Fesselnd bis zum Schluss

Mit der Inszenierung von „Medea“ hat „Oper in Starnberg“ unter der künstlerischen Leitung von Andreas Schlegel eine viel umjubelte Premiere gefeiert.
Starnberg – Was für eine Premiere von Cherubinis „Medea“ im Rahmen der „Oper in Starnberg“: Ungeteilt positiv sind der musikalische Schwung und die Kraft und Eleganz der Stimmen. Sehr gut unterstützt die ansteigende Bestuhlung in der Schlossberghalle Sicht und Akustik. Nur die moderne Kleidung von männlichen Darstellern und Chor passt nicht so ganz zur griechischen Götterwelt. Die französisch gesungene „Medea“ in der Inszenierung von Ada Ramzews könnte auch die Bühnenfassung eines fantastisch ausgebauten „Frankreich-Tatorts“ sein, mit dem Anzug tragenden Jason als soigniertem Mittfünfziger in einem Herrenhaus.
Auf der Bühne verstreut liegen Schwarzweiß-Fotos aus früheren Zeiten. In den Gesichtern der Betrachter lösen sie beredte Emotionen aus: fantastisch sprechende Blickbeziehungen, die so deutlich sind, als hätte man Untertitel.
Die (von Luigi Cherubini nicht vorgesehene) Eingangsszene indes ist beklemmend, wohl Medeas „Zuhause“: dunkel sich schleppende Gestalten, geflüsterte Worte – viel Schauspiel und viel Spannung. Im Kontrast dazu ist die Tagwelt der jungen Dircé (Yuna-Maria Schmidt). Sie ist dem Jason versprochen. In fantastisch strahlendem Sopran koloriert die widerwillige Braut ihre Bedenken, kraftvoll singend treiben zwei Zofen (Katharina S. Heißenhuber und Silvia Aurea De Stefano) die Sorgen aus. Der „Projektchor Oper in Starnberg“ übernimmt farbigen Gesang und schlüssig auch Teile der Bühnenbild-Variationen.
Überraschend deutlich meldet sich von ganz hinten das „Orchester Oper in Starnberg“ (Leitung Andreas Schlegel), stimmlich fallweise assistiert vom Vokalensemble Fünfseenland. Mit feinen Ouvertüren zu jedem Handlungsabschnitt, entfernt an Haydn erinnernd, besonders aber durch die gelenkige Begleitung der Arien, wird der musikalische Genuss perfekt.
Die Dramatik fokussiert sich mittlerweile auf die Trauung: Jason (schmeichelnd: Jason Papowitz) muss das Blaue vom Himmel versprechen, Brautvater Créon (bestimmend: Timon Führ) muss sonore Beruhigungen singen, um die umwerfend vor Angst bebende Dircé in den Ehestand zu führen. Die etwas statischen Anfangs-Aufzüge werden effektiv durch die bewegten Tische belebt. Umgedreht werden sie zu Säulengängen, quer gestellt symbolisieren sie Mauern, Abwehr oder Schutz. Dieser ist auch nötig, denn nun tritt Medea in den Ring, die Mutter der erstgeborenen Söhne Jasons.
Die grandios changierenden Arien zwischen rachsüchtiger Ex-Frau und liebender Mutter hauen von der blendend schönen Stimmführung der Marieke Wikesjo ebenso um wie vom emotionalen Gehalt – als Zuckerl überzeichnet die Starnberger Bühnendiva das Französisch sogar zur Verstehbarkeit. Das zunehmende psychopathische Knistern steigert Medeas Begleiterin Néris (Mezzo: Solgerd Isalv), die mit flackernden Augen ihrer Herrin treue Dienste schwört, dennoch aber Mitleid für die Kinder hegt. Tatsächlich ist diese geglückte Inszenierung ein vollgültiger Krimi, denn wir wissen ja: Die grausamsten Handlungen entstehen aus Beziehungstaten. Das Publikum bleibt gefesselt bis zuletzt: tosender Applaus.
Weitere Aufführung an diesem Sonntag, 8. Juli, um 18 Uhr in der Schlossberghalle. Karten zwischen 25 und 35 Euro (ermäßigt 10 bis 20 Euro) gibt’s an der Abendkasse.
Von Andreas Bretting