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Interessierte zahlen 5500 Euro für Traumhaus-Reservierung in Starnberg - und erleben böse Überraschung

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Von: Tobias Gmach

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Vom Traumhaus zum Albtraum: Mit diesem Exposé bewarben die Betrüger die Immobilie. Der Preis ist verdächtig günstig.
Vom Traumhaus zum Albtraum: Mit diesem Exposé bewarben die Betrüger die Immobilie. Der Preis ist verdächtig günstig. © privat

Ein Haus in Starnberg wird online zum Verkauf angeboten – mit echten Fotos und passender Adresse dazu. Das Haus exisitert. Zum Verkauf steht es allerdings nicht. Jetzt ermittelt die Polizei.

Starnberg – 1,57 Millionen Euro für ein 7-Zimmer-Traumhaus mit Südlage im Grünen. Tatsächlich muss man sagen: Für Starnberg ist das ein Schnäppchen. Das Etablissement ist knapp eine Million Euro günstiger als der Durchschnittspreis für ein Einfamilienhaus laut dem jüngsten Kreis-Immobilienmarktbericht vom Juli 2020. Aber das verlockende Angebot, das sich wer weiß wie viele Menschen in den vergangenen Wochen schicken ließen, gibt es in Wahrheit nicht. Es ist gefälscht, nur eine Masche von Betrügern, die sich im überhitzten Markt Reservierungskautionen erschleichen wollen und in mindestens einem Fall erfolgreich waren. All das spielte sich hinter dem Rücken der echten Eigentümer und Mieter ab.

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Ein Paar aus dem Landkreis, das sich zunächst für das Haus interessierte, ließ dem Starnberger Merkur den kompletten E-Mail-Verkehr mit einer angeblichen Eigentümerin und einer Maklerin zukommen. Inklusive des Exposés mit Grundrissen, einem Foto vom Garten, einem vom Haus und 16 von den Innenräumen. Das Paar fand das „Traumhaus“ auf dem als seriös geltenden Portal Immobilienscout24, dem führenden Online-Marktplatz in Deutschland. Auf Anfrage bekamen die beiden eine Geschichte aufgetischt, die ihnen zunächst glaubhaft erschien. Eine Frau mit Web.de-Adresse schrieb, sie sei nach der Pensionierung mit ihrem Mann in die Niederlande gezogen – „um ein entspannteres Leben zu führen und unseren Kindern näher zu sein. Wir reisen daher nur, wenn es unbedingt notwendig ist, seit der Corona-Problematik“. Das Haus sei „ein Investitionsobjekt“ und zuletzt vermietet gewesen. Die Frau weiter: „Aufgrund der großen Entfernung seit dem Umzug ist es zu kompliziert, das Haus und die Vermietung weiter zu verwalten. Daher haben wir uns entschieden, dass es besser ist, das Haus zu verkaufen...“ Es sei sofort verfügbar. Und: „Wir haben die Maklergebühr bereits bezahlt, daher entstehen für den Käufer keine weiteren Maklergebühren.“

Märchen vom Umzug nach Holland aufgetischt

Mit der angeblichen Maklerin sollte das Paar den Rest klären. Es sei besser, mit ihr auf Englisch zu kommunizieren, für die Besichtigung könne aber auch ein Übersetzer organisiert werden. Das Wesentliche der folgenden, langen englischen Nachricht der Maklerin: Für ein exklusives Kaufrecht, das 90 Tage gelte, sei ein „warranty deposit“, also eine Reservierungskaution nötig. 0,35 Prozent des Kaufpreises, also 5495 Euro. Nur „um das Interesse zu prüfen“, hieß es. Das Paar gehe keine Verpflichtung ein und bekomme das Geld innerhalb von 24 Stunden zurück, sollte es sich nicht mehr für das Haus interessieren. Die Interessenten betonten aber mehrfach, dass sie das Objekt erst besichtigen möchten, bevor sie Geld überweisen. Weil die Maklerin aber auf die Kaution bestand, mailte das Paar schlussendlich: „Wir fangen an zu glauben, dass das Ganze hier Betrug ist.“ Danach hörten die beiden nichts mehr.

Wie viele Menschen auf das Lockangebot reinfielen, müssen nun Ermittlungen zeigen. Ein Fall ist der Starnberger Polizei wegen einer aktuellen Anzeige bekannt. „Es ist Geld geflossen“, sagt Fritz Kaiser, Leiter des Ermittlungsdiensts, und nennt den passenden Betrag: 5495 Euro. Weil die Betrüger ein deutsches Bankkonto angaben, gebe es Ermittlungsansätze. Die Polizei arbeite in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft.

Bank kriegt Besuch von BaFin-Sonderprüfer

Im übereinstimmenden Fall, der dem Merkur vorliegt, wurde eine Bank mit Sitz in Berlin genannt. Deren Konten werden aktuellen Medienberichten zufolge vermehrt von Betrügern missbraucht. Die Bundesfinanzaufsicht BaFin schickte der Bank demnach kürzlich einen Sonderprüfer ins Haus. Die Staatsanwaltschaft München II dürfte nun auch Kontakt mit der Bank aufnehmen – um herauszufinden, wohin das Geld geflossen ist. „Es wird meistens sehr schnell weiter ins Ausland transferiert, auch per Bitcoin“, sagt Polizist Kaiser.

Vier- oder fünfmal pro Jahr registriere die Starnberger Polizei solche Fälle. Daher weiß der Leiter des Ermittlungsdienstes auch, dass die Internetseiten der angeblichen Immobilien-Agenturen oft „gut nachgebaut“ sind. Im Starnberger Fall meldete sich die Maklerin als Mitarbeiterin eines Unternehmens namens „Redustay Real Estate“ Wer Redustay googelt, findet direkt unter der Homepage Betrugsdetektor-Seiten und einen Link zur Cybercrime-Abteilung der Kantonspolizei Zürch. Dort taucht redustay.com in einer Liste mit vielen betrügerischen Immobilien-Plattformen auf – gemeldet am 1. Februar. Außerdem ist die Masche dort detailliert beschrieben. Der beispielhaft präsentierte E-Mail-Verkehr, in dem es um ein Objekt in Zürich ging, gleicht dem des Starnberger Falls inhaltlich in weiten Teilen, stellenweise sogar im Wortlaut. Auch wenn hier die Rede von einer Firma „RE-Property“ ist.

Immobilien-Abzocke in Starnberg: Polizei erreichte eine weitere Anzeige

Wer darauf getrimmt ist, merkt schnell, dass die Homepage redustay.com widersprüchlich ist: Im Firmenprofil wird suggeriert, der Hauptsitz sei in Großbritannien. Auf der Kontaktseite ist zwar eine Google-Karte von London zu sehen, aber keine Adresse – dafür eine Telefonnummer mit Schweizer Vorwahl und andere Adressen von angeblichen Büros in Holland, Belgien, Spanien, Portugal und der Schweiz.

Vor Ort in Starnberg ließ sich der Schwindel etwas einfacher aufklären. Der Merkur erreichte den Mieter des Hauses am Telefon. „Es ist nicht zu verkaufen“, sagte er äußerst verwundert. Später ließ er das auch von den Eigentümern ausrichten, die auf eine Gesprächsanfrage des Merkur nicht reagierten. Der Mieter berichtete, er sei erst im Herbst 2021 eingezogen. An das Haus sei er mit seiner Familie über ein Online-Portal gekommen. Dort müssen sich auch die Betrüger bedient und die echten Fotos für das Exposé runterkopiert haben.

Die Bilder und das Haus sind übrigens noch immer woanders im Internet zu finden – nicht zum Verkaufen, sondern zum Mieten. Und die Polizei erreichte zuletzt eine weitere Anzeige, der Fall spielt ebenfalls in Starnberg. Hier sei eine Reservierungsgebühr bezahlt worden, um sich ein Mietobjekt zu sichern. Laut Fritz Kaiser waren es immerhin „nur“ etwas mehr als 1000 Euro.

Online-Betrug-Prävention bei der bayerischen Polizei

Infos und Verhaltenstipps zum Thema Betrug im Internet gibt das Bayerische Landeskriminalamt.

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