Schützen fühlen sich an die Wand gestellt

Das deutsche Waffengesetz soll evaluiert und verschärft werden – diese Pläne der Bundesregierung sorgen bei vielen Schützenvereinen für Verunsicherung. Am Mittwochabend stellte sich die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge ihren Fragen.
Landkreis – Nach dem Amoklauf vom 9. März in Hamburg mit acht Toten diskutieren die Parteien der Ampelkoalition das deutsche Waffengesetz, das jetzt schon das strengste in der EU ist. SPD und Grüne möchten es weiter verschärfen. „Doch der Prozess wird von Christian Lindner blockiert“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge am Mittwochabend in einer Online-Diskussionsrunde mit Vertretern von Schützenvereinen über den FDP-Vorsitzenden und Bundesfinanzminister. Wegge gehört in Berlin dem Innenausschuss an und ist Berichterstatterin der SPD-Fraktion für das Waffenrecht. In der Diskussionsrunde sammelte sie Impulse für die Diskussion in Berlin. Die bekam sie. Der Schützengau Starnberg zählt rund 50 Vereine mit etwa 3800 Mitgliedern.
Diese Änderungenwerden diskutiert
Wie Carmen Wegge den 18 Zuhörerinnen und Zuhörern erklärte, soll nach dem neuen Gesetzentwurf bei jedem, der eine Waffenbesitzkarte beantragt, eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) verpflichtend werden. Derzeit ist diese Prüfung nur für Menschen unter 25 Jahren vorgesehen. Geplant ist auch eine Art Frühwarnsystem der Behörden bei verdächtigen Personen, die möglicherweise in Waffenbesitz sind. Kriegswaffenähnliche halbautomatische Waffen für Privatleute sollen verboten sein.
Für den Besitz einer Armbrust oder einer Schreckschusspistole soll künftig der sogenannte kleine Waffenschein erforderlich werden. Für die Schießstätten der Schützenvereine ist laut Wegge ebenfalls „eine Regulierung“ vorgesehen, nachdem aufgeflogene Terrorgruppen diese wohl für Trainings genutzt hatten. Gründe für die Verschärfungen: Verhaltensauffällige Menschen sollen von Beginn an vom Waffenbesitz ausgeschlossen werden. Die Verbreitung von kriegswaffenähnlichen Schusswaffen soll verhindert werden. Sicherheitsbehörden sehen da bereits ein Problem – rund 60 000 Stück sollen sich in Privatbesitz befinden.
Das kritisierendie Schützen
In der Online-Runde saß unter anderem Christian Kühn aus Olching, Vorsitzender des bayerischen Sportschützenbundes, mit mehr als 470 000 Mitgliedern. Er sah im illegalen Waffenhandel ein viel größeres Problem – und in überforderten Behörden: „Sie sind teilweise schlecht besetzt, schlecht ausgebildet, schlecht vernetzt. Digitalisierung ist ein Fremdwort“, kritisierte Kühn. Er verweigere sich nicht der Diskussion, sagte Kühn. Aber man müsse schon unterscheiden, beispielsweise beim Thema Armbrust: „Dann muss das auch für den Wurfspeer aus der Leichtathletik gelten.“ Er sei so gesehen froh, dass die FDP den Entwurf blockiere. „Weil mir die Diskussion fehlt.“ Es habe mehrere Anläufe der Schützenverbände gegeben, mit Innenministerin Nancy Faeser zu sprechen. Bei den zwei, drei Terminen sei es aber nie in die Tiefe gegangen,
Jakob Steiner, Schützenmeister der Königlich privilegierten Feuerschützengesellschaft Dießen, erinnerte daran, dass der Amoktäter von Hamburg Mitglied in einer sogenannten Gun-Club-GmbH gewesen sei, und nicht in einem Verein. „Das ist ein rein wirtschaftliches Unternehmen.“ Das Bedürfnisrecht für eine Waffe sei in Bayern streng geregelt. „Das ist ein kompliziertes Verfahren, bis man eine Waffenbesitzkarte beantragen kann. Das muss man mal formulieren“, sagte Steiner.
Gilbert Daniel, Schützenmeister der Feuerschützengesellschaft Landsberg, hatte Probleme mit dem psychologischen Gutachten: „Da kann ich nicht mit leben.“ Alle müssten dies dann vorlegen, auch wenn sie nur zur Probe auf den Schießstand wollten. Die MPU würde zum Chaos führen. Es gebe für sie auch noch kein Regelwerk. „Das sind oft Nasengutachten.“
Daniel betonte: „Schützen sind keine Waffenträger. Wir führen keine Waffen, sondern fahren sie in verschlossenen Behältnissen zum Schießstand.“ Den Preis von bis zu 300 Euro pro Gutachten halte er für „böswillig“. Hanni Baur von der Gebirgsschützenkompanie Wolfratshausen ärgerte sich: „Es wäre schön gewesen, wenn man vorher mit den Schützen gesprochen hätte. Das hätte Schärfe rausgenommen.“ So aber werde der Schützensport „wieder an die Wand gestellt“. Weitere Teilnehmer waren Stefan Kawnik, Sportleiter im Gau Starnberg, Stefanie Lück von den Hubertus-Schützen Geisenbrunn und Manfred Brennauer von der Schützengesellschaft St. Sebastian Machtlfing. Anke Sokolowski aus Berg, Sportleitung im Gau Wolfratshausen, lud Wegge zudem ein, um ihr die Vereinsarbeit zu demonstrieren. „Das nehme ich gerne an“, sagte die Abgeordnete.