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Protest gegen AfD: Laut und bunt und friedlich

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Von: Peter Schiebel

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Mit Plakaten, Transparenten, Luftballons und Lärm gegen die AfD: Etwa 250 Starnberger protestierten am Kirchplatz. „Politik ist eine zu ernste Sache, um sie AfD-Männern zu überlassen“, stand auf einem Plakat.

Etwa 250 Starnberger Bürger haben am Donnerstagnachmittag auf dem Kirchplatz gegen einen Wahlkampfauftritt der AfD protestiert. Zwar war der Protest laut und die Stimmung teils gereizt, nach Angaben der Polizei gab es aber keine Zwischenfälle. Das Protokoll eines aufwühlenden Tages.

Starnberg – 14 Uhr: Im unteren Teil des Kirchplatzes macht ein SPD-Wahlkampfmobil Station. Es geht um die Europawahl am Sonntag. „Ich habe mich mit dem Ortsverein beworben und eine Zusage für heute bekommen“, sagt Stadträtin Christiane Falk. Es gibt belgische Waffeln und Gespräche.

16 Uhr: Die grüne Landratskandidatin Martina Neubauer und ihr Mann Peter Klinder dekorieren den Kirchplatz mit Europafahnen. „Wir sind auf jeden Fall mehr und auf jeden Fall ein bunter Haufen“, sagt Neubauer, die als Mitglied des Bündnisses Starnberger Dialog zur Demonstration aufgerufen hat.

16.30 Uhr: Im oberen Bereich des Kirchplatzes, im Schatten der Stadtpfarrkirche St. Maria, beginnt die AfD mit den Vorbereitungen für den Auftritt ihres Kreisvorsitzenden, des Bundestagsabgeordneten Martin Hebner. „Mut zur Wahrheit“, steht auf dem blauen Kastenwagen mit Weilheimer Nummer. Auch die Polizei ist da.

16.45 Uhr: Der Kirchplatz füllt sich langsam. „Wir lehnen die AfD wegen ihrer Neigung zu Neonazis ab“, sagt Altlandrat Heinrich Frey.

16.49 Uhr: Die etwa 35 Personen starke Gruppe von AfD-Sympathisanten, viele davon nicht aus Starnberg, hat selbst gemachte Plakate aufgestellt: „Mundtot durch Glocken?“, ist auf einem zu lesen. „Demokratie ist nicht Hetze gegen Andersdenkende“, auf einem anderen.

16.57 Uhr: Auffallend viele junge Menschen nehmen an dem Protest gegen die AfD teil. „Wir leben Freundschaft und Demokratie“, sagt die Starnbergerin Katharina Hoffmann, die zusammen mit befreundeten Müttern und den Kindern Aurelie, Felix (beide 10) und Raphael (5) zum Kirchplatz gekommen ist. „Mein Freund Ahmed soll bleiben“, haben die Kinder auf ein Plakat geschrieben.

17 Uhr: Lautes Glockenläuten tönt über den Platz. Der katholische Stadtpfarrer Dr. Andreas Jall und sein evangelischer Kollege Dr. Stefan Koch rufen mit diesem Signal zum Gebet auf. Das Motto des Gottesdienstes in St. Maria: Versöhnung.

17.09 Uhr: Auch die frisch geehrte Bürgermedaillenträgerin Elisabeth Carr ist zur Demo gekommen. „Ich möchte und muss Position beziehen und setze mich für ein friedliches, demokratisches und weltoffenes Starnberg ein“, sagt die Künstlerin. Etwa 250 Menschen sind nach Angaben der Polizei auf dem Kirchplatz, viele ausgestattet mit Schaufel und Besen, um den Platz nach dem AfD-Auftritt symbolisch zu säubern. Auf Plakaten sind Sprüche wie „Herz statt Hetze“ und „Liebe statt Hass“ zu lesen.

17.14 Uhr: AfD-Kreischef Hebner kommt in Starnberg an. Als er kurz darauf zum Mikro greift, wird es laut auf dem Kirchplatz. Die Starnberger empfangen ihn mit Buhrufen, „Nazis raus“-Sprechchören, Trillerpfeifen und Tröten. „Brüllen hat noch nie zu etwas geführt“, ruft er.

17.17 Uhr: Etwa 50 Gläubige sind dem Aufruf der Pfarrer gefolgt. Sie singen begleitet von Orgelmusik in St. Maria das Lied „Wo Menschen sich vergessen“, mit dem der Gottesdienst beginnt. „Wir hören es“, sagt Jall über den Lärm von nebenan, der während der gesamten Feier zu hören sein wird. „Wir leben in Zeiten von Angstmacherei, Hysterie und Populismus“, sagt Jall. Und in diesen Zeiten müssten Christen Stellung beziehen. Der Standpunkt der ökumenischen Kirche sei der gemeinsame Glaube, der niemanden ausgrenze und keine Angst mache, sondern Hoffnung und Zuversicht gebe.

17.21 Uhr: AfD-Mann Hebner kritisiert die Demonstranten. Sie hätten keinerlei Interesse an einer anderen Meinung und würden Kinder instrumentalisieren. „Das ist schade“, ruft er ins Mikro.

17.32 Uhr: In St. Maria ergreift Pfarrer Koch das Wort. Er ruft die Gottesdienstteilnehmer dazu auf, die Versöhnungslitanei von Coventry zu beten, die an deutsche Bombenangriffe auf die Kathedrale im Jahr 1940 mit 568 Toten erinnere. „Auch wir wollen zur Versöhnung aufrufen“, sagt Koch, der ebenfalls dem Starnberger Dialog angehört. „Der Protest gilt dem Hass und richtet sich nicht gegen den Menschen, der sich zum Hass verleiten lässt.“

17.34 Uhr: Auf dem Kirchplatz macht Martin Hebner eine Pause, dafür ergreift Alexander Neumeyer vom AfD-Kreisverband Weilheim das Wort: „Kommt ihr euch nicht lächerlich und kindisch vor?“, ruft er ins Mikro.

17.42 Uhr: Während Hebner wieder spricht, stimmt Rainer Hange gegenüber dem Starnberger Merkur nachdenkliche Worte an. „Ich weiß nicht, ob nur niederschreien der richtige Weg ist“, sagt das FDP-Ehrenmitglied, das ebenfalls kürzlich mit der Starnberger Bürgermedaille geehrt wurde. „Wir können doch mit besseren Argumenten überzeugen und müssen sie da packen, wo sie völlig daneben liegen“, sagt er und nennt den Hang zu extremen Positionen.

17.55 Uhr: Der Gottesdienst ist zu Ende, einige der Teilnehmer gehen zurück in die Menschenmenge auf dem Kirchplatz. Unter ihnen ist auch CSU-Landratskandidat Stefan Frey, der in der Kirche Lesungen gehalten hat. „Ich möchte ein bewusstes Zeichen für Versöhnung und Frieden setzen“, sagt er.

17.57 Uhr: Auch AfD-Mann Hebner ist fertig. „Ihr könnt nach Hause gehen“, skandieren einige Demonstranten.

18.02 Uhr: Der wegen seiner radikal islamfeindlichen Haltung bekannte Rechtspopulist Michael Stürzenberger versucht mit Mikrofon und Kameramann, vor allem junge Demonstranten in Gespräche zu verwickeln.

18.05 Uhr: Inmitten von Rufen und Schreien, bei denen die Gegendemonstranten die AfD-Vertreter klar übertönen, ist SPD-Kreisrätin Sissi Fuchsenberger vom Starnberger Dialog zufrieden mit dem Einsatz. „Ich finde es toll, dass wir der AfD gezeigt haben, dass wir sie im Landkreis nicht wollen“, sagt sie. Obwohl die AfD nicht verboten sei, sei es wichtig, sie am Sprechen zu hindern, damit sie ihre Parolen gegen Homosexuelle, Ausländer und andere Minderheiten nicht verbreiten könne. Ähnlich äußert sich Martina Neubauer: „Ich bin sehr stolz auf Starnberg“, sagt sie. 80 Leute habe sie angemeldet – „es ist schön, dass so viele gekommen sind“.

18.07 Uhr: AfD-Mann Hebner hatte sogar mit noch mehr Protest gerechnet, wie er dem Starnberger Merkur sagt. Er gibt sich zufrieden und kündigt weitere Auftritte im Landkreis Starnberg an.

18.15 Uhr: Die Starnberger Polizei spricht in einem ersten Fazit von keinen besonderen Vorkommnissen.

18.38 Uhr: Die ersten Demonstranten beginnen, den Kirchplatz zu fegen.

18.42 Uhr: Der AfD-Kastenwagen fährt weg. Am Rand des Platzes steht Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald. „Es ist beeindruckend, wie viele Menschen hier waren“, sagt sie. Vor allem junge Leute müssten sich gegen die Parolen der AfD wehren. Ihr sei es ein Bedürfnis gewesen, zur Demo zu kommen.

18.57 Uhr: Im großen Saal der Schlossberghalle warten rund 180 AfD-Sympathisanten auf Hebner und den Berliner Bundestagsabgeordneten Dr. Gottfried Curio. Vom Band läuft die Bayernhymne.

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