Mundschutz wegen Coronavirus ausverkauft: Apotheker und Ärzte warnen vor „Hysterie“

Der Coronavirus-Fall bei Webasto in Stockdorf schreckt viele Menschen im Landkreis Starnberg auf. Die Mundschutzmasken sind ausverkauft. Apotheker und Ärzte mahnen zur Beruhigung.
Landkreis – Im Minutentakt öffnet sich die automatische Tür zur Olympia-Apotheke in Starnberg. Herein kommt auch Jutta Kugler. Die 77-Jährige spricht kurz mit Inhaberin Edeltraud Priller und lässt sich eine kleine, rechteckige Packung geben. Darin: sechs Mund- und Nasenmasken. Drauf steht: „Ein Plus an Sicherheit.“ Für Kugler ist der Kauf eine Vorsichtsmaßnahme – „damit ich eine habe, wenn’s wäre“, sagt sie.
Der Masken-Verkauf bestimmte am Dienstag das Geschehen in den Apotheken des Landkreises. Die Nachricht von dem mit einem Coronavirus infizierten Webasto-Mitarbeiter hat viele Bürger aufgeschreckt. „Wir hätten am Vormittag 30 Packungen verkaufen können“, sagt die Starnberger Apothekerin Priller. Das Problem war nur: Bei sämtlichen Großhändlern waren die Masken ausverkauft. Mit etwas Glück bekam die Olympia-Apotheke dann doch noch ein paar Stück mit der Mittagslieferung. Für ein kurzes Zeitfenster seien die Masken bei einem Online-Versand bestellbar gewesen, berichtet Priller. „Zwei Minuten später aber schon wieder nicht mehr.“ Sie erzählt außerdem, dass fast jeder zweite Kunde wegen des Coronavirusfalls aus Stockdorf nach Mundschutzmasken frage – und auch nach Desinfektionsmitteln.
Verstehen kann die Apothekerin den Griff zur Maske nicht ganz: „Man muss jetzt nicht hysterisch werden.“ Es gelte, sich wie in Grippezeiten üblich zu verhalten: die Hände häufig waschen und so wenig wie mögliche davon schütteln, niemanden anhusten und eine gewisse Distanz zum Gegenüber wahren. „Wenn man sich so verhält, ist der Mundschutz auch nicht nötig“, sagt Priller.
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Viel Trubel in den Stockdorfer Apotheken
Viel Trubel herrscht an diesem Dienstag auch in den Stockdorfer Apotheken nahe des Webasto-Firmensitzes. „Unruhe und Panik“ nimmt Susanne Werndl wahr. Die Filialleiterin der Bienen-Apotheke sagt: „Viele haben die Sorge, dass eine Infektion bedrohlich sein könnte.“ Etwas ruhiger hätten die Webasto-Mitarbeiter gewirkt, die vorbeikamen. „Die sind wohl gut informiert und aufgeklärt“, vermutet Werndl. Aufklärungsarbeit betreibt auch sie: „Wir beruhigen die Leute und stellen Relationen dar. Die Influenza-Fallzahlen sind ja viel gravierender.“
In der Stockdorfer Katharinen-Apotheke geben sich Kunden und Kamerateams die Klinke in die Hand. Kurz vor Mittag fährt ein elegant gekleideter Chinese Mitte 30 in seiner Limousine vor: Der Webasto-Mitarbeiter wirkt verzweifelt, weil alle Mundschutzmasken bis auf Weiteres ausverkauft sind. „Nein“, er habe keine Angst vor dem Coronavirus, betont er auf Nachfrage. „Ich werde noch berühmt“, scherzt Apothekerin und Heilpraktikerin Elisabeth Zehetbauer angesichts des Medienrummels.
Wegen des stürmischen Wetters, aber auch aus Angst vor Ansteckung trauten sich manche Stockdorfer nicht mehr vor die Tür, sagt Zehetbauer. Sie bekomme darum auch telefonische Anfragen, wie man sich schützen kann. Seit Montagnachmittag seien die Masken im Großhandel ausverkauft. „Wir haben schon nachbestellt. Aber frühestens ab 9. Februar werde nachgeliefert. Auf der Theke stehen Desinfektionsfläschchen, selbst hergestellte desinfizierende Nelke-Zimt-Bonbons und Mundgel parat“, sagt Zehetbauer. Vor allem S-Bahn-Fahrgäste sollten sich schützen.
Ärzte haben Infos aus erster Hand
Infos aus erster Hand zu dem Virus aus China erhalten Hausärztinnen wie Dr. Felizitas Leitner aus Weßling. Mehrere E-Mails mit Verhaltensanweisungen – unter anderem vom Gesundheitsamt und einem Berufsverband – seien bei ihr vergangene Woche eingegangen. Leitner erklärt: „Auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist: Wir müssen verhindern, dass Infizierte in die Praxis kommen.“ Wer derzeit telefonisch um einen Termin bittet, werde zum Beispiel gefragt, ob und wo er zuletzt im Ausland war. Masken liegen auch in der Weßlinger Praxis bereit – wobei Leitner klarstellt: „Ein Mundschutz ist dafür da, dass Kranke niemanden anstecken – und nicht zum Selbstschutz.“ Ein entfernter Bekannter des infizierten Webasto-Mitarbeiters habe sich bei Leitner erkundigt, wie er sich schützen kann.
Vor der Stockdorfer Grundschule wartet Nicole Meise auf ihre Tochter. „Das fühlt sich schon komisch an, dass der erste Coronavirusfall ausgerechnet in Stockdorf ist“, sagt sie. „Einen Kopf machen“ will sie sich deshalb aber nicht. Ihre 76-jährige Mutter jedoch, die zum achten Geburtstag der Enkelin aus Hessen anreisen wollte, will erst mal abwarten.
Tobias Gmach und Christine Cless-Wesle
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