei und dem Bemühen um Verständigung und persönliche Begegnungen, etwa durch Städtepartnerschaften wie jene zwischen Starnberg und Dinard. Deswegen hob sie hervor: „Es lebe der Frieden.“
Selbstkritisch zeigte sich Martina Neubauer vom Starnberger Dialog. Es zeige sich, dass die Menschen den Diskurs auf allen Ebenen wünschten – „das gelingt nicht immer, auch in Starnberg nicht“. Der Dialog sei auch gegen Ausgrenzung angetreten; in Starnberg ringe man noch darum. Das war eine Anspielung auf den teils heftigen, auch persönlichen Streit in der Stadtpolitik.
In der Friedenskirche hatten die beiden Pfarrer Dr. Andreas Jall und Dr. Stefan Koch, Rainer Hange, Elisabeth Fuchsenberger und Kerstin Täubner-Benicke zuvor den Tag historisch eingeordnet. Koch blickte auf die Ereignisse des 11. November 1918 in Starnberg, Innsbruck, Paris oder Pasewalk – dort lag Adolf Hitler zu dieser Zeit im Lazarett. Der Waffenstillstand und dessen Bedingungen hätten ihn erst zum Politiker gemacht, heißt es. Der Erste Weltkrieg sei, wie Historiker meinen, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts gewesen.